8.22 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Nachdem ich gestern den ganzen Tag bis nach 22.30 Uhr noch rhythmus-korrigierend am Epilog saß, bis fast 2.30 Uhr noch Filme geguckt und also erst um Viertel vor acht auf. Ich muß mir diese Guckerei dringend wieder angewöhnen, indessen mich das später Aufstehn momentan nicht sonderlich stört. Heute morgen, nachdem der Latte macchiato bereitet und in der ersten Pfeife des Tages der Tabak entzündet war, den Epilogtext ausgedruckt und nunmehr auf dem Papier zu korrigieren begonnen:
[Arbeitswohnung.]
Nachdem ich gestern den ganzen Tag bis nach 22.30 Uhr noch rhythmus-korrigierend am Epilog saß, bis fast 2.30 Uhr noch Filme geguckt und also erst um Viertel vor acht auf. Ich muß mir diese Guckerei dringend wieder angewöhnen, indessen mich das später Aufstehn momentan nicht sonderlich stört. Heute morgen, nachdem der Latte macchiato bereitet und in der ersten Pfeife des Tages der Tabak entzündet war, den Epilogtext ausgedruckt und nunmehr auf dem Papier zu korrigieren begonnen:
Jetzt geht es um einzelne Wörter, Wortwiederholungen etwa, die in einem Fließtext sehr viel stärker auffallen als in mit Zeilenbruch formatierten Lyrikseiten, also um Ersetzungen einzelner Wörter, selten vereinzelter Phrasen. Kompliziert daran ist, daß ich nicht einfach Synonyme nehmen kann, sondern daß diese Ersetzungen genau den Rhythmus des zu ersetzenden Wortes haben müssen. Außerdem will ich den Text mit nautischen Termini anreichern und ihn überdies mit anderen Absätzen gliedern, als die epische Form das vorgibt. Mit alldem werde ich bis heute abend zu tun haben, denke ich; dann sollte die zweite Fassung des Epilogs „stehen“, die an UF hinausgehen wird, allerdings zusammen mit der „ursprünglichen“ Form der Hexameter-Formatierung, die auch noch die rhythmischen Syntaxen und den kompletten Goethe, je darunter, enthält, von dessen Zeilen sie abgeleitet ist. In Zweifelsfragen kann man dann immer überprüfend ins „Original“ schauen. Formal betrachtet, ist dieser Epilog das komplizierteste, nicht aber komplexeste Stück des gesamten Romans.
Gut, dann will ich mal.
14.30 Uhr:
Reines Versmaßarbeiten könne echt schlauchen, schrieb ich gerade einer Freundin. Ich brauchte meinen Mittagsschlaf und nehm ihn mir jetzt.
Bin tatsächlich einmal ganz durchgekommen; jetzt dürften es nur wenige Wörter sein, um die ich hier noch ringen muß – aber nach dem Schlafen.
Sò.
Aber für den Roman-tatsächlich gebe ich mir zwanzig Jahre, schon wegen der ganzen Grundlagen, die das Projekt braucht: das große Latinum nachholen, um die originalen Quellen lesen zu können, die Reisen – etwa: zu Fuß, bzw. mit dem Pferd über die Alpen und die Schiffahrt ins Heilige Land – usw. usf. Wobei es mir für den Roman gar nicht darauf ankommt, daß ich historisch korrekt bin, aber ich will wissen, wie es korrekt gewesen ist. – Und während ich so, nun gut, „forsche“, geht’s an die kleinen Romane, die ich im Kopf habe; zuerst nämlich ans Sterbebuch, dann an die Melusine Walser.
Genießen Sie Ihren Abend. Morgen früh stelle ich Ihnen ein Stückchen aus dem Epilog noch in Der Dschungel ein – das dreihundertste und letzte Argo-Zitat, das es hier jemals noch geben wird.
Reines Versmaßarbeiten könne echt schlauchen, schrieb ich gerade einer Freundin. Ich brauchte meinen Mittagsschlaf und nehm ihn mir jetzt.
Bin tatsächlich einmal ganz durchgekommen; jetzt dürften es nur wenige Wörter sein, um die ich hier noch ringen muß – aber nach dem Schlafen.
Sò.
18.36 Uhr:
Eigentlich kann ich es gar nicht fassen und weiß nicht, ob ich nun jubeln oder melancholisch vor mich hin sinnieren soll: Ich bin fertig geworden, der Epilog liegt bei UF; jetzt noch Kleinigkeiten und FINIS mit der Anderswelt. Gut, die Fahnen noch, die dann korrekturgelesen werden müssen, aber als Zeichen, das diesen Abschluß firmiert, habe ich soeben einen der Quelltexte für meinen letzten 1000er hervorgeholt und beginne jetzt zu lesen:
Aber für den Roman-tatsächlich gebe ich mir zwanzig Jahre, schon wegen der ganzen Grundlagen, die das Projekt braucht: das große Latinum nachholen, um die originalen Quellen lesen zu können, die Reisen – etwa: zu Fuß, bzw. mit dem Pferd über die Alpen und die Schiffahrt ins Heilige Land – usw. usf. Wobei es mir für den Roman gar nicht darauf ankommt, daß ich historisch korrekt bin, aber ich will wissen, wie es korrekt gewesen ist. – Und während ich so, nun gut, „forsche“, geht’s an die kleinen Romane, die ich im Kopf habe; zuerst nämlich ans Sterbebuch, dann an die Melusine Walser.
