[Arbeitswohnung.
Keine Musik: um im Kopf nicht die
Klänge des Hörstücks zu überlagern.]
Zur Arbeit >>>> siehe dort, Fünfter und Sechster Produktionstag.
Seit halb sechs Uhr auf. Zweiter Latte macchiato, MorgenCigarillo.
Leichte Betäubtheit, die eine kleine Depression überdeckt. Ich kenne mich gut. Schon vorgestern war aus Rom eine Email gekommen, der Sekretärin der >>>> Villa Massimo, derzufolge im Mai dort alles belegt sei; ich hatte ja den Wunsch, und hab ihn immer noch, der eigentlich völlig unangezweifelte Überzeugung war, daß Delf Schmidt und ich das Endlektorat an >>>> Argo würden in Rom vornehmen können. Das satzfertige Typoskript soll im Juni im Verlag abgegeben werden.
Also schrieb ich zurück, daß es schade sei, aber vielleicht gebe es einen anderen Termin um diesen Zeitraum herum, woraufhin mir nun der Direktor der Massimo selbst, Joachim Blüher, schrieb, von der Aufwertung erzählte, die die Massimo in den letzten Jahren – er meinte: während seines Direktorats – erfahren und daß ihrethalben ein regelrechter Besuchersturm auf diese deutsche Akademie eingesetzt habe. So weit, so nachvollziehbar. Aber in Harnisch brachten mich folgende zwei Sätze:Da die Unterkünfte und ihre Belegung sehr aufmerksam im Ministerium registriert werden, wurde ich inzwischen mehrfach auf sich wiederholende Belegungen hingewiesen. Sie waren, glaube ich zweimal in den letzten Jahren da. Lassen Sie uns einfach mal pausieren.Daß ich zweimal dort war, stimmt selbstverständlich, aber einmal für eine, ein andermal für zwei Nächte, und ich hatte nicht etwa vorgebucht, sondern war vorbeigegangen und hatte gefragt, ob etwas frei sei. War es; wäre ich nicht dagewesen, hätte das Gästezimmer leergestanden.
Richtig h e f t i g allerdings ist der Satz mit der Beobachtung, unter der man stehe. Ich reagierte darauf so:Aber wie auch immer, ich habe verstanden und werde mich in Zukunft fernhalten, da ich kein Interesse daran habe, daß der Umgang mit mir den guten Ruf Ihres Hauses schädigt.Woraufhin er wieder schrieb, es tue ihm leid, daß ich seinen Satz so mißverstanden habe.
Ich habe ihn nicht mißverstanden, sondern kenne die Zeichen. Frustrierend daran – im eigentlichen Sinn dieses Wortes; „frustra“ heißt „vergeblich“ – ist der Schatten, der jetzt schon vor Erscheinen auf diesen dritten Anderswelt-Roman fällt, die wiedernächste Ignoranz, das wiedernächste NichtWahrnehmenWollen meiner Arbeit; in Blühers Absage und diesen zwei Sätzen steckt für mich die gesamte Haltung des Betriebs zu meinem Werk: verschweigen, nicht bemerken, wegtun. Sechzehn Jahre habe ich insgesamt an dem Projekt gearbeitet und wollte ihm mit dem Endlektorat in Rom wohltun, ihm, mir, auch Schmidt. Da ist jetzt draufgespuckt worden. Es spielt de facto gar keine Rolle, mit welcher Zähigkeit, mit welchem Willen, gegen welche Widerstände auch immer ich diese riesige Trilogie durchgefochten und schließlich fertiggebracht habe. Die Massimo war für mich immer ein Heimatort für sie, denn dort schrieb ich den größten Teil von >>>> Thetis, meine Zeit dort war insgesamt eines der intensivsten und vor allem auch glücklichsten Jahre meines Lebens. Da hindurch hat nun jemand einen verächtlichen und verachtungsvollen Strich gemacht.
Bau Dir kein Heim und glaube an keines.
Egal. Ich werde die Massimo fortan meiden. Sollen die Regierungsbeamten, die sich in Rom aufgrund ihrer hohen Gehälter vorzügliche Hotels leisten können, die Massimo weiterfrequentieren; unter ihrer eigenen Beobachtung stehend, schaden sie sich damit nicht und nicht Herrn Blüher. Ich habe gut verstanden.
Aber es tut weh und erschöpfte mich dann so sehr, die Depression niederzuhalten, daß ich bereits um halb 22 Uhr die Arbeit liegenließ und schon um halb zwölf zu Bett ging. Heute morgen wirkt die Angelegenheit nur latent nach, bedrückt mich, macht mich traurig. An meinem Verhältnis zur Welt, ich weiß es ja, wird sich objektiv nichts mehr ändern. Ich bin und bleibe Paria.
Egal. Ja. Egal. Ich werde meine Arbeit tun. Ob man sie will oder nicht. Ich bin nicht der einzige Künstler von Bedeutung, der zu Lebzeiten verletzt und wiederverletzt wurde. Die Geschichte, später, rückt das fast immer gerade. Auf perverse Weise h i l f t es, das zu wissen.
14.55 Uhr:
So, mein Junge ist mit seiner Freundin hier; als sie hereinkamen, lag ich noch zum Mittagsschlaf.
Die erste Montage ist auf CD gebrannt; sowie die beiden wieder fort sind, also nach meines Sohnes Celloüben, will ich sie über ein normales Abspielgerät durchhören. Die Zwischenzeit nutze ich mal zum nun wirklich fälligen Abwasch des innert dreier Tage benutzten Geschirrs. Die „Störung“ hat entschieden hygienische Vorteile.
Rituale, besonders solche, die ein über viele Jahre gewachsenes Werk zum Abschluss bringen sollen, sind kostbar. Da geht es nicht um „Unterkunft“, sondern um die Bindung an einen Ort, dem man Magie zuspricht, weil er Teil der eigenen künstlerischen Geschichte ist.
In meinem Fall ist das die Cité des Arts in Paris. Wer dort einmal mit einem Stipendium war, darf lebenslang zurückkommen, wenn Räume frei sind. Künstler:innen brauchen Herzensorte – und umgekehrt!
@Phyllis zu Ritualen. Sie haben es exakt benannt; so klar war mir selbst nicht, was eigentlich verletzt worden ist. Aus Ablehnung oder Annahme wird der Grad der Wertschätzung empfunden.
Danke.
Es kann natürlich … … kein Trost für Sie sein, doch haben Sie immerhin noch Antwort erhalten. Es gibt auch die verschärfte Variante, dass man nicht mal einer Absage für würdig erachtet wird.
Ansonsten rate ich, geben Sie den Leuten nicht die Genugtuung, auch nur den Schatten eines Schattens auf Argo werfen zu können. Das können die nicht! Argo wird noch leben, wenn aus diesen Leuten schon so lange Gras wächst, dass niemand mehr ihren Namen kennt.
„Bleib erschütterbar – doch widersteh!“ wünscht Ihnen PHG
Wenn auch nur nebensächlich… .. beim Link zur Villa Massimo ist Ihnen ein Fehler unterlaufen.
Danke@Gast. Für Ihre Aufmerksamkeit. Ich hab’s eben korrigiert.