(10.02 Uhr, Arbeitswohnung.
Rossini, Il Signore Bruschino.)
Es besteht kein Zweifel daran, daß >>>> dieser Traum belegt, wie sehr unser Unbewußtes an Geschehen arbeitet, die, ob wir das zugeben oder nicht, tiefer in uns arbeiten, als man vielleicht sogar wahrhaben will; in meinem Fall stimmt das Wort tiefer nicht einmal „nur“ symbolisch. Hinzutritt, daß ich vorgestern abend, als ich zum letzten Mal bei meinem Pankower Italiener saß, Montale las und dabei meine zwei Viertel Weißweins langsam austrank, den starken Impuls hatte, meine Wunde zu m a l e n, in fettem Öl, wie ich sofort wußte, und außerdem großformatig überhöht, aber, für mich ausgesprochen fremd, realistisch, ja naturalistisch – wie einen glühend roten Sonnenuntergang, zu dem mich das wahrscheinlich inspirierte, was ich in einem der drei Gedichte, die ich da außerdem skizzierte, „rosa bekränzt“ genannt habe. Bereits tags zuvor hatte ich in mein schwarzes Notizbücherl notiert: „Beim Lesen der >>>> Gilles-Gespräche eine riesige Lust, meine Narbe/die Nähung zu malen.“ Das letzte Wort unterstrichen:
Die Ähnlichkeit der Farbgebung, übrigens, der Sommerabendstimmungswolken mit jener meiner Wunde geht mir jetzt erst ein, am dem Tag meiner Entlassung folgenden Morgen, der musikalisch, mit einem Brückenkopf von gestern, unmittelbar an die Zeit vor dem Klinikaufenthalt angeschlossen hat: Rossini, Rossini, noch und noch Rossini. Dessen Leichtigkeit so völlig im Gegensatz zu der schweren Stimmung steht, die von den drei Gedichten ausgestrahlt, dunkel geworfen, wird. Die allerdings stelle ich heute wahrscheinlich noch nicht ein; es bleibt an ihnen zuvor ein bißchen was zu tun: Ich bin mir mit ihrer Formlosigkeit noch unsicher: das bei mir immer doch wirkende Klassizistische fehlt, es gibt fast kein Metrum, und die konkreten Bilder, auch sie naturalistisch, fasern auf in Abstraktes, Entsinnlichtes. Man kann hineinpusten, und alles löst sich auseinander, weht sich weg. Es ist etwas Müßiges an ihnen, zugleich aber eben dieses Konkrete einer Pankower Kreuzung – so heißen die drei Gedichte auch: Pankower Kreuzung –, wahrgenommen/empfunden von jemandem, in dessen Bauch gegriffen ward, nachdem der aufgeschnitten wurde. Die eigentümlich fleichknorplige Naht, wie warzenartige Röschen an den Einstichen, aus denen noch lose Fäden ragen, beschäftigt mich sehr. Dabei habe ich nicht eigentlich Schmerzen mehr, und mein, sagen wir, „erektives Vermögen“ ist, sachlich beinah, wiederhergestellt.
(Rossini, Il turco in algeri.)
Dennoch hatte ich, und einstweilen halte ich mich auch daran, am Vorabend meiner Entlassung notiert: „Ich denke, >>>> wenn ich nicht vögeln darf (solange ich nicht vögeln darf), kann ich mir auch einen Bart wachsen lassen. Wird das Vögelverbot wieder aufgehoben, kommt er wieder ab.“ Geschlossen, bezeichnenderweise, habe ich das kleine Notat mit dem Ausruf: „O Vater, mein bärtiger Vater!“ – Vielleicht entsinnen Sie sich, daß ich vor einzwei, vielleicht auch drei Jahren notiert hatte – und trotz auch naher Gegenbeispiele immer noch glaube –, Bartträger schöben zwischen sich und die Welt einen Schutz, der wirkliche Intimität ausschließe: als wollte man sich nicht zeigen. Bärte sind Masken. Jetzt trage auch ich eine. Sie wächst aus mir heraus:
Dazu dann noch der Arzt: „Keinen Sport vier Wochen lang und bitte auf keinen Fall Schweres heben, nicht mehr als fünf Kilo. Denken Sie daran: fünf Kilo sind nicht viel.“ Was mich schon aus vitalistischem Trotz nicht davon abhielt, dennoch meinen Rucksack aufzuwuchten, wobei ich allerdings alles wirklich Schwere, die Bücher, die Elektronik, in den Arbeitsrucksack verstaute und dann, statt ein Taxi zu nehmen, doch auf mein Fahrrad stieg, den jenen auf dem Gepäckträger, den andern Rucksack aber auf dem Rücken, und mit meiner Beinkraft heimfuhr. Es ging auch alles gut. लक्ष्मी, nachmittags, brachte es auf den Punkt: „Den Patienten wird die Vorsicht auf den Weg mitgegeben, damit ihre Abhängigkeit auch nach der Klinik erhalten bleibt. Freie Menschen sind nicht gewollt.“ Was kein böser Wille ist, sondern es spiegelt sich eine unbewußte Dynamik darin, die auf den folgsamen Bürger fokussiert. Nichts ist gesünder, als leidenschaftlich zu leben; die Selbstheilungskräfte des Körpers, wenn er denn glücklich ist, werden furchtbar unterschätzt: Besser, so die Botschaft. er ist unglücklich oder doch mau zufrieden, als daß er ein Risiko wagt. Dabei bedeutet, in Vorsicht alt zu werden, siechen. Besser aber, sage i c h, ist es, kurz zu leben, doch dafür intensiv. Wenn wir das beherzigen, können wir sogar alt dabei werden, ganz wie die anderen, doch ohne deren Lauheit. Nichts ist ermüdender als Schonung. Dennoch, aufs Gewichteheben werde ich noch ein bißchen verzichten; ich brauche auch, angesichts der vor mir liegenden Arbeiten, die Zeit. So ist das organisch. Jetzt geht es erstmal mit den O-Ton-Protokollen weiter: Von den achtzig „fili di suono“ sind unterdessen 63 im Kasten.
(Dennoch noch einmal mein Dank an >>>> die Körperwerkstatt: Ich war mit meinem „Arbeitsbalkonien“ wirklich privilegiert, die ganze Belegschaft war freundschaftlich, das Zimmer angenehm und hell; niemand schimpfte, wenn ich draußen dampfte, man ließ mich abends meinen Wein trinken gehen, und die Versuche, soweit es sie überhaupt gab, den Patienten zu entmachten, rührten aus den tagtäglichen Notwendigkeiten der Krankenhausroutine; erhob ich dagegen die Stimme, wurde das sofort akzeptiert. Ich glaube nicht, daß es viele Kliniken gibt, in denen das so ist; vielleicht hat sich der Ton aber auch des Generationenwechsels halber verändert. Die Götter in Weiß haben wie ihre Racheengel die Götzendämmerung schon hinter sich, auch wenn es einige – wenige – immer noch nicht wissen.)**
(Dennoch noch einmal mein Dank an >>>> die Körperwerkstatt: Ich war mit meinem „Arbeitsbalkonien“ wirklich privilegiert, die ganze Belegschaft war freundschaftlich, das Zimmer angenehm und hell; niemand schimpfte, wenn ich draußen dampfte, man ließ mich abends meinen Wein trinken gehen, und die Versuche, soweit es sie überhaupt gab, den Patienten zu entmachten, rührten aus den tagtäglichen Notwendigkeiten der Krankenhausroutine; erhob ich dagegen die Stimme, wurde das sofort akzeptiert. Ich glaube nicht, daß es viele Kliniken gibt, in denen das so ist; vielleicht hat sich der Ton aber auch des Generationenwechsels halber verändert. Die Götter in Weiß haben wie ihre Racheengel die Götzendämmerung schon hinter sich, auch wenn es einige – wenige – immer noch nicht wissen.)
Arbeit.
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(13.32 Uhr.)
So, meine Exzerpte aus den Hametner-Gille-Gesprächen >>>> fertig eingestellt und jeweils von den anderen Partikeln aus verlinkt.
Jetzt Mittagsschlaf.
So, meine Exzerpte aus den Hametner-Gille-Gesprächen >>>> fertig eingestellt und jeweils von den anderen Partikeln aus verlinkt.
Jetzt Mittagsschlaf.
Der Biosinfoniker Bernie Krause: Klänge der Welt. Das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. >>>> Diesen Link hat mir gestern nacht >>>> Sascha Broßmann mit der unausgesprochenen Bitte geschickt, ihn zu teilen. Die geht nun auch an Sie. Was aber die Töne der Menschenwelt anbelangt, so gibt es von Glenn Gould eine Fuge, deren Thema aus dem Fenster aufgenommene Klänge der Stadt sind.