Gleiche unter Gleichen. Zwölfter Ranhadam. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 27. Mai 2016.


[Arbeitswohnung, 18.47 Uhr
Martinů, Julietta]

Hörvorbereitung für >>>> morgen abend. Allerdings ist meine Aufnahme auf Tschechisch, was mir den Zugang, wie alle slawischen Sprachen, emotional schwierig macht; ich verstehe den Melos nicht wirklich und bin also froh, daß die Staatsoper dieses Stück in der Originalfassung, nämlich auf Französisch, bringen wird. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie die Sprache-selbst auf die Musik wirkt, sie bestimmt, aber eben auch den Rezipienten bestimmt. Eine Ausnahme ist interessanterweise, für mich, Janáček.
Die Julietta habe ich übrigens zum ersten Mal auf Deutsch gehört – und war völlig benommen, hin und weg. Ich habe seinerzeit auch mitgeschnitten, auf Videoband, was vorhin zu einem größeren Computerchaos geführt hat. Nämlich habe ich ein Digitalisierungsgerät für VHS-Cassetten, aber zum einen will die Treibersoftware sich bei mir offenbar nicht installieren, vor allem aber geriet sie mit meinen übrigen Klangeinstellungen in Konflikt, so daß der Rechner plötzlich g a r keinen Ton mehr ausgab. Es half tatsächlich nur die wieder-Deinstallation der >>>> Ion-Software. Aber immerhin.
Immerhin aber ließ ich mich nicht nervös machen, auch nicht von den heute mal wieder empfangenen >>>> Müll- und Diskriminierungskommentaren, mit denen ich allerdings auch gerechnet hatte. Eine alte „Feundin“ mal wieder, deren letzten Beitrag ich schließlich >>>> in den Anti-Herbst verschob. Es hat so gar keinen Sinn, mit ressentimentgeblähten, „moralisch“ selbstüberzeugten Leuten reden zu wollen; die vorgefaßten Meinungen sind fest und vor allem absolut: Nichts von dem, was ich je geschrieben, sei Dichtung, alles Nabelschau. Usw. Diese Menschen kennen keinen Zweifel und überlesen geflissentlich die meinen. Versehentlich verwenden sie dann „verkanntes Genie“, dysphemistisch gemeint, bestätigend – ein unbewußter Vorgang, der nicht ohne Witz ist.

Um sechs auf, den Teigling aus dem Kühlschrank geholt, sich akklimatisieren und dann noch eine Stunde in der Stückgare gehen lassen, schließlich gebacken:


Nicht für mich, sondern für die Familie. Allerdings hatte ich so viel Teig geknetet, daß ich das Stück teilen mußte und nun doch etwas Brot auch für mich im Ofen habe – was meine Diät etwas unterbrechen wird. Aber ich bin heute nach dem Schwimmen auf 74,8 kg runter gewesen; da können ein paar Kohlehydrate nicht mehr schaden. Im übrigen: nachmittags ein Apfel, abends Haferflocken mit ein paar Nüssen. Mit dem Alkohol bleibe ich streng. Etwa mehr als sechs Kilo in nicht mal zwei Wochen. Prima.
Selbstverständlich schreibe ich über Ranhadam und Sport so ausführlich und oft, weