”Volto” oder “volo”? Denn hernach erzählt die da im Tempel gestern aufgetauchte Frau, niemand anders als Deiphobe, die Sibylle, nachdem sie seitenlang all die Verstrickungen um Dädalus erzählt, er sei nach dem Absturz des Sohnes ebendort in Cumae gelandet, und das was ihm nicht gelungen bei seiner in den Stein gemeißelten Lebensgeschichte, sei der Flug (volo) des Sohnes gewesen, also an dieser Stelle nicht das Antlitz (volto). Also die Unmöglichkeit, den Verlust bzw. das Entstehen darzustellen. Verlieren und Nichtfinden. Beides ein: Nichts finden. Beim Verlieren indes wäre zu bedenken, daß ihm kein Suchen vorausgeht. Das Nichtfinden aber implizierte es. Die Versuchung dessen, was nicht (mehr) ist, sich von der Vorstellung verführen zu lassen. So wie ich mir gerade die Uhrzeit vorzustellen versuche, zu der Ninno auftauchen wird. Es könnte spät werden oder auch ausfallen, wie’s neulich geschehen ist, als er mir erzählte, er habe ein Lamm geschlachtet. Und habe den ganzen Tag danach gerochen. Und vor ein paar Tagen rief spät abends mein Vormieter vom Kaiserstuhl aus an, mir eine Schnapsidee mitzuteilen. Er hätte gern jemanden, der ihm seine Lebensgeschichte schreibt. Er habe auch schon einen Titel: “Der Schönwetterbauer”. Denn: wir seien ja alle so Schreiberlinge im Gegensatz zu ihm. Hintergrund: er tauchte zwischen Weihnachten und Neujahr hier auf. Zwischenetappe, denn das Ziel war Ischia. Geplant ein zweimonatiger Aufenthalt dort in einem Haus, das einer aus Ischia stammenden Freundin gehört, die hier im Städtchen lebt. Er bat sich Bücher aus, war auch neugierig auf das ‘Traumschiff’ aus begreiflichen Gründen. Gab ihm aber auch, ihn kennend, ‘Die Vollidioten’ und ‘Geht in Ordnung – Sowieso – Genau’ von Henscheid mit. Am Ende hatte er nur die ‘Vollidioten’ gelesen, ins ‘Traumschiff’ hatte er keinen Einstieg gefunden. Aber das hatte ich im Stillen erwartet. Jedenfalls nahm die Anfrage auf den Henscheid-Text Bezug (nun gibt’s ja von ihm schon einen ähnlichen Titel: ‘Der charmante Bauer’). Er bot sogar schon Honorar an. Ich wäre mittlerweile nicht mehr in der Lage dazu, obwohl vor einigen Jahren schon ein ähnliches Projekt gärte, als er noch hier lebte. Ausgangspunkt hätten damals sein können: seine ‘legasthenischen’ Messages, die nicht ganz ohne Reiz waren. Sofern sich jemand damit beschäftigen wollte, einen Schönwetterbauern erstehen zu lassen… ich stellte gern den Kontakt her. Es ginge auf jeden Fall nicht anders als über mündlichen Direktmitschnitt.
Lieber Herr Lampe, vielleicht, daß unser gemeinsamer Freund >>>> Schulze diese hübsche Aufgabe zusammen mit mir übernehmen wollte? Der „Schönwetterbauer“ ist, finde ich, ein guter Titel, vielleicht gerade, weil er auf Henscheid anspielt – ein zu schöner Titel sogar, um solch ein Projekt beiseiteliegen zu lassen.