Körper.

„Sterbenskranke sind unfickbar.“

-Ist so ein Satz unter vielen Sätzen, der mir wahrscheinlich auch nie wieder aus dem Kopf will. Den mir ein Patient im Rauchereck ins mentale Erinnerungsalbum gab. Ich habe sofort verstanden was er meint und wie er es meinte. Verfall. Von Krankheit gezeichnete Körper. Und wie die Scham dann ihre ganz eigene Decke über ihn wirft. Egal welchen Alters, egal welche Krankheit oder Verunfallung. Selbst an Demenz Erkrankte sind sich ihrer sehr bewusst. Vielleicht mache ich daher so viele Bilder von mir. Muss an meinem Frühlingshormonspiegel liegen, in dem ich geradezu schwimme. Verstörend betörend. Sehr sonderbar! Aber mir fehlt ja doch die Coolness und die Bereitschaft es wirklich jedermann herzuzeigen. Brauche ich also auch nicht so rumzutönen. Mich muss man erwischen. Gelegenheitsnarzisse mit Heißwangenfieber. Wirf Schatten, Faun! -Ich will nicht dass da was flöten geht! Doch immerhin, allein der Gedanke reizt. Wenn nicht, dann habe ich was zum Schwelgen wenn ich eine alte Frau bin, die ich hoffentlich werde. Kann ich nur jedem ans Herz legen.

Andererseits habe ich auch schon ältere Damen und Herren nackt gesehen, die einen durchaus schönen Körper und ein straffes Gewebe hatten. Zumal ich jugendliche Schönheit dann aber doch der Gesundheit unterordnen würde.

19 thoughts on “Körper.

  1. Staune doch … … immer wieder, wenn ich so sehe, was für ‘Probleme’ manche Leute mit sich rumschleppen. Na ja, vielleicht haben Sie nur zu wenig Arbeit.

    Fröhliches Fotografieren noch!

    1. Selbstzuwendung …vielleicht haben Sie nur zu wenig Arbeit.

      Oder Sie haben zuviel davon. Ich selbst arbeite oft 12 Tage am Stück, ohne einen Tag frei zu haben. Aber ich gönne jedem ausreichend Zeit, sich mit seinen Musen aktiv auseinanderzusetzen, sie kennenzulernen. Trotz der Alltagsunvereinbarkeiten. Die manchmal aber doch zusammen gehen. Erstaunlicher Weise. Das hat mich auch kurz überlegen lassen, ob ich das so einstelle. Aber darum geht´s. Für mich ist das mein Alltag. Ich muss das ja irgendwie zusammenbekommen. Da schwappt Eine schon mal von einem Extrem ins andere Wasser. Mag sein, dass einer, der das liest, sich denkt, wie kann man denn von Tod und Krankheit auf “Arschbacken” kommen? Und ich kann. Gott sei dank! Verstehen Sie was ich meine? Vielleicht ist das aber für andere gar nicht nachvollziehbar.

      Darf ich mich Ihnen noch einmal vorstellen: Ich bin ein sehr nachdenklicher Mensch und ich gehe über nur sehr wenige Themen lax hinweg.

      Und was diesen Satz betrifft, den ich als einen sehr unangenehmen empfinde aber eben doch ungeschönt auf den Punkt gebracht. Ich halte das für ein arges Problem. Wenn schon die Grundbedürfnisse wegbrechen, dann folgen häufig auch andere lebensbejahende Bedürfnisse. Nicht immer, aber doch sehr oft.

      Fröhliches Fotografieren noch. Ja, danke! Praktiziere ich jetzt jede Ostern.

      Ich grüße Sie.

  2. Liebe readAn,

    wie anregend-erregend Sie doch so einen eye catcher basteln können! Das erinnert ja an die alte Alea Torik. Da lasse ich mich – fast wie ein überarbeiteter Dichter – doch einmal von den Akten ab- und in Ihre Richtung lenken. Aber wohlmöglich habe ich auch zu wenig Arbeit?

    Wie so oft sind mir Ihre Texte rätselhaft und morbid und schillernd. Schillernd schön. Verstörend betörend. Und dieser in dem angesprochenen Motiv nah am „Zauberberg“, wo sich ja bereits Sterbenskrankheit und Sex die Hand gegeben hatten. Mit mehr Erfolg allerdings, als Ihr Patient im Rauchereck.