Genießen Sie Ihren Abend. Morgen früh stelle ich Ihnen ein Stückchen aus dem Epilog noch in Der Dschungel ein – das dreihundertste und letzte Argo-Zitat, das es hier jemals noch geben wird.
Rilke … … hat sehr viel mit Wiederholungen gearbeitet. Kann man also machen.
Montagsgruß, PHG
Wie sagte schon Horaz: „Bis repetita non placent“. Ich kann, trotz Rilkes Meisterschaft, gut nachvollziehen, daß man Wiederholungen im Text ausmerzt, weil sie durch ihre einfache Präsenz und die banale Verknüpfung über Zeilen oder Absätze hinweg oft textbeschädigend wirken – ich arbeite nicht selten (das Wort „oft“ vermeidend) ganze Passagen um, um Wiederholungen aus dem Text herauszuhalten.
Da stimme ich naturgemäß zu. Nache ich wie Sie. Es ist überhaupt erstaunlich, dass es Rilke gelingt.
Rilke oder auch ein Adalbert Stifter oder auch Thomas Bernhard kommen eben aus einem anderen Sprachkosmos, nämlich dem Österreichischen – anders kann ich mir das nicht erklären.
@PHG und Schlinkert. Ich finde, daß es Rilke und anderen gelingt, kaum erstaunlich und ebenso wenig glaube ich, daß es sich um ein dialektales Phänomen handelt. Sondern Wiederholungen leben von Rhythmik und, vor allem, Assonanz. Ich lösche Wiederholungen deshalb fast nur dort, wo sie mir widerfahren sind, also nicht willentlich gesetzt.
[Das Wort „ausmerzen“ würde ich nur noch jemanden verwenden lassen, den ich decouvrieren will, in einer Rollenprosa also. Nur dafür hat das Wort noch Funktion.]
Die notwendigen Wiederholungen müssen natürlich bleiben, da gebe ich Ihnen selbstredend recht, weil sie Sinn machen, indem sie etwa ein Motiv bewußt wiederholen, so wie das auch in der Musik oft der Fall ist.
[Was haben Sie gegen das Wort „ausmerzen“? Ich verwende es ja nicht im Sinne von „töten“, sondern im Sinne von „Tilgen einer ungewollten Wort-Verknüpfung“.]
@Schlinkert zum Gebrauch von Wörtern. >>>> Dort.
Aber eben deswegen lasse ich mir fast 70 Jahre nach dem Ende der faschistischen Diktatur in Deutschland nicht Worte verbieten, die eindeutig mehrere Bedeutungen haben, die sich also jeweils aus dem von mir persönlich gewählten Kontext ergeben. Ein Wort in harmloser Weise nicht mehr zu benutzen, hieße ja geradezu, den Nazis auf den Leim zu gehen. Die Worte allerdings, das ist auch klar, die von den Nazis erfunden oder extrem geprägt wurden, wie etwa „Entartung“, „Endlösung“, „Rassenschande“ und so weiter (auch dieser ganze Mist mit „Halb-“ und Viertel-“ Juden, was ja allen Ernstes noch oft benutzt wird), haben natürlich jede harmlose oder jede Vielfach-Bedeutung verloren, wenn sie die überhaupt jemals hatten, und können nur zitiert verwendet werden oder Roman- Film- oder Theater-Figuren in den Mund gelegt werden zwecks Charakterisierung. Im übrigen gibt es ja nicht wenige Zeitgenossen, die das Spielen der Musik Wagners aus ähnlichen Gründen immer noch gerne verbieten würden, eben weil diese Musik von den Nazis so derartig benutzt wurde, wenngleich d a s mit d e r Kritik nicht mehr so populär ist wie noch vor zwanzig Jahren.
@Schlinkert. Mich bekommt bei dem Wort „ausmerzen“ nach wie vor ein Schaudern – anders als bei Wagners Musik, weil für sie ohnedies die Antisemitismus-Debatte permanent läuft und auch weiterlaufen wird, d.h. ein sich Suhlen-in-Wagner ist de facto nur Menschen möglich, die tatsächlich faschistoid sind; alle anderen ertragen immer auch höchste Ambivalenz; sie gehört zu Wagner geradezu objektiv dazu. Diese Ambivalenz ist aber bei Wörtern wie „ausmerzen“ gar nicht akut. Ich werde also das meine dazu beitragen, sie zu erzeugen. Und tatsächlich lassen sich die meisten der von den Nationalsizialisten ideologisch verwendeten Wörter – zum Beispiel „Heimat“ oder gar „Vaterland“- nicht ohne gleichzeitiges Distanzieren mehr verwenden, ganz so, wie jemand, dem ein Bein abgenommen wurde, ohne dieses Bein fortan leben muß. Es wächst nicht mehr nach, auch wenn er es in früheren Zeiten unbedenklich verwenden konnte. Geschichte ist irreversibel.
@ANH Ich denke seit frühen Realschulzeiten über diese ganze Thematik nach (beim gelangweilten Aufmalen meiner Initialien fiel mir auf, daß ich zum Glück ein W zwischen das N und das S setzen konnte; dazu kamen noch Vorfälle mit Mitschülern, über die ich dann mit meinem Vater gesprochen habe), und auch mich überkommt bei vielen Worten ein Schaudern, weil sie, wie Sie richtig sagten, nicht und nie wieder ohne den Kontext Naziregime und Shoa verwendet werden können, oder weil sie eben diese eine, fürchterliche Bedeutung a u c h haben. Einige Worte aber kann man zurückgewinnen, „Heimat“ könnte dazugehören, denke ich, bei anderen wird das, hoffe ich, nie funktionieren. Allerdings schwingt besonders im Bereich der Worte, die sich mit dem Entfernen oder Vernichten oder Wegtun in Verbindung bringen lassen, immer auch die Vernichtung von Menschenleben mit, weil das zum Bedeutungshof des jeweiligen Wortes gehört.
Ich denke bei „ausmerzen“ übrigens immer auch die Merzkunst Kurt Schwitters mit, gegen alle Historie, eben weil Sprache nie neutral sein kann.
Mich erinnert die Debatte an „die Ausmerzung der Buchenwälder“, die einer hamburger Lyrikerin in meiner Gegenwart einst passiert. Ich bin damals schier durchgedreht.
Ich erzählte Ihnen, ANH, wohl mal davon. Inzwischen habe ich solche Reflexe nur noch selten. Es kostet zuviel Kraft, gegen solche Dummheit anzukämpfen.
Im übrigen gibt es für mich dabei noch einen ganz anderen und viel wichtigeren Zusammenhang. Mir erzeugen Wörter körperliche Empfindungen, nicht nur in solch einem Falle, auch ganz normalen Wörter, die nicht in solcher und ähnlicher Weise belastet sind, vermag ich nachzufühlen, weil sie für mich eine leibliche Dimension haben. Und wenn ich dann auf solche Monstrositäten treffe, dann schmerzt es, erzeugt Widerwillen etc.
Aber ich weiß natürlich, dass es den absolut meisten Menschen mit der Sprache nicht so gut wie mir. Also, was soll ich tun? Ihnen fehlende Gefühle zum Vorwurf machen?
@PHG. Dem kariösen Zahn die Karies vorzuwerfen, ist sinn-, vor allem aber hoffnungslos. Wir müssen sie behandeln lassen, doch Sorge tragen, daß ihre Gründe behoben werden, zum Beispiel die falsche, was meistens eine schlechte ist, Ernährung.
(Ihr Körper-Wort-Empfinden teile ich; es wird empfindlicher, je älter ich werde.)
@PHG Ich bin bei Worten auch ziemlich empfindlich, oder vielmehr bei Begriffen und Sprachmustern, aber warum jetzt das Wort „ausmerzen“ etwa ebenso schlimm sein soll wie das „ausrotten“ oder das „vernichten“, kann ich nicht begreifen, denn das „ausmerzen“ hat eben eine Bedeutung, die sich a u c h auf Dinge oder Worte beziehen kann (so wie ich das Wort oben einsetzte) und sogar auf das Niederringen von Krankheiten, während doch etwa „vernichten“ und „ausrotten“ oder auch das „vertilgen“ sich klar und eindeutig auf Lebewesen bezieht. Kurz und gut, ich denke, mit dem „daß man Wiederholungen im Text ausmerzt“ ist das von mir gemeinte Vorgehen präzise und ohne jeden Bezug zur Vernichtung von Menschen benannt – was sollte man sonst sagen? Wegmachen, so wie man ungewollte Kinder wegmacht? Oder soll ich Wiederholungen aussondern? Beseitigen?
Nun, der Begriff … … stammt aus dem 16. Jahrhundert, aus dem Bereich der Schafzucht. Dort wurden im März die zur weiteren Zucht ungeeignet erscheinenden Tiere aus der Herde ausgesondert.
Ja, das hatte ich sicherheitshalber noch einmal im ‚Kluge‘ nachgeschlagen (da steht 15. Jh., aber natürlich egal; auch die Herkunft von Schafe „merken“ wird erwähnt) – also ein Wort, daß die Nazis benutzt und für ihre Zwecke mißbraucht, mitnichten also selbst ersonnen haben, so daß man das Wort, auch wenn es nichts unbedingt Schönes bezeichnet, „retten“ könnte, ohne den Mißbrauch zu verniedlichen und zu vergessen!? Aber wenn einem ein Wort aufstößt, kann man natürlich nichts machen, das kenne ich. Ich hatte, fällt mir grad ein, ist schon sehr lange her, mal einer Freundin einen kleinen Spaziergang schmackhaft machen wollen und sagte ihr, wir könnten in Dortmund-Aplerbeck in einem sehr schönen Buchenwald spazieren gehen, worauf sie nur sagte, bei Buchenwald muß ich immer an KZ denken.