(9.12 Uhr, i.e. 11.12 Uhr Ihrer Zeit.
MS Astor, oberes Achterdeck.
19º51‘ N/22º45‘ W.
Kurs 330º NW.
Gleißend bedeckt.)
MS Astor, oberes Achterdeck.
19º51‘ N/22º45‘ W.
Kurs 330º NW.
Gleißend bedeckt.)
Eine solche Fahrt kreuzt nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit. Das führt dazu, daß uns Reisenden nicht nur durch die scheinbar immergleiche und scheinbar uendliche Fläche des Meeres das Gefühl für die Uhr abhanden kommt, sondern nicht zuletzt deshalb, weil wir an unseren Uhren ständig herumoperieren müsse. Erinnern Sie sich, daß ich Ihnen, als ich in Australien ankam, sieben Stunden voraus war; nachdem ich dann vorgestern zwei Stunden hinter Ihnen zurücklag, tat ich‘s gestern sogar um dreie, und heute sind es wieder nur vier. Grad in den letzten Tagen war an quasi jedem Tag eine Zeitumstellung nötig, wobei diese „Not“ imgrunde nur von den Abläufen an Bord diktiert wird sowie von den gebuchten Teminen in den Häfen; ein seelisch macht einem, jedenfalls mir, das nichts aus. Allerdings merkt man an Bord, wenn du morgens für den ersten Kaffee aufs Achterdeck kommst, daß wie unversehens Leute bereits um sechs da sind, die sonst nie vor acht erscheinen, und umgekehrt kommen manche plötzlich erst um acht, die immer schon um sechs die Unruhe des Fahrenden trieb. Dies wird mir von der Reise ebenso im erinnernden Gefühl erhalten bleiben, wie daß die See vor allem aus bedeckten Firmamenten und ziemlich frischem Wind besteht und daß es gar keine Rolle zu spielen scheint, ob es sich um ein subtropisches Meer, um ein tropisches oder „gemäßigtes“ handelt. Indessen, kommt man an Land, die volle Macht der Klimazonen zuschlägt – so gestern ein, für mich, grandioser Tag rein praller Sonne und ihrer Hitze. In der Karibik, vor Jahren, mit Do, hatte ich eine gänzlich andere Erfahrung gemacht: dort regnete es, auf St. Lucia und Dominica, quasi auf Land permanent, aber kam man an den Stand, waren da Licht nur und Wärme, ja wir konnten uns vom Regen halbieren lassen, standen mit einer Körperhälfte darin, während sich die andere vor dem Sonnenbrand zu hüten hatte. Wiederum darf man auf See die Sonnenkraft nicht unterschätzen, die noch durch den dichtesten Himmel dringt. Witziger- vielleicht auch typischerweise habe ich mir solch einen Sonnenbrand überhaupt erst vorgestern geholt, am Rücken, als ich unter den wirklich dicken Wolken eingeschlafen war. Nun juckt‘s mich hinten, wo es heilt. Ich bin und bleibe auch auf See ein, um es mit Karl May zu sagen, Greenhorn.
***
Wir >>>> kamen also an. Schroff hoben sich die Berge der Kapverden uns in den Blick, in die Blicke, wir konnten erst nicht unterscheiden, welche Massen zusammengehörten, welche vom Meer getrennt sind. Seit ihrer Unabhängigkeit, 1975 erreicht, zählt die Inselgruppe zu den afrikanischen Staaten; sie liegt auf der Höhe des Senegals, teilt mit ihm den Breitengrad also; geologisch aber ist sie von Afrika gänzlich getrennt: entstanden – und immer weiter entstehend – aus unterseeischen Vulkaneruptionen, deren Magma als sich über das Wasser erquillende Lava in bizarren, fast mythischen Formen erstarrt ist. Mythisch war abends denn auch die Wieder-Ausfahrt, wenn in Ost und West die Massen Landes mit denen der Wolken verschmilzen und die Passage wie durch vorzeitliche Traumstätten der fremdartigsten Ungeheuer geht, an die zudem eine unausgesetzte Gischt schäumt. Schon haben wir Kurs aufs Hohe Meer erneut, das weithin, so weit unsere Augen nur sehen können, alles, was noch Erde, bezieht.
