Arbeitswohnung, 10.20 Uhr
Ich mag‘s Dir gar nicht mehr schreiben. Erwachte schon in Dumpf, mochte nicht aus dem Bett. Das aber klebte. Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn ich den Schlaf suche. Ich möchte aus dieser Trauer hinaus, in die ich gestern wieder hineinfiel. So daß ich meine Tage vertue. Antriebslos, längst hätte ich den Witzel zuendelesen können. Statt dessen stundenlange Chats, in denen ich eine Rolle spiele, mehr mir selbst als anderen vorspiele, der ich längst nicht mehr entspreche. Immer bin ich, von meinem Naturell, Hymniker gewesen; selbst die Trauerarbeit der Bamberger Elegien ist am Meergrund hymnisch. Doch ich finde den Ton nicht wieder, also stockt auch der Béart-Zyklus, stockt immer noch weiter, und auch die Triestbriefe rühre ich lieber nicht an, scheue vor ihnen, scheue den Schmerz. Lenke mich ab, wie man so sagt, notiere hier und da was, die Zettel häufen sich, nichts führ ich aus. Erlebe Antwortlosigkeit als Verletzung, etwa zu den Ideen der nächsten Hörstücke, nicht seitens meiner Redakteurin, nein, die spreche ich grad nur nicht an, weil eben keine Antwort kommt derer, über die ich die Stücke schreiben wollte. Und ich mag mir nicht irgendjemanden aussuchen, sondern ich muß berührt sein, erfaßt sein, ich brauche eben Begeisterung, um zu arbeiten.
So schaute ich denn, als ich mich endlich herausgewälzt hatte, was mir auch nur mit Hilfe der Löwin gelang, die Gedichtdateien durch und fand einen kleinen Text, den ich vor anderthalb Jahren schrieb, ich notier ja immer die Daten drunter, und der doch fast die gleiche Grundstimmung ausdrückt, in der ich jetzt wieder bin. Als hätte sich überhaupt nichts verändert seit dem. Dabei bist D u dazwischen erschienen. Noch einmal Aufbruch! So war es. Dann der Verlust. Und nun: zu spät. Bitte, >>>> drücken wir es also aus. Bezeichnend ist daran, wie mich die Arbeit an der Form beruhigt, sediert geradezu. Ich hab das Textchen mindestens fünfmal durchgewalkt heute morgen. Sicher wird es aber auch jetzt noch nicht „endgültig“ sein. Nix is‘ endgültig, gültig am Ende, gar über das Ende hinaus.
Privatistisch, wirst Du einwenden. Zuviel Subjekt, deshalb nix als larmoyant.
Mag sein.
Ich guck gleich noch die anderen Gedichte durch. Fürs nächste Jahr einen Band vorbereiten. Vor allem habe ich mindestens drei Béart-Versionen auf dem Desktop rumliegen, eine vierte sogar ausgedruckt. Die muß ich miteinander vergleichen, um eine Fassung herzustellen, an der sich‘s weiterarbeiten läßt. Vielleicht finde ich so in den Ton zurück.
Ich habe solche Schwierigkeiten mit dem Schweigen. Aber bräche ich es meinerseits und es käme darauf nur weiteres Schweigen zurück, würde es n o c h schlimmer werden. Also schweige auch ich, beziehungsweise schreibe ins Leere, hier, und die nur lesen‘s, denen es wehtut, oder auch solche, die sich die Hände reiben: Nun kriegt das Großmaul, was ihm gebührt.
In der Tat denke ich manchmal, dies ist nun die Buße. Ich empfinde das fast religiös, komplett gottlos zwar, aber religiös. Läßt sich von einer Sühne sprechen, die, ontisch, Struktur ist – pur, ja geradezu deterministisch Struktur? Falls ja, wäre dies meiner Auffassung (auch sie mehr Empfinden als durchdachter Gedanke) des Allegorischen nahe, die ich erzählerisch am nachdrücklichsten in der Vergana ausgeführt habe.
Daß ich mich nicht abfinden kann. Diese meine wahrscheinlich größte Schwäche hat das Ausmaß eines Charakterdefekts.
So schaute ich denn, als ich mich endlich herausgewälzt hatte, was mir auch nur mit Hilfe der Löwin gelang, die Gedichtdateien durch und fand einen kleinen Text, den ich vor anderthalb Jahren schrieb, ich notier ja immer die Daten drunter, und der doch fast die gleiche Grundstimmung ausdrückt, in der ich jetzt wieder bin. Als hätte sich überhaupt nichts verändert seit dem. Dabei bist D u dazwischen erschienen. Noch einmal Aufbruch! So war es. Dann der Verlust. Und nun: zu spät. Bitte, >>>> drücken wir es also aus. Bezeichnend ist daran, wie mich die Arbeit an der Form beruhigt, sediert geradezu. Ich hab das Textchen mindestens fünfmal durchgewalkt heute morgen. Sicher wird es aber auch jetzt noch nicht „endgültig“ sein. Nix is‘ endgültig, gültig am Ende, gar über das Ende hinaus.
Privatistisch, wirst Du einwenden. Zuviel Subjekt, deshalb nix als larmoyant.
Mag sein.
Ich guck gleich noch die anderen Gedichte durch. Fürs nächste Jahr einen Band vorbereiten. Vor allem habe ich mindestens drei Béart-Versionen auf dem Desktop rumliegen, eine vierte sogar ausgedruckt. Die muß ich miteinander vergleichen, um eine Fassung herzustellen, an der sich‘s weiterarbeiten läßt. Vielleicht finde ich so in den Ton zurück.
Ich habe solche Schwierigkeiten mit dem Schweigen. Aber bräche ich es meinerseits und es käme darauf nur weiteres Schweigen zurück, würde es n o c h schlimmer werden. Also schweige auch ich, beziehungsweise schreibe ins Leere, hier, und die nur lesen‘s, denen es wehtut, oder auch solche, die sich die Hände reiben: Nun kriegt das Großmaul, was ihm gebührt.
In der Tat denke ich manchmal, dies ist nun die Buße. Ich empfinde das fast religiös, komplett gottlos zwar, aber religiös. Läßt sich von einer Sühne sprechen, die, ontisch, Struktur ist – pur, ja geradezu deterministisch Struktur? Falls ja, wäre dies meiner Auffassung (auch sie mehr Empfinden als durchdachter Gedanke) des Allegorischen nahe, die ich erzählerisch am nachdrücklichsten in der Vergana ausgeführt habe.
Daß ich mich nicht abfinden kann. Diese meine wahrscheinlich größte Schwäche hat das Ausmaß eines Charakterdefekts.
A.
Hab eben mal wieder unter „Depression“ nachgelesen. Ich weiß ja, daß Depressionen Zustände sind, die eben keinen konkreten Anlaß haben oder ein Komglomerat konkreter, also solcher Anlässe, auf die sie sich ursächlich zurückführen lassen. Wie also nennt man das, was ich offensichtlich habe? Doch welch ein, ja, Wort-Animismus! daß ich annehme, es würde mir in genau dem Moment bessergehen, in dem ich den „richtigen“ Namen weiß und ihn aussprechen kann, den Zustand durch Benennung – bannen. Kindliche, jedenfalls Regressions-Magie und Huf des Monotheismus mit dem er einbeins die Erde berührt, indessen seine Hörner Wunden in den Himmel reißen.
Vermutlich hilft es nicht viel, aber im Nachklang zur Lesung in Frankfurt möchte ich sagen, dass der „Wolpertinger“ so frisch wie am ersten Tag ist.
Wer solch ein Buch geschrieben hat, der kann niemals mehr ganz untergehen.
Bleiben Sie glücklich
Ich nehme fast an, lieber ANH, daß Ihre gestrige Anwandlung bereits wieder entschwunden ist – denn haben kann man eine Depression vermutlich ohnehin nicht, sondern man ist sie ganz und gar, weswegen man ihr dann auch gleich den eigenen Taufnamen geben kann und so die Deutungshoheit zurückgewinnt. Nur wenn letzteres nicht gelingt, hat man was!
@Schlingert Lieber Doktor Schlingert, sein Sie froh, dass Sie kein Depressiver sind.
Lieber dom, bin ich! Deutungshoheit und Handlungsfähigkeit erhellen, mal mehr, mal weniger, jede Höhle, sozusagen strahlenden Auges.
Abfinden ist Resignation! Manchmal passt die innere Welt nicht in die äußere. Das wäre das EINZIGE womit man sich in diesem Fall abfinden müßte.
Korrrrr ekt.
Feuerbachkritisch@Katze: