Eine Nachricht gestern abend, die so furchtbar für meine Arbeit war, daß ich heulte, noch die Nacht durch. Hilflosigkeit, Wut, Selbstzweifel und Selbsthaß – etwas, das autoaggressiv auf mich richtet, was nach außen zu richten wäre, weil ich die Angelegenheit wirklich nicht zu vertreten habe, aber niemand da ist, auf den sich die Wut tatsächlich und objektivierbar richten ließe. Ein Feld des Uneindeutigen, Versteckten, anonym Feigen, das aus dem Hinterhalt, gleichsam, zertreten will und immer, mich, schon wollte.
Erst gegen Morgen etwas klarere Gedanken. Daß ich etwas planen und es unter Inkaufnahme des Risikos durchziehen muß, daß sich „zivilisiert“ hier nicht mehr handeln läßt. – Aufgeben, resignieren. Oder sich wehren. Das steht zur Disposition, und „sich wehren“ bedeutet, nunmehr bewußt einen Nachteil oder viele Nachteile in kauf zu nehmen, die dann aber tatsächlich selbstgewählte wären: aus meiner Selbstbestimmung rührende, nicht aus weiterer Abhängigkeit.
Ich will noch nicht schreiben, worum es geht. Man sehe es mir nach.
Sprachlosigkeit, Hilflosigkeit. Trauer, sehr viel Trauer.
Trete ich mal drei Schritte von mir zurück, was ich heute morgen wieder kann, ist es erstaunlich, ja fast nur mit Verrücktheit erklärbar, daß ich nach wie vor an das Leben glaube: Wahn, der mich antreibt, der mir immer wieder Lust gab, Freude, Begeisterung. Aber wie lange hält sich das noch durch? Schon jetzt wieder, nach dieser furchtbaren Nacht, geht die Hofferei wieder los, steigt die völlig grundlose Zuversicht: es eben d o c h, „nur“ auf anderem Weg, zu schaffen. Aber in der Nacht habe ich vor Verzweiflung getobt, sogar mich selbst geschlagen, ins Gesicht, weil halt kein anderer dawar, Göttinseidank. (Daß ich schon wieder „Göttin“ schreibe, schon jetzt wieder eingefahrene Idiome umschreibe!)
Achternbusch.
Es gibt Menschen, die gelten von Kindheit an für abzuschaffen, man will sie raus- und weghaben; es reicht ein Name, es reicht ein Temperament, ja die Haarfarbe reicht oder ein Gesichtsschnitt. Sie haben keinen Stallgeruch und können sich deshalb beweisen, wie sie nur wollen, können als Erwachsene anderen helfen, können gute Väter sein, gute Mütter, können für politisches Recht einstehen usw.; das ist alles egal: Sie sollen einfach weg. Andere hingegen, auch wenn sie objektiv Arschlöcher sind, sind sofort, und bleiben es, akzeptiert. Der Stallgeruch reicht. Ein Barrabas-Syndrom ließe sich das nennen. Es bestimmt ganze Szenen, ganze Sozialitäten.
Ach, hätte Barbara Stang doch geschwiegen! Wie beseelt wäre ich noch fortgereist am kommenden Montag… und nun? Ich weiß momentan nicht mehr weiter.
(10.46 Uhr)
Und dann kam, vor einer Stunde, eine Art Entwarnung. Alarmiert rief Freund C. aus Wien an: Moment mal! Hier werde von zwei verschiedenen Vorgängen gesprochen, die nicht einmal irgend etwas miteinander zu tun hätten. – Dann, fünf Minuten später, ganz ähnlich UF.
So daß ich jetzt froh bin, mich nicht hinreißen gelassen zu haben, die Dinge beim vermeintlichen Wort zu nennen, keine Hinweise, gar Namen genannt zu haben.
Ein Mißverständnis tatsächlich, wie es aussieht.
Eine ganz grundlos in Panik verbrachte Nacht. Vielleicht nicht ganz grundlos, aber in diesem Fall. Wie ich vorhin danach schrieb: „…mein Zahnfleisch ist über die letzten Jahre sehr sehr dünn geworden; mit dem Buchverbot vor dreizehn Jahren ging das los.“ Irgendwann verliert man die Übersicht, schließlich die eigene Tapferkeit und wird mürbe. Sogar einer wie ich.