Wir Künstler, die Lakaien. Aus dem Entwurf der Polemik für den Palmbaum.

Dabei sind wir Künstler schon derart alimentiert, daß man gegenüber den Bundesländern von einem Eltern-Kind-Verhältnis sprechen kann. Hier ist eine, im Sinn von „unheimlich“, ungeheuerliche Regression im Gang, die alle Rede von Autonomer Kunst durchstreicht – ein Begriff, der im 19. Jahrhundert kämpferisch errungen wurde, man kann fast „klassenkämpferisch“ sagen, sofern man denn den Künstler als eine eigene, wenn auch sehr kleine Gesellschaftsklasse begreift: Immerhin war er der Narr, der dem siegreichen Feldherrn auf den Triumphzügen rückwärts vorausläuft, damit er ihn schmähe. Wir indessen schmähen nicht, sondern schmeicheln, schmeicheln wie irgend ein Bittsteller in der Antichambre zum demokratischen Thronsaal. Damit verlieren wir unsere provokante, bzw. polarisierende, in jedem Fall neue Entwicklungen initiierende Funktion ganz ebenso, wie in dem sich totalisierenden Kapitalismus der letzten dreißig Jahre jede keimende Widerstandsbewegung der Künste, soweit sie auch nur ein bißchen populär wurde, binnen keines halben Jahres im Netz des, nennt es Adorno, „universalen Verblendungszusammenhangs“ nicht nur eingeholt, sondern, an Bord dann, sofort kommerzialisiert und ökonomisch profitabel zurechtgeschnitten worden ist. Nicht die Bewegungen profitierten davon, sondern, letztlich, allein die Unternehmen. Jeder Stachel bricht so weg, der ein Wesentliches ist der Kunst.

29 thoughts on “Wir Künstler, die Lakaien. Aus dem Entwurf der Polemik für den Palmbaum.

  1. Achtung! Indem jenes Stimulans, Stachel, der die Kunst ist, nurmehr ins Leere, Unempfindliche einer durch und durch anästhe(ti)sierten Krake sticht, besteht die größte Gefahr für die Kunst darin, ihren Stachel gegen sich selbst zu richten.

    1. @tom: Dann. Merkt sie immerhin den Schmerz. Das wäre schon mal was.

      S o anästhesiert ist „die“ Krake aber nicht, wie ich selbst immer wieder zu spüren bekomme. Nur daß sich die Ausschlußmöglichkeiten totalisiert haben – aber auch das ist vermeintlich, weil dagegen noch das Netz steht.

  2. Nominell Einzelne Der Kritiker Reich-Ranicki hat in der heutigen Sonntagsausgabe der FAZ auf die Frage, ob Arno Schmitd nicht doch eher ein wortverliebter Scharlatan gewesen sei, geantwortet, ja, das könne stimmen, auch ihn habe „Zettels Traum“ mehr als gelangweilt.
    Ist es nur die Meinung eines möglicherweise müden alten Mannes, der hier moderne Literatur nur deshalb verwirft, weil er sich nicht versteht? Oder hat avancierte Literatur in einem umfassenderen Sinne den „Anschluss“ verloren?
    Sind es nur nominell Einzelne, die den Stich registrieren?

    1. @tom zu RR. Der Mann hat nicht nur Arno Schmidt, sondern brutal auch Ingeborg Bachmann „verworfen“ -wie überhaupt alles, was nicht in seine stalinistisch-realsozialistische Auffassung von Literatur, die allerdings humanistische Werte verbreiten sollte, paßte.

      Was Ihre Grundfrage anbelangt, so glaube ich, daß die avancierten Künste noch nie den Anschluß hatten; den bekamen sie oft erst Jahrzehnte, bisweilen erst zweidrei Jahrhunderte später. Denken Sie an Bach, an Hölderlin, an Kleist, van Gogh usw. Die Künste ihrer eigenen Zeit zu verstehen, sie zu befragen, zu achten, vielleicht sogar zu lieben – das ist seit je nur Einzelnen gegeben gewesen. Selbst aus Beethovens nun wirklich populistischen Sinfonien strich man ganze Akkorde, und seine späten Steichquartette galten noch in den 50ern der letzten Jahrhunderts als mißlungene Musik. – Nein, die Situation ist nicht neu, sondern setzt nur fort, was schon war. Allerdings wird sie über den Pop totalisiert: auch Intellektuelle ergreift sie.

      P.S.: RR ist nicht wirklich und schon gar nicht in schlegelschem oder benjaminschem Sinn ein Kritiker, sondern er ist Literatur-Entertainer, als solcher aber völlig zu recht ein Star.

    2. das@tom weiß ich nicht mal. Ob er sie nicht versteht. Bisweilen habe ich gedacht: Er will sie nicht, aus Treue vielleicht zu seinen literarischen Hausgöttern. Sollst keinen haben neben MIr.

      Aber unterm Strich finde ich den Mann uninteressant. Er hat in seiner Zeit weniger Bleibendes über Literatur geschrieben, als eine bleibende Politik gemacht, Diese seine Seite ist bis heute nicht zu unterschätzen. Als der politische Rethor, der er immer war, war er – und ist’s zum Teil noch heute – Populist. In der Tat halte ich ihn für eine frühe Erscheinung des Pops. Als solche ist er ein Faszinosum.

    3. …wenn Sie von einer Totalisierung der Situation durch den Pop sprechen, dann impliziert das die Gefahr eines endgültigen Ersterbens von Kunst, deren Fortbestehen selbst subversiv-esoterisch in Frage steht. Denn als kleine Literatur haben die Hönderlin, Kleist oder Kafka immerhin existiert.

    4. Das ist@tom. Der Punkt.

      Selbstverständlichb hoffe ich, daß es nicht so kommen wird. Meine Leidenschaftlichkeit wehrt das auch ab, mein Verstand hingegen sieht es manchmal schon als – gegeben.
      Aber vielleicht hatte Arno Schmidt recht, als er schrieb, die wirklich großen Bücher würden ohnedies nur von einer Hand zur anderen über die Jahrhunderte weitergereicht. Daß Kunst, die es ist, nahezu immer elitär war, spricht dafür. Oft begriffen nicht einmal die, die sie in Auftrag gaben und bezahlten.

  3. Ich fühle mich von der öffentlichen Hand nicht besonders alimentiert – heißt das nun etwa, daß ich diese bestimmte Funktion übernehmen und provozieren und polarisieren muß, während die Alimentierten die Hofnarren mimen müssen? Ziemlich viel müssen müssen, finde ich.

    1. @Schlinkert. Sie gehören auch nicht zu den vielen, sondern zu denen, die entweder ständig übergangen we/urden, oder aber denen, die Anträge erst gar nicht stellen.
      Aber sehen Sie sich an, wovon die meisten Künstler, wenn sie nicht permanent jobben, leben: ganz sicher nicht von ihrem Werk. Davon lebt ein Prozentsatz von vielleicht zwei Prozent, die anderen sind alimentiert. Ich nehme mich da nicht aus, wenngleich es besser geworden ist für mich. Es ist dagegen auch gar nichts zu sagen, nur dagegen, und das allerdings, daß man sein Werk & Sein nach der Decke streckt.
      Nicht dem, daß es öffentliche Kunstförderung gibt, gelten meine Bedenken – von solcher Förderung kann es gar nicht genug geben -, sondern dem Umstand, daß die Dichter sich liebkind mit den Juroren, bzw. Entscheidern machen, damit sie nicht aus dem Raster fallen, oder sich ihren Meinungen beugen, mindetsens so darunter ducken, daß ihr Widerspruch nicht mehr gemerkt, also nicht öffentlich wird.

    2. Gewiss, kein anderer als wir selbst kann sie uns geben. Aber die Form ist nicht identisch mit uns selbst – das Ich ist nicht was es ist, es ist was es nicht ist.

    3. @ANH Nun ja, beworben habe ich mich schon sehr häufig, aber eben falsch, wie man mir oft gesagt hat, nämlich „nur“ mit einem Text (bzw. in früheren Zeiten mit Bildern oder Objekten). Einmal immerhin hat es mit einer Bewerbung ja geklappt, nur mit einem Text und ohne alle Beziehungen in die Literaturszene. Das „Falsche“ liegt aber offensichtlich tatsächlich darin begründet, daß ich nicht vorher herausbekomme, wer in der Jury sitzt – die Frage habe ich erst vor ein paar Tagen wieder gehört. Aber was soll ich machen, mir liegt das Herumgesülze und Herumgeschleime nicht, ich will meine Arbeit nicht entwerten und denke auch nach wie vor, daß sich Qualität durchsetzt. Naiv, nicht!?

    4. @Schlinkert: Nein. Gar nicht naiv. Sondern achtenswert. Und vor allem: stolz.

      [Abgesehen davon, ist es sinnvoll, sich über die Zusammensetzungen von Juries klarzuwerden. Ich halte es unterdessen so, daß ich mich, tauchen bestimmte Namen da auf, erst gar nicht mehr bewerbe. Aber deswegen, selbstverständlich, nicht stillhalte, sondern ich weiß, daß hier gekämpft werden muß.]

    5. @ANH Nun ja, ich wollte auch früher nie durch einen geschundenen Elfmeter gewinnen. Was die Jurybesetzung angeht, so ist das für mich bisher nie wichtig gewesen, weil ich da nie jemanden kannte. Die Gründe, warum ich mich oft nicht bewerbe, liegen aber eigentlich immer in Umständen begründet, die ich (wie andere auch) ohnehin nicht ändern kann, denn es gibt ja Altersbegrenzungen oder Preise nur für Frauen oder nur für Hessen oder nur für hier lebende Ausländer oder nur für Autoren, die sich bestimmter Themen annehmen und so weiter. Das ist ja auch in Ordnung so! Ich sehe natürlich auch ein, daß die Preußische Seehandlung nicht mich, sondern Aléa Torik fördern muß, denn die hat ja ein frisches Buch auf dem Markt. Das Wichtigste ist ohnehin die eigene Arbeit und das eigene Leben, was sinnvolle Bewerbungsarbeit (wie bei vielen anderen Berufen) natürlich nicht ausschließt.

    6. Oh, hat das Fräulein das geschafft? Dann ist ihm das zu gönnen, Gönner wie Unterstützung. Man kann Aléa Torik mögen oder persönlich nicht, aber sie arbeitet entschieden und künstlerisch sehr konsequent, ja radikal. Dem entbiete ich meine höchste Achtung.

    7. Da sehn Sie mal. Wie pfiffig unser Frollein ist. Und wie es die Herren allesamt an ihren Johannessen durch die Räume des Betriebes führt, die sich, dio Herren, an ihren Nasen niemals wollten führen lassen. Ja, wir erkennen sie an ihnen ganz wie die Kaiser in ihren neuen Kleidern.

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