Stenhammar, Erstes Klavierkonzert
(Erster Morgencigarillo. Einen Moment lang nachdenken. Dabei der Musik zuhören. Im Rücken scheint mir die Sonne, in den Rücken aber noch nicht; wenn, dann werde ich vor dem hinter mir rechten Fenster die Jalousien hinunterziehen müssen, damit der Laptop-Bildschirm nicht überblendet werden wird. Einen zweiten Moment lang nachdenken.)
In der Tat wird zu spüren, ja mitzuerleben nicht schwer sein, wie ich die Arbeit an dem Briefroman immer wieder vor mir herschieben, auch wenn es dafür ständig neue Gründe gibt, objektive, meine ich. Aber habe ich mich früher um sowas geschert? Eher wohl nicht.
Offenbar ist meine Stimmungslage heikel; bisweilen steige ich luftig an, dann wieder deckt sich das Graue über mich und bettet diese Arbeitswohnung in, ja salbt sie mit Verlust. Das daran Schwierige ist für mich, daß sie doch immer Rückzugsort war, die, Du weißt doch, „Welt in der Welt“, die ich nun aber am liebsten flöhe – nicht anders, als ich die Oper fliehe, weil sie jetzt so besetzt ist, und eben ebenfalls mit Verlust; dabei wird gerade eines meiner Lieblingsstücke in Berlin gespielt. Denk dann, daß ich sogar unfähig war, über die letzten beiden Aufführungen, denen ich beiwohnte, noch zu schreiben. Und die Besetztheit weitet sich aus. Eine andere Stadt, denke ich, ein anderes Land – dort könnte ich alles, auch den Briefroman, zum Abschluß bringen. Den Stier selbst auf die Hörner nehmen. Der Stierkampf ist, wußtest Du das?, matriarchal, war ein Stierspiel. möglicherweise; die Hörner symbolisieren den auf- und den abnehmenden Mond, die Mondin also; daher die 13 Monate des Jahres (12 x 28). Usw. Seinerzeit habe ich dies alles das im >>>> Wolpertinger bis in den Aufbau der Kapitel durchgeformt.
Aber obwohl Zeit wäre, fehlt mir für Reisen das Geld. Außerdem stünde Triest an, und ich fürchte mich davor, Dir dort zu begegnen, immer noch und weiter, und aber ebenfalls: Dir dort n i c h t zu begegnen – wär‘s nicht ein ebensolches „Unding“? Also hänge ich hier fest und wippe zwischen Größenwahn, Zerknirschung, Hoffnung auf einen Erfolg des Traumschiffs, Geldsorgen, manchen, ja, immer noch, Begeisterungen, Verletztheit und Zweifeln ständig auf und ab. Schon daß ich derzeit so viel schlafe, ist ein Zeichen. Depressionen, aus therapeutisch gutem Grund, werden mit Schlafentzug behandelt, wobei „Depression“ ein falsches Wort ist, um es auf mich anzuwenden; es wäre, Herz, wohl liebeskrank ein „besseres“:
Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau.
Nur ich kann nicht ziehen von hinnen. <<<<
Christoph Prégardien, Siegfried Mauser
live, Alte Oper Frannkfurtmain]
Was geschieden uns so weit,
Und ein liebend Herz erreichet
Was ein liebend Herz geweiht.
Dein, heute,
Münchhausen
—
Über den Stier! https://youtu.be/hKcMjgSk3o0