Da zwischen den Kapverden und Afrika nie eine Brücke bestand, kein Land, nichts ist da „nur“ gerissen und auseinandergedriftet, und weil es des weiteren eigentlich kein Süßwasser auf den Inseln gibt, sind sie lange Zeit leblos gewesen, erreichbar nur von dem, was schwimmt. Berühmt sind die Schildkröten, die dort ihre Eier legen, und Vögel nisten dort zwischen; es gibt eine einzige endemische Lebensart auf den Inseln, eine Fledermaus. Alles andere kam mit den Siedlern, den Portugiesen zuerst, deren Sprache noch heute gesprochen wird. Aus schwarzen Sklaven schließlich und aus dem Weißen mischte sich eine „kreolisch“ genannte Menschengruppe, die auch von anderen Inseln mit kolonialem Hintergrund bekannt ist, sei es im Indischen Ozean, sei es in der Karibik oder eben hier im tropischen Zentralatlantik. Schöne Menschen sind es oft, verglichen mit uns fahlen Weißen, schön nicht „nur“ als Gesicht, sondern in der Bewegung, dieser Elastizität ihrer Glieder, durch die immer nur, und immer wieder, die Armut schnell einen Strich macht: wenn kein Geld für den Zahnarzt da ist, etwa. Wenn Krankheiten nicht behandelt werden können, wenn es an guter Nahrung fehlt. Manchmal kommt mir der Kolonialismus wie ein Rachefeldzug des Häßlichen gegen das Schöne vor, als hielte jenes dieses nicht aus und müßte es auf jeden Fall zerstören.
Die Unfruchtbarkeit des Landes bringt es allerdings auch ohne das mit sich, daß nahezu 90 % aller Lebensmittel importiert werden müssen; es wachsen ein paar Bananen hier, es gibt Eukalyptus; im übrigen leben die Inseln vom Fischfang und vom Fischexport, was indessen den „einfachen“ Einheimischen ihre Lebensgrundlage entzieht, weil sie gegen die industrielle Massenfischung nicht ankommen können. So gab es denn in Porto Grande zum ersten Mal auf dieser Reise nicht aggressive, aber doch zähe Bettler, insistierende – von einer andererseits ganz weichen Art, fast wie in ländlichen Gebieten Indiens. Die Leute nähern sich einem und sagen immer nur „Hunger“, sagen es sanft, aber sie folgen dir. Diebe, wahrscheinlich, sind es nur bei wirklicher Gelegenheit, keiner rast auf dem Moped aus einer Seitengasse und schnappt sich Ohrring und Tasche. Keiner auch faßt dich an. Aber sie sind eben leise immer zugegen, erfinden auch schon mal Geschichten, ich studiere Englisch hier an der Universität, und ich weiß, man spricht Sie oft um Geld an, das tue ich nicht, aber ich brauche Unterlagen für mein Seminar, die ich nicht bezahlen kann. Wieder andere möchten nur ein Gespräch, am Strand, und weisen auf die Schönheit des Landes hin und daß man aber zu essen gar nichts habe. Vor der Balustrade eines alten quasi-portugiesischen Cafés stehen eine Frau und ein Mann und halten die Hand nur auf, sagen nichts. Sehen einen an. Sehen einen weiter an. Hören gar nicht damit auf, einen anzusehen.
So ist das.
Und wer ein Herz hat, macht sich schuldig. Unter dieser gnadenreichen Sonne, die Gnade gar nicht kennt.
Cabo Verde, grünes Kapp: nein, auch der Name täuscht. Die Färbung rührt von einer Art Flechte, die den Fels wegen der Feuchtigkeit der Wolken bedeckt, in denen er, als ich, oft eingehüllt sei. Für richtige Vegetation reicht sie nicht aus. Wie anders ist das auf Mauritius gewesen, dessen Port Louis ich gestern, als ich zurückdachte, ein „kleines Mumbai“ zu nennen gewillt war, es auch immer noch bin, falls es zu dem anderen Hörstück kommen sollte, das ich über Mauritius schreiben möchte. Cabo Verde ist Armut. Die portugiesischen Häuser, viele noch mit Holz, das ehemals bunt gestrichen, täuschen in ihrem Pittoresken darüber hinweg. Auch ist Porto Grande ja quasi nur Vorzeigeort für den neuen Tourismus, der zu entstehen eben dabei ist. Die Inselgruppe ist „in“ geworden, ein Paradies nicht nur für Taucher und nicht nur für Surfer, sondern auch Freeclimber werden hier ständig gelockt.
***
Da zwischen den Kapverden und Afrika nie eine Brücke bestand, kein Land, nichts ist da „nur“ gerissen und auseinandergedriftet, und weil es des weiteren eigentlich kein Süßwasser auf den Inseln gibt, sind sie lange Zeit leblos gewesen, erreichbar nur von dem, was schwimmt. Berühmt sind die Schildkröten, die dort ihre Eier legen, und Vögel nisten dort zwischen; es gibt eine einzige endemische Lebensart auf den Inseln, eine Fledermaus. Alles andere kam mit den Siedlern, den Portugiesen zuerst, deren Sprache noch heute gesprochen wird. Aus schwarzen Sklaven schließlich und aus dem Weißen mischte sich eine „kreolisch“ genannte Menschengruppe, die auch von anderen Inseln mit kolonialem Hintergrund bekannt ist, sei es im Indischen Ozean, sei es in der Karibik oder eben hier im tropischen Zentralatlantik. Schöne Menschen sind es oft, verglichen mit uns fahlen Weißen, schön nicht „nur“ als Gesicht, sondern in der Bewegung, dieser Elastizität ihrer Glieder, durch die immer nur, und immer wieder, die Armut schnell einen Strich macht: wenn kein Geld für den Zahnarzt da ist, etwa. Wenn Krankheiten nicht behandelt werden können, wenn es an guter Nahrung fehlt. Manchmal kommt mir der Kolonialismus wie ein Rachefeldzug des Häßlichen gegen das Schöne vor, als hielte jenes dieses nicht aus und müßte es auf jeden Fall zerstören.
Die Unfruchtbarkeit des Landes bringt es allerdings auch ohne das mit sich, daß nahezu 90 % aller Lebensmittel importiert werden müssen; es wachsen ein paar Bananen hier, es gibt Eukalyptus; im übrigen leben die Inseln vom Fischfang und vom Fischexport, was indessen den „einfachen“ Einheimischen ihre Lebensgrundlage entzieht, weil sie gegen die industrielle Massenfischung nicht ankommen können. So gab es denn in Porto Grande zum ersten Mal auf dieser Reise nicht aggressive, aber doch zähe Bettler, insistierende – von einer andererseits ganz weichen Art, fast wie in ländlichen Gebieten Indiens. Die Leute nähern sich einem und sagen immer nur „Hunger“, sagen es sanft, aber sie folgen dir. Diebe, wahrscheinlich, sind es nur bei wirklicher Gelegenheit, keiner rast auf dem Moped aus einer Seitengasse und schnappt sich Ohrring und Tasche. Keiner auch faßt dich an. Aber sie sind eben leise immer zugegen, erfinden auch schon mal Geschichten, ich studiere Englisch hier an der Universität, und ich weiß, man spricht Sie oft um Geld an, das tue ich nicht, aber ich brauche Unterlagen für mein Seminar, die ich nicht bezahlen kann. Wieder andere möchten nur ein Gespräch, am Strand, und weisen auf die Schönheit des Landes hin und daß man aber zu essen gar nichts habe. Vor der Balustrade eines alten quasi-portugiesischen Cafés stehen eine Frau und ein Mann und halten die Hand nur auf, sagen nichts. Sehen einen an. Sehen einen weiter an. Hören gar nicht damit auf, einen anzusehen.
So ist das.
Und wer ein Herz hat, macht sich schuldig. Unter dieser gnadenreichen Sonne, die Gnade gar nicht kennt.
Cabo Verde, grünes Kapp: nein, auch der Name täuscht. Die Färbung rührt von einer Art Flechte, die den Fels wegen der Feuchtigkeit der Wolken bedeckt, in denen er, als ich, oft eingehüllt sei. Für richtige Vegetation reicht sie nicht aus. Wie anders ist das auf Mauritius gewesen, dessen Port Louis ich gestern, als ich zurückdachte, ein „kleines Mumbai“ zu nennen gewillt war, es auch immer noch bin, falls es zu dem anderen Hörstück kommen sollte, das ich über Mauritius schreiben möchte. Cabo Verde ist Armut. Die portugiesischen Häuser, viele noch mit Holz, das ehemals bunt gestrichen, täuschen in ihrem Pittoresken darüber hinweg. Auch ist Porto Grande ja quasi nur Vorzeigeort für den neuen Tourismus, der zu entstehen eben dabei ist. Die Inselgruppe ist „in“ geworden, ein Paradies nicht nur für Taucher und nicht nur für Surfer, sondern auch Freeclimber werden hier ständig gelockt.
Ja, wir Taucher. Es war nun endlich gelungen; Glenn, der Manager der Astor-Exkursionen, hatte für mich bei dem zuständigen Reiseagenten angerufen und nach der in Porto Grande nächsten Tauchstation gefragt. Morgens, gestern, bekam ich um halb neun, da stand ich bereits auf dem Kai, war sogar schon durch den ganzen Hafen hoch zur Porta spaziert, wo Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zusammen an der Schranke standen, bzw. herumhockten und gegenüber ein farbiges Plakat teils höhnte, teils versprach:PREPARATE PARA UM NOVO MUNDO
Oben auf dem Fels, ein Greifvogelhorst aus Beton, das aufgelassene Gefängnis, leer an die langen Zeiten der Diktatur gemahnend, die Fenster sind wie die Augen, die man dort, spürte ich, ausstach. Andererseits gleich zwei Universitäten in dem nicht wirklich großen Ort, sagen wir: Universitätchens, deren eine in einem zerbröckelnden portugiesischen Palazzo untergebracht ist, der zwei Altrien ähnelnden Innenhöfe hat, altrömisch inspiriert, da auch die Mensa: eine Art integrierter Kiosk, die typische schmucklose Affichierung des Lehrplans sowie kleiner kultureller Veranstaltungen, oft Diskussionen über soziale Zustände, namentlich von Emigranten; weniger malerisch die Universidad Jean Piaget, dafür deutlich modern in der Architektur und, was mich freute, die Triskele als Logo, eine deren Arme keltische. (Gelegentlich nachrecherchieren). Immer wieder zerfallene Hauswohnungen, zersplitterte Türen, ja weggebrochene Treppenaufgänge; niemand ist da, die oder der das Geld hat oder den Willen, hier zu restaurieren. Doch oben, wie überall auf der Welt, dann wieder Villen. Kommt man vom Hafen her in den alten Ort, geht man an zwei Benzinsilos vorbei, die geradezu liebevoll eingemauert sind: die Mauern eine pure Kalligraphie aus formgestaltetem Stein. Darüber wohl der, dem dies gehört, weniger Villa als ein, wenn auch kleiner, Herrschaftssitz.
Aber wir Taucher.
Bevor ich den Ort tatsächlich sah, war ich nämlich zur Tauchstation schon unterwegs und dort erwartet. 55 Euro für den Gang, wir waren zu acht, internationale Gruppe, Franzosen, Spanier, ein Marokkaner, ich als Deutscher, die Tauchguides. Man wollte auf jeden Fall meine Lizenz sehen, außerdem mußte ich eine enorme Liste ausfüllen, Anamnese sozusagen, daß ich auch nie an Asthma und Fußpilz erkrankt gewesen usw., Risikobelehrung; die Leute mußten selbst drüber lachen. Nun ja, Versicherungsrechtlichkeit.Dann die übliche Einweisung, Handzeichen usw., auf eine Tafel wird der Tauchort skizziert, der Gang festgelegt, jeder hat seinen Buddy.
Die Bai ist so gefährlich wie die übrigen Passagen zwischen den Inseln. Durch die hohe vulkanische Aktivität sind Tausende Riffe entstanden und entstehen teils immer noch. Wenn ein Schiff da nicht aufpaßt. Also liegen dort Schiffe, nicht wenige, am Grund – andere dümpeln noch nach Jahrzehnten kaputt auf der See; die aber sind nicht gefährlich, weil man sie sieht. Die gesunkenen indes werden sofort besiedelt; sei es, daß Schwärme Schutz in ihnen vor den Jägern suchen, teils daß es Hinterhalte von Muränen. Auch kleine Haie ziehen da hindurch.
Es wurde mein erstes Wracktauchen. Mit dem schweren Schlauchboot hinaus, dann in Rückwärtsrolle rein und sofort auf zwei Meter Tiefe gegangen, weil oben eine starke Strömung herrscht, doch unterhalb zweier Meter ist das Wasser still. Wir sammelten uns unterhalb dieser zwei Meter am, quasi, Vordersteven des Wracks und stiegen von dort aus dann hinab bis auf fünfzehn Meter. Dummerweise hatte ich mal wieder Druckausgleichsprobleme mit den Ohren, brauchte also lange, um hinunterzukommen, Meter für Meter, langsam, fast unmerklich sinkend. Unterhalb von zehn Metern ist es mit den Problemen vorbei, da beginnt für mich der Rausch des Schwebens.
Und was ich sah! Es war ungeheuer. Als schwömme ich, als flöge ich durch ein Gemälde von Max Ernst: genau so sah es dort aus, dies waren die bizarren, farblich übersinnlich Figuren seiner malerischen Architekturen, seine Gottesanbeterin, die Stadt seines Mondes über der Stadt… Unterhalb des scharfen, unterdessen von Millionen roter, violetter, grüne Algen besiedelten Gefälles stieg ein riesiger Kalmar auf, einen Meter lang vielleicht, blieb stehen in der Luft, seine Flossensäume wellten.
Diese Tiere sind zugleich vorsichtig wie doch schrecklich neugierig. Also kam er, ich stand alleine, näher, und betrachtete mich; man kann sagen, daß er mich begutachtet hat. Unter Wasser, in dieser anderen Welt, ist nie ganz heraus, wer eigentlich das Schauobjekt ist. Er kam noch näher. Ich auch. War ihm dann z u nah, also wieder auf Abstand. Doch diese Neugier! Deshalb abermals näher. So spielten wir miteinander, vielleicht fünf volle Minuten. Dann meinte er, gesehen zu haben, was sich lohnte, und schoß, ein Torpedo, in die Ferne davon, dahin, wo sie unsichtbar wird. Er würde den Seinen berichten.
Ich drehte mich auf den Rücken und ließ mich steigen. Dann durch eine Öffnung in das Schiff hinein, immer, selbstverständlich, mit Blick auf den Buddy. Immer wieder Frage und Zeichen, ob und das alles Okay sei, Versicherung der Luft, die noch vorhanden, nächste Zeichen auf das, was es zu sehen gab, und nach fünfundfünfzig Minuten langsam hinauf. Da wir ohnedies gestiegen waren, war ein Sicherheitsstop an sich nicht nötig; ich halte ihn aber prinzipiell ein: drei Minuten bei fünf Metern, die ich allerdings abschätzen mußte, weil ich ohne Tauchcomputer unterwegs war. „Der ganze Tauchgang ist ein Sicherheitsstop“, hatte auf meine vorherige Frage mein Buddy gescherzt.
Dennoch. Um halb elf war ich dann wieder an Land, mußte erst mal los, um Geld zu tauschen, damit ich den Gang bezahlen konnte. Unter Leuten, die prinzipiell füreinander Lebensretter sind, ist das kein Problem, da hat man Vertrauen. Ich bekam meinen Eintrag ins Taucher-Logbuch, man reicht sich die Hände, nimmt sich vielleicht sogar in den Arm, die Franzosen saßen schon hinten auf einem Pickup und winkten, als ich mit dem Geld zurückkam.
Den ganzen Tag über dann die unvermittelten Glücksregungen, wenn ich an die Tiefe zurückdachte, ans Schweben, Sinken, Steigen, die Farben, die fremden Lebewesen und Max Ernst.
***
Aber wir Taucher.
Bevor ich den Ort tatsächlich sah, war ich nämlich zur Tauchstation schon unterwegs und dort erwartet. 55 Euro für den Gang, wir waren zu acht, internationale Gruppe, Franzosen, Spanier, ein Marokkaner, ich als Deutscher, die Tauchguides. Man wollte auf jeden Fall meine Lizenz sehen, außerdem mußte ich eine enorme Liste ausfüllen, Anamnese sozusagen, daß ich auch nie an Asthma und Fußpilz erkrankt gewesen usw., Risikobelehrung; die Leute mußten selbst drüber lachen. Nun ja, Versicherungsrechtlichkeit.Dann die übliche Einweisung, Handzeichen usw., auf eine Tafel wird der Tauchort skizziert, der Gang festgelegt, jeder hat seinen Buddy.
Die Bai ist so gefährlich wie die übrigen Passagen zwischen den Inseln. Durch die hohe vulkanische Aktivität sind Tausende Riffe entstanden und entstehen teils immer noch. Wenn ein Schiff da nicht aufpaßt. Also liegen dort Schiffe, nicht wenige, am Grund – andere dümpeln noch nach Jahrzehnten kaputt auf der See; die aber sind nicht gefährlich, weil man sie sieht. Die gesunkenen indes werden sofort besiedelt; sei es, daß Schwärme Schutz in ihnen vor den Jägern suchen, teils daß es Hinterhalte von Muränen. Auch kleine Haie ziehen da hindurch.
Es wurde mein erstes Wracktauchen. Mit dem schweren Schlauchboot hinaus, dann in Rückwärtsrolle rein und sofort auf zwei Meter Tiefe gegangen, weil oben eine starke Strömung herrscht, doch unterhalb zweier Meter ist das Wasser still. Wir sammelten uns unterhalb dieser zwei Meter am, quasi, Vordersteven des Wracks und stiegen von dort aus dann hinab bis auf fünfzehn Meter. Dummerweise hatte ich mal wieder Druckausgleichsprobleme mit den Ohren, brauchte also lange, um hinunterzukommen, Meter für Meter, langsam, fast unmerklich sinkend. Unterhalb von zehn Metern ist es mit den Problemen vorbei, da beginnt für mich der Rausch des Schwebens.
Und was ich sah! Es war ungeheuer. Als schwömme ich, als flöge ich durch ein Gemälde von Max Ernst: genau so sah es dort aus, dies waren die bizarren, farblich übersinnlich Figuren seiner malerischen Architekturen, seine Gottesanbeterin, die Stadt seines Mondes über der Stadt… Unterhalb des scharfen, unterdessen von Millionen roter, violetter, grüne Algen besiedelten Gefälles stieg ein riesiger Kalmar auf, einen Meter lang vielleicht, blieb stehen in der Luft, seine Flossensäume wellten.
Diese Tiere sind zugleich vorsichtig wie doch schrecklich neugierig. Also kam er, ich stand alleine, näher, und betrachtete mich; man kann sagen, daß er mich begutachtet hat. Unter Wasser, in dieser anderen Welt, ist nie ganz heraus, wer eigentlich das Schauobjekt ist. Er kam noch näher. Ich auch. War ihm dann z u nah, also wieder auf Abstand. Doch diese Neugier! Deshalb abermals näher. So spielten wir miteinander, vielleicht fünf volle Minuten. Dann meinte er, gesehen zu haben, was sich lohnte, und schoß, ein Torpedo, in die Ferne davon, dahin, wo sie unsichtbar wird. Er würde den Seinen berichten.
Ich drehte mich auf den Rücken und ließ mich steigen. Dann durch eine Öffnung in das Schiff hinein, immer, selbstverständlich, mit Blick auf den Buddy. Immer wieder Frage und Zeichen, ob und das alles Okay sei, Versicherung der Luft, die noch vorhanden, nächste Zeichen auf das, was es zu sehen gab, und nach fünfundfünfzig Minuten langsam hinauf. Da wir ohnedies gestiegen waren, war ein Sicherheitsstop an sich nicht nötig; ich halte ihn aber prinzipiell ein: drei Minuten bei fünf Metern, die ich allerdings abschätzen mußte, weil ich ohne Tauchcomputer unterwegs war. „Der ganze Tauchgang ist ein Sicherheitsstop“, hatte auf meine vorherige Frage mein Buddy gescherzt.
Dennoch. Um halb elf war ich dann wieder an Land, mußte erst mal los, um Geld zu tauschen, damit ich den Gang bezahlen konnte. Unter Leuten, die prinzipiell füreinander Lebensretter sind, ist das kein Problem, da hat man Vertrauen. Ich bekam meinen Eintrag ins Taucher-Logbuch, man reicht sich die Hände, nimmt sich vielleicht sogar in den Arm, die Franzosen saßen schon hinten auf einem Pickup und winkten, als ich mit dem Geld zurückkam.
Den ganzen Tag über dann die unvermittelten Glücksregungen, wenn ich an die Tiefe zurückdachte, ans Schweben, Sinken, Steigen, die Farben, die fremden Lebewesen und Max Ernst.
Im Ort schließlich erst Patrick getroffen, der in Altportugal Bier trank, dann den Gemüsemarkt entdeckt, einen der schönsten, die ich je sag: mit filigraner, geradezu schwebender Holzüberdachung, Gewürze gekauft, Knoblauch gekauft, in Öl eingelegte Chili, dann Sam getroffen, mich mit ihm für eine Stunde später verabredet. Aber er blieb aus. Nach einer halben Stunde dachte ich, sei‘s drum, und machte mich erst alleine auf den Weg, dann mit C., die ein bißchen verirrt an einer Straßenecke stand. Sie wolle unbedingt zum Strand, um zu schwimmen. Überredete mich mitzukommen.
Das war dann das türkiseste Meer, in dem ich jemals schwamm. Direkt am Hafen. Überhaupt nicht zu glauben. Aber kühl das Wasser, wirklich erfrischend. C., die man nun wirklich nicht schlank nennen kann, lief in voller Bekleidung hinein, saß dann wie ein vom Glück praller Klumpen und ließ sich bewellen und lachte und lachte. Konnte es nicht fassen. Andere von der Crew erschienen, Jungs, die tollten gleich jungen Hunde, die endlich ohne Leine sind. – Gegen halb vier brachen wir dann auf. Zurück aufs Schiff. Ich aß etwas und ging recht frühe schlafen. Sah aber, bis es dunkel war, der mythischen Passage zu, die wir befuhren. Und sind nun wieder auf See.******* Ein Schiff ist ein, wie unser Körper, lebendiger Organismus, der ständig gewartet werden muß. Wie wir trainieren. Heute wird der Steuerbord-Aufgang achtern neu gemalert, der zum ersten Sonnendeck. Gestern waren die Zimmerleute wieder mit den Planken, neuen, beschäftigt.
Das war dann das türkiseste Meer, in dem ich jemals schwamm. Direkt am Hafen. Überhaupt nicht zu glauben. Aber kühl das Wasser, wirklich erfrischend. C., die man nun wirklich nicht schlank nennen kann, lief in voller Bekleidung hinein, saß dann wie ein vom Glück praller Klumpen und ließ sich bewellen und lachte und lachte. Konnte es nicht fassen. Andere von der Crew erschienen, Jungs, die tollten gleich jungen Hunde, die endlich ohne Leine sind. – Gegen halb vier brachen wir dann auf. Zurück aufs Schiff. Ich aß etwas und ging recht frühe schlafen. Sah aber, bis es dunkel war, der mythischen Passage zu, die wir befuhren. Und sind nun wieder auf See.
(11.11 Uhr.)
Kassensturz Mal gerechnet, was ich bislang ausgegebene habe auf dieser Reise.
AUD 1160,– = 780,07 Euro
US-$ 414,– = 301,04 Euro
Euro 60,–
zusammen 1141,11 Euro. Darin sind nicht nur alle Getränke, sondern auch sämtliche Besorgungen, Mitbringsel etwa, enthalten, die ich bislang getätigt habe, sowie die beiden Tauchgänge. Und das verflixte und verflixt teure Internet. Dennoch hab ich also, abgesehen von Miete und Nebenkosten, im Mai quasi genau den Betrag ausgegeben, den ich auch in Berlin für ihn gebraucht hätte. Prima. Da hat es wirklich keine Rolle gespielt, daß ich gestern, hier an Bord, die mit 18 Euro teuerste Sonnenmilch meines Lebens gekauft habe. Eine unumgängliche Ausgabe, sowieso. In Porto Grande gab es einfach keine. Weshalb auch? Die Leute tragen ihren Sonnenschutz von sich aus auf der Haut. (Man stelle sich die Absurdität vor, in Kenia ein Sonnenstudio zu eröffnen. Allerdings >>>> Verbeen, in Teheran, hat es mit einer Weinhandlung probiert.)
Internetkosten Ich jedenfalls werde, sobald Sie wieder zurück sind, mein Scherflein zu den Internetkosten beitragen. Habe ich schon so laut gegackert. Was ich hier zu lesen bekomme, übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Danke dafür. Ich hoffe, da sind noch andere, die das genau so sehen und entsprechend handeln. Wie in jenem Thread vor der Reise besprochen. Nicht dass das nach der Kreuzfahrt und der Lektüre dieser Berichte vergessen wird, frei nach Wallenstein („vor Tische las man’s anders“).