[Sur les toits de Clichy,
7.55 h]
So pflegte meine stets ein wenig spöttische, auch selbstspöttische Großmutter zu sagen, die, wenn sie sich zum Beispiel geschnitten hatte, sofort Schnaps über die wie tief auch immere Wunde goß; dann Kompresse drum, fertig. Anders als Vorurteilsler meinen werden, nahm sie, meine Omi, vom Schnaps keinen Schluck (sie stand auf Kellergeister, ein… nun ja, Getränk, das sich zur Desinfektion in keinem Fall geeignet hätte; die lebenspraktische Frau wußte dies genau).
Ich muß auch mal davon schreiben, wie sie allabends mit auf die Knöchel heruntergerollten Nylons dasaß, vorm Fernseher im Bademantel; auch pflegte sie die Kernchen der Weintrauben, die sie gerne aß, sorgfältig auszuspückeln und bis zu Hans-Joachim Kulenkampffs Ende auf einer ausgebreiteten Papierserviette anzuordnen.
Sowas fällt einem ein, wenn einen die permanente Bölkerei regressiv macht. Wolken aus Kindheit, wie Legionen miniaturer Motten, steigen auf und daß man bei manchen Teilchen, subatomaren, immer nur entweder den Ort angeben kann, an dem sie erscheinen, oder aber die Zeit. Bei starkem Schnupfen wird quantig, wer zur Wehleidigkeit nicht neigt. So gesehen, hätte sich meine Großmutter perfekt als Gemahlin, sagen wir, Niels Bohrs geeignet. Tatsächlich verheiratet war sie mit einem derart leidenschaftlichen, daß es an Besessenheit langte, Vogelfreund, von dem ich heute sicher bin, er ist als Vogel-selbst wiedergeboren worden.
Komisch übrigens, wie wenig Tauben es diesmal in Paris gibt.
Ich träumte, wenn ich nicht gerade bölkte, von meiner Hochzeit, zu der es aber schließlich nicht kam, weil die Braut in letzter Minute Muffensausen kriegte und sich hinter eine Mauer des Schweigens und Verrschwindens zurückzog, mir allerdings in Form von verrätselten Gedichten wieder und wieder geheime Botschaften schickte, zu deren lebenslanger Entschlüsselung ich nunmehr verdammt bin. Ich hatte das neue Video direkt vor Augen, ja, für das >>>> ANHsTfT, wie ich es vor der Kamera aus den Lettern zusammensetzte, die meine Verschwundene mir zukommen ließ – dies als unfertige Dateien, übrigens, so daß man die korrupten Files immer erst zusammenzwingen mußte, eine, geben Sie‘s zu, besonders abgefeimte Nötigung zur Textexegese. Sie perfektionierte freilich meine Form. Ich bin an Jenny Holzer erinnert: „Man bewahre mich vor dem, was ich will!“ Dies Dötchen (von „Anek“ läßt sich weniger reden) hat mir gestern >>>> Frau Phyllis erzählt, auf der Île Saint Louis; wir haben rasend viel Eis gegessen, sie, glaube ich, fast fünfzehn Kugeln, >>>> Berthillon halt, ich selbst gab nach elfen auf. Danach tranken wir einen Champagner, der wahrscheinlich deshalb so verteufelt an Asti Spumante erinnerte, weil er es war; hätte man das auf die Karte geschrieben, wäre die Gewinnspanne kleiner gewesen. Wir fanden das sehr nachvollziehbar; nach den vieles Boules machte es unsern Zungen auch nicht wirklich etwas aus, weder objektiv noch subjektiv, mit einem Akzent auf mich, der derzeit Geschmäcker sowieso nur eingeschränkt wahrnimmt. Zum Trainieren meiner Imaginationskraft ist das ideal: Man stellt sich vor, wie das Croissant schmeckt, und dann schmeckt es eben auch so. Na gut, ich gebe zu, daß dies beim Champi Spumante noch nicht richtig funktioniert hat; vielleicht war er auch z u schlecht.
Zurück in meinem… „Hotel“ ist zuviel gesagt, Quartier aber trifft es… – also zurück in der Dachbleibe lernte ich die Vorteile von Himmelbetten kennen oder hätte sie kennenlernen können, wär mein Lager denn eines gewesen: Es kann von oben nix reinfallen. Doch nahmen die Geschöpfchen vor meinem Bölken schnell Reißaus, als sie begriffen, daß mich zu beißen sich anzustecken bedeutet hätte. Außerdem muß man feststellen, daß in einer anderen Stadt erst dann zuhause ist, wer mal in ihr krank war und hat es überwunden. Sowas verbindet auf ewig. Mehr denn je wäre ich jetzt bereit, mir in Paris einen zweiten Wohnsitz zuzulegen, bzw. mir zulegen zu lassen. Womit ich wieder bei meiner geplatzten Hochzeit bin. Kutschen fuhren vor, was ganz bestimmt an der Nähe zu Disneyland liegt, das man in jeder Métrostation farbig affichiert sieht. Dennoch blieb mir nicht mal ein Schuh. „Sie sind ja auch kein Prinz“, werden Sie jetzt sagen, und ich will da nicht opponieren. Denn mit sechzig immer noch der Prinz zu sein statt ein König, offenbarte zutiefst die ringelnatzsche Tragik des Lebens. Sie wissen schon: der von der Prinzessin beleckte Briefmark, und dann muß er weg.
Und selbstverständlich erzähle ich nicht, wer meine Braut w a r… ähm: gewesen wäre. Sogar ich sollte ein gewisses Maß Diskretion walten lassen.Schöne, sehr schöne Nachricht kam >>>> vom Verlag, über die ich noch ebenfalls schweige. Aber sowas hilft einer Gesundung schon sehr.
Ich sollte weniger unernst werden: Denn für >>>> Robert HP Platz‘ Viertes Streichquartett ist heute das Gedicht zu schreiben. Räume als ineinander übergehende Gefühls- und Wahrnehmungszustände. Sowas schwebt ihm vor. Mir noch zu abstrakt. Spannender sind mir die Himmelsgalerien der Pariser Schornsteine, die, muß man heute leider schreiben, einstmals von Antennendickichten noch phantastisch aufgeheizt wurden, die über sie hinwegwucherten. Ich kann nicht verstehen, weshalb man die nicht unter Denkmalschutz gestellt hat, obwohl kein Aas zögert, dies mit den entsetzlichsten 60er-Jahre-Architekturen zu tun, etwa in Frankfurtmains Berliner Straße, die, wäre ich Ökoterrorist, sofort zu einer Zielzeile meiner Sprengsätze würde…. nein, es bereits ist.
Ach, Leser:innen, man ist so allein!
Ich muß auch mal davon schreiben, wie sie allabends mit auf die Knöchel heruntergerollten Nylons dasaß, vorm Fernseher im Bademantel; auch pflegte sie die Kernchen der Weintrauben, die sie gerne aß, sorgfältig auszuspückeln und bis zu Hans-Joachim Kulenkampffs Ende auf einer ausgebreiteten Papierserviette anzuordnen.
Sowas fällt einem ein, wenn einen die permanente Bölkerei regressiv macht. Wolken aus Kindheit, wie Legionen miniaturer Motten, steigen auf und daß man bei manchen Teilchen, subatomaren, immer nur entweder den Ort angeben kann, an dem sie erscheinen, oder aber die Zeit. Bei starkem Schnupfen wird quantig, wer zur Wehleidigkeit nicht neigt. So gesehen, hätte sich meine Großmutter perfekt als Gemahlin, sagen wir, Niels Bohrs geeignet. Tatsächlich verheiratet war sie mit einem derart leidenschaftlichen, daß es an Besessenheit langte, Vogelfreund, von dem ich heute sicher bin, er ist als Vogel-selbst wiedergeboren worden.
Komisch übrigens, wie wenig Tauben es diesmal in Paris gibt.
Ich träumte, wenn ich nicht gerade bölkte, von meiner Hochzeit, zu der es aber schließlich nicht kam, weil die Braut in letzter Minute Muffensausen kriegte und sich hinter eine Mauer des Schweigens und Verrschwindens zurückzog, mir allerdings in Form von verrätselten Gedichten wieder und wieder geheime Botschaften schickte, zu deren lebenslanger Entschlüsselung ich nunmehr verdammt bin. Ich hatte das neue Video direkt vor Augen, ja, für das >>>> ANHsTfT, wie ich es vor der Kamera aus den Lettern zusammensetzte, die meine Verschwundene mir zukommen ließ – dies als unfertige Dateien, übrigens, so daß man die korrupten Files immer erst zusammenzwingen mußte, eine, geben Sie‘s zu, besonders abgefeimte Nötigung zur Textexegese. Sie perfektionierte freilich meine Form. Ich bin an Jenny Holzer erinnert: „Man bewahre mich vor dem, was ich will!“ Dies Dötchen (von „Anek“ läßt sich weniger reden) hat mir gestern >>>> Frau Phyllis erzählt, auf der Île Saint Louis; wir haben rasend viel Eis gegessen, sie, glaube ich, fast fünfzehn Kugeln, >>>> Berthillon halt, ich selbst gab nach elfen auf. Danach tranken wir einen Champagner, der wahrscheinlich deshalb so verteufelt an Asti Spumante erinnerte, weil er es war; hätte man das auf die Karte geschrieben, wäre die Gewinnspanne kleiner gewesen. Wir fanden das sehr nachvollziehbar; nach den vieles Boules machte es unsern Zungen auch nicht wirklich etwas aus, weder objektiv noch subjektiv, mit einem Akzent auf mich, der derzeit Geschmäcker sowieso nur eingeschränkt wahrnimmt. Zum Trainieren meiner Imaginationskraft ist das ideal: Man stellt sich vor, wie das Croissant schmeckt, und dann schmeckt es eben auch so. Na gut, ich gebe zu, daß dies beim Champi Spumante noch nicht richtig funktioniert hat; vielleicht war er auch z u schlecht.
Zurück in meinem… „Hotel“ ist zuviel gesagt, Quartier aber trifft es… – also zurück in der Dachbleibe lernte ich die Vorteile von Himmelbetten kennen oder hätte sie kennenlernen können, wär mein Lager denn eines gewesen: Es kann von oben nix reinfallen. Doch nahmen die Geschöpfchen vor meinem Bölken schnell Reißaus, als sie begriffen, daß mich zu beißen sich anzustecken bedeutet hätte. Außerdem muß man feststellen, daß in einer anderen Stadt erst dann zuhause ist, wer mal in ihr krank war und hat es überwunden. Sowas verbindet auf ewig. Mehr denn je wäre ich jetzt bereit, mir in Paris einen zweiten Wohnsitz zuzulegen, bzw. mir zulegen zu lassen. Womit ich wieder bei meiner geplatzten Hochzeit bin. Kutschen fuhren vor, was ganz bestimmt an der Nähe zu Disneyland liegt, das man in jeder Métrostation farbig affichiert sieht. Dennoch blieb mir nicht mal ein Schuh. „Sie sind ja auch kein Prinz“, werden Sie jetzt sagen, und ich will da nicht opponieren. Denn mit sechzig immer noch der Prinz zu sein statt ein König, offenbarte zutiefst die ringelnatzsche Tragik des Lebens. Sie wissen schon: der von der Prinzessin beleckte Briefmark, und dann muß er weg.
Und selbstverständlich erzähle ich nicht, wer meine Braut w a r… ähm: gewesen wäre. Sogar ich sollte ein gewisses Maß Diskretion walten lassen.Schöne, sehr schöne Nachricht kam >>>> vom Verlag, über die ich noch ebenfalls schweige. Aber sowas hilft einer Gesundung schon sehr.
Ich sollte weniger unernst werden: Denn für >>>> Robert HP Platz‘ Viertes Streichquartett ist heute das Gedicht zu schreiben. Räume als ineinander übergehende Gefühls- und Wahrnehmungszustände. Sowas schwebt ihm vor. Mir noch zu abstrakt. Spannender sind mir die Himmelsgalerien der Pariser Schornsteine, die, muß man heute leider schreiben, einstmals von Antennendickichten noch phantastisch aufgeheizt wurden, die über sie hinwegwucherten. Ich kann nicht verstehen, weshalb man die nicht unter Denkmalschutz gestellt hat, obwohl kein Aas zögert, dies mit den entsetzlichsten 60er-Jahre-Architekturen zu tun, etwa in Frankfurtmains Berliner Straße, die, wäre ich Ökoterrorist, sofort zu einer Zielzeile meiner Sprengsätze würde…. nein, es bereits ist.
Ach, Leser:innen, man ist so allein!
Echte Pariser verlassen im August die Stadt und begeben sich an die Cote d’Azur.
Ebenso natürlich die Tauben, Monsieur ‚erbst.
Ein schöner Artikel. Ich habe ihn gerne gelesen.
Schöne Geschichte. Ich lese mit Spannung weiter. 🙂