    Noch mehr allerdings geistern mir Szenen aus John Banville’s „The Sea“ im Kopf herum. Da gibt es eine an Krebs erkrankende Ehefrau, die, während des Krankenhausaufenthaltes, sich, sehr zur Verstörung Ihres Ehemannes und meiner, des Lesers, dort intensiv selber fotografiert, ungemütlich intensiv fotografiert, mit hunderten von Bildern. Allerdings, anders als bei Ihnen, die Auswüchse der Krankheit, die Operationsnarben und Ähnliches. Rätselhaft. Und für mich unverständlich geblieben.

    Allerdings auch, wie Sie sehen, unvergesslich (und es ist schon 5 Jahre her oder so, dass ich den Roman las). Na, so hatte das wenigstens den Sinn gehabt, dass ich Ihnen nun unauffällig schreiben kann, nämlich darüber.

    Sie sind sicher ein ernsthafter Mensch und (dadurch?) sicher nicht nur nicht lax, sondern auch noch sehr höflich.

    Beste Grüße
    NO

    1. Lieber, von den Akten gelöster (: ja, habe ich es mal wieder geschafft!), NO, den Zauberberg habe ich noch zu meiner Schulzeit gelesen. Lang her! Ich hatte gegen Ende einen guten Deutschlehrer, der einem solche Brocken noch zugemutet hat. Ebenso Goethes Faust. Sicher sollte ich beide noch einmal lesen, heute würde ich noch viel mehr verstehen. Die ärztliche Sprechstunde als Tageshighlight. Madame Chauchat, schick für´s Röntgen. Jaja. Der Mensch und wie ich ihn mir vermummt beim winterlichen Sonnenbad auf der Liege in seiner Schneekugelwelt vorgestellt habe. Wie sie da alle kränkeln bei einem Drink mit einem Glasfieberthermometer im Mund, in dieser Hochgebirgswabe. Jedoch kein Vergleich zur heutigen Pflege.

      NO, ich habe mittlerweile schon so viele nackte Körper gesehen: verletzte, verbrannte, verstümmelte, Körper, denen Extremitäten fehlen oder gar alle, adipöse, kachektische, schwache, tumorige, gealterte, junge, verstorbene usw. Aber an was ich mich bis heute nicht gewöhnen kann ist diese besondere Form von Scham, die man sieht, wenn man die Decke zur Seite nimmt. Wie der Mensch ihn zusammenzieht, seinen Körper, und das Gesicht abwendet, so als wäre es eine Zumutung für den, der ihn anschaut, das zu sehen. Ich werde niemandem mehr sagen, Sie brauchen sich wegen mir nicht zu schämen, denn das tut er ja doch. Und was männliche Patienten betrifft, das finde ich immer besonders heikel, die wollen sicher nicht dass ich zur Tür hinein komme und sie so sehe und anfasse, was ich ja durchaus muss. Und ich meine nicht die Gesunden, die nur kurz da sind. (Es gibt einfach nicht genug männliche Pfleger.) Die meisten verlieren einfach sehr schnell den Lebensmut. Da sind die Grundbedürfnisse schon längst flach gefallen. Antidepressiva setzen nicht umsonst genau da an, wenn sie gut greifen. Erhöhung der Libido, Hunger, Bedürfnis nach Schlaf, Bewegung etc. Ist nicht immer leicht da umzuschalten, aber mit der Zeit immer mehr. Das ist für mich interessant an mir zu beobachten, es beeinflusst mich ja auch. Weshalb aber so obsessiv weiß ich auch nicht so genau. Auf jeden Fall genieße ich meine Musen gerade, die mich dazu treiben. Nur muss ich sie wiederum ab und an unters faunsche Blätterdach treiben, damit sie sich abkühlen können.

      Ja, manche setzen sich exzessiv damit auseinander, das stimmt, thematisieren, fokussieren ihre Krankheit. Selten zwar, aber es kommt vor. Ich selbst habe nur einmal ein junges Mädchen erlebt, die täglich und zuhauf ihren Krankheitsverlauf in Facebook postete. Mit Bildern. Das verstörte sogar langjährige Schwestern. Ich denke jeder darf seinen eigenen Umgang damit finden und wenn es Vermeidung ist. Denn selbst das halte ich für eine Form von Auseinandersetzung. Eine, die demjenigen eben möglich ist.

      Ich erinnere Sie an Alea? Mir wäre lieber ich erinnere Sie an read An oder An. Denn ich bin waschecht!!!

      Ha, NO, ich danke sehr für Ihre Worte, Sie wissen ja, ich freue mich immer. Auffällig oder unauffällig. Ganz gleich.

      Herzlich,

      Miss Morbid

    2. Racoon Prayer Ja, ja, Sie sind echt wie ein Waschbär.

      Ihr Text zum schamhaft weggekrümmten, kranken Körper, Miss Morbid – Sie gehen unter die Haut. Ich kann nämlich nicht gerade sagen, dass mich das Sujet begeistert. Texte über Kranke und mit Kranken waren irgendwie nicht mein Ding. Und nun lese ich hier bei Ihnen über verstümmelte Köper und adipöse. Schaudernd und doch angezogen.

      Darf ich fragen, ob das nicht ein Widerspruch ist: Die besondere Scham beim Wegziehen der Krankendecke einerseits und der verlorene Lebensmut andererseits? Also, wenn die Bedürfnisse alle weggefallen sind vor Verzweiflung oder als Folge von Aufgabe, warum dann noch der Drang, Körper und Gesicht abzuwenden?

      Auffällig unauffällig
      NO

    3. Kein Sujet das begeistert. -Ich weiß, das sind schwierige Themen. Und auf den ersten Blick mit Sexualität und Lebensfreude erstmal nicht vereinbar. Aber dann doch. Auch das geben mir Patienten mit. Wäre es nicht so, ich könnte diesen Beruf nicht ausüben.

      Meine unterschwellige Wahrnehmung ist die: Da liegt nicht nur ein nackter Mensch. Da liegt etwas wie brach. Nacktheit per se. Und diese besondere Form der Scham, ich nehme sie fast reflexhaft wahr, schützt das. Sollst es nicht schaun! Ich denke das ist Bloßheit. Und das Gesicht abwenden: es gibt nur wenige die dich dabei anschauen, das liegt vielleicht daran weil man im Gesicht desjenigen, der einen gerade so sieht, nichts lesen möchte, das Schrecken, Ekel oder Abscheu verrät.

      Deswegen reite ich auch so auf dem Begriff Soma herum. Es gibt somatische Kliniken, da kommt oft das Psychische zu kurz. Und es gibt Psychiatrien. In meinem nächsten Einsatz bin ich in einer. Und sicher es stimmt, das medizinische Versorgung vorrangig auf das rein Körperliche schaut. Aber eben nur schaut, untersucht, Medikamente verschreibt, operiert. Und das am besten in schnellst möglicher Zeit und in einem Abwasch. Beim Soma aber fängt es oft an, wenn seelische Zustände ver:rücken. Ernsthafte Zuwendung zum Körper. (Möglicherweise daher dieses exzessive Fotografieren der Auswüchse der Krankheit, wie bei dieser Frau, in dem von Ihnen genannten Roman. Oder das tägliche Posten des Krankheitsverlaufs dieses Mädchens.) Deswegen ist das für mich ein sehr aufgeladener Begriff, und das auch noch nicht so lange. Durfte ich auch erst vor kurzem erfahren / verstehen. Auch weil ein, zu dieser Zeit, laufender Dialog mich dafür sensibilisierte, bzw. mein Gegenüber tat das.

      Jaaaaa, ein Waschbär!!!
      “Wasch mir den Pelz!” (-Mmh Worte, leider nicht aus meiner Feder geflossen. Ist von Herrn Schödlbauer.)

      Lass mich dein Waschbär sein! Oder eine Waschbärin (kommt schon größer daher). Vielleicht bald ein Text. Der mit seinen Händen reibt, schrubbt und kratzt … -Wie passend das ist! Toll!!!

  3. Ist alt gleich sterbenskrank? Ich möchte etwas von mir erzählen. Ich weiblich, nicht häßlich, aber ich entspreche inbesondere figürlich in keinster Weise gängigen Schönheitsnormen und da ich bald 56 werde ist mein Bindegewebe definitiv nicht mehr fest.

    In der virtuellen Welt von Second Life genieße ich die Kreativität und den Kontakt mit interessanten Menschen aus aller Welt. Dazu habe ich mir einen Avatar geschaffen, der meinem Ideal einer schönen Frau enspricht und so ist, wie ich immer aussehen wollte. Dieser Avatar gefällt auch Männern und mit einem hat sich vor über 2 Jahren eine Beziehung entwickelt. Man lernt das Wesen einer anderen Person und erst später kommt der Moment der “Wahrheit”. Wer steckt dahinter? Es stellte sich heraus, daß er groß, schlank, sportlich, gutaussehend und dazu noch 17 Jahre jünger ist als ich. All das hat ihn nicht abgehalten weiter um mich zu werben.

    Wir haben uns bereits zweimal auch im real life getroffen. Letztes Jahr nur ein Wochenende lang und da es wunderbar war, besuchte ich ihn dieses Jahr eine ganze Woche lang. Danach schrieb er mir in Second Life: “Du bist in Wirklichkeit noch viel schöner als dein Avatar!”

    1. Nein. Alt bedeutet nicht gleich sterbenskrank.

      Und über Schönheitsideale sehe ich hinweg. Das ist keine Einstellung, eher ne Tatsache. Das kann ich allerdings, habe ich erfahren, einem Menschen nicht immer näher bringen.

      Ich wünsche Ihnen, dass dieser für Sie schöne, verwirklichte Zustand ein anhaltender ist. Und dass er sie beide noch lange lächeln lässt.

      Herzlich,

      read An

    2. das ist mal eine unfassbareWeisheit, Altsein bedeutet also nicht gleich dass man sterbenskrank ist, fantastisch, darf ich diesen Satz meiner Großmutter vorlesen?

    3. Das ist gerade mal ein Fakt. Als Weisheit haben Sie es sich selbst verkauft.

      Ist alt gleich sterbenskrank? Das habe ich mich nicht gefragt.

      Es gibt aber durchaus Menschen, die sehen das anders. Oder wissenschaftliche Zweige, die den Alterungsprozess als solchen als Krankheit zu “be:greifen” versuchen. Womöglich auch nicht ganz gesund.

    4. @Es&read An: Ist alt gleich sterbenskrank?
      Bedeutet zu sterben, krank zu sein?

      Sterbenskrankheiten gibt es freilich, aber als Krankheiten sind sie unabhängig vom Alter; Kinder können sterbenskrank sein, Jugendliche, Erwachsene und schließlich aber auch alte Menschen. Aber eben nicht jeder alte Mensch, der stirbt, ist krank. Dieses für jeden möglich zu machen: darum hätte ein Ärztekampf zu streiten.

    5. Sehe ich nicht anders. Aber verdammt, wo bitte habe ich geschrieben alt zu werden bedeutet krank zu sein. Und Sterben ist auch so eine Art Prozess. Hat man diesen durchlaufen, ist man tot. Kann man auch auf anderem Wege hinkommen als nur durch Krankheit.

    6. Sterben? Wie denn? Bitte um Aufklärung und mit mir will doch das ganze Menschheitsvolk wissen, wie geht das mit dem Sterben ohne davon Tod zu werden

    7. @read An. Ich habe mich lediglich auf das Zitat bezogen, auf das Sie geantwortet hatten. Wobei es unsere, bzw. menschliche Erfahrung ist, die Alter und Krankheit konnotiert. Das hängt sicherlich damit zusammen, daß die Kräfte und Abwehrkräfte gegen zum Beispiel Infektionen nachlassen wie auch, in aller Regel, die Sehkraft, das Hör- und Geschmacksvermögen usw.

    8. @Reagen Ich verstehe Ihre Frage nicht ganz, bzw. wie Sie auf sie kommen. Dennoch ist sie nicht uninteressant.

      Glauben Sie mir, die meisten Mensch wollen nicht wissen wie Sterben geht. Aber herausfinden werden wir es alle. Schon mal einen Menschen gesehen der diesen “Prozess” gerade durchläuft? Der Sie um Hilfe anfleht da schneller durchzukommen.

      Mir fallen nur wenige ein, die das wirklich wissen wollten. Oder die gar meinten darin in voller Blüte aufzugehen, bei vollem Bewusstsein versteht sich, wenn man von der enormen Adrenalinausschüttung mal absieht. De Sade z.B. war so einer. Kann ihn aber nicht fragen ob es für ihn auch so war. Würde ich aber gerne.

    9. @ANH Ja, natürlich konnotieren wir eigens, und jeder für sich. Versuchen umzugehen mit Alter, Krankheit, Sterben und Tod. Aber eben: Jeder für sich. Das ist das Recht eines jeden Menschen. Nur wird das in der Praxis selten anerkannt oder hingenommen. Weil: bedeutet ja Aufwand. Und der kostet.

    10. @Reagen nochmal Ich habe Ihre Frage verstanden. Beim Einschlafen.

      Sterben? Wie denn? Wie das noch geht?
      -Ich bin noch nie gestorben. Aber ich habe mich schon einmal erinnert:

      Der Hände Schlaf

      Durch den grauen
      Schlaf der Welt
      flattern deine Hände,
      kehren zurück
      im Sonnenaufgang,
      zwei Vögel,
      die sich niederlegen.

      Wollen Sie denn, und mit ihnen ein ganzes Menschenvolk, wirklich wissen wie dieses andere, betäubte Sterben geht? Wieso?

      Ihre Fragestellung allein sagt mir, dass Sie nicht so betäubt sind.

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