Staatsoper Berlin im Schillertheater.
18 Uhr.
>>>> Restkarten.
Manchmal bedeuten Neuaufnahmen sehr alter Produktionen Reifungsprozesse; bisweilen greifen sie sogar – wenn auch vor allem in den Details – in die frühen Konzeptionen-selbst ein. Des Werkes eigenes Inneres bemächtigt sich seiner fremdinszenierten Interpretation. Mir scheint, hier ist dies in einem besonderen Maß geschehen. Dazu gehört ebenso, daß sich die junge Sophie, als Innenwendung ihres Widerstands gegen das rigide Verheiratetwerden, mit der Schere selbst in der Innenhand bohrt, wie daß sich die beiden jungen Menschen, über die da die Liebe fällt, gleichzeitig an der silbernen Rose stechen, und gleichzeitig lutschen sie an den Daumen ihre kleinen Wunden aus, die sie doch woanders – ja, empfangen haben, muß ich schreiben. Das ist eine in ihrer Feinheit ungeheure Szene, die Briegers politisch zeitbedingte Interpretation plötzlich in geradezu ein Ewiges transzendiert. Es geschieht ja uns allen oder ist uns geschehen, wenn uns >>>> des Furchtbaren tiefst beglückender Pfeil trifft. Daß es hier nicht allein beim Blick der >>>> Anagnorisis bleibt, sondern konkretisiert wird, rückt die Personen ins für immer Menschliche. Das ist ein hochparadoxer Vorgang, weil Konkretisierung zur Verallgemeinerung führt, wie sich zugleich der Abstaktionsvorgang, den sie bedeutet, vollkommen persönlich macht. Das, in der Tat, habe ich in keinem meiner bisherigen Rosenkavaliere gesehen. Wobei ich geneigt bin, die Idee für >>>> Magdalena Koženás zu halten, die das Wunder hinbekommt, aus einer Hosenrolle tatsächlich einen Mann von siebzehn Jahren zu machen, und zwar mit sämtlichen testosteronalen Überschüssen, die so ein junger Mensch hat, allem Pathos, aller Innigkeit, aller Unabgeklärtheit des lebenstürmenden Drangs. Wenn sich dann dieser junge Mann, der doch in Wirlichkeit eine Frau von unterdessen 38 Jahren ist, zur Zofe Mariandl verkleidet, bleibt sie ein in einen kokotten Backfisch verkleideter Siebzehnjähriger, der zwar teils vom eigenen Witz belustigt, mehr aber, sichtlich, genervt ist. Koženás gestaltete Unmittelbarkeit fängt aber schon zu Beginn des ersten Aktes an, wenn sich Octavian nach der gemeinsamen Nacht, am Boden ausstreckt und in seinen Zehen die erlebte Lust – sie war aus Wollust und zartester, fast scheuer Verliebtheit gewoben – immer noch nachzuckt. Dieses zusammen mit ihrer stimmlich grandiosen Präsenz macht Koženás Octavian zum zweiten Wunder, das mich diese Inszenierung in all ihren vergangenen Jahren hat erleben lassen.
ANH
(aus der noch in Arbeit befindlichen Rezension der Aufführung vom 21. Dezember).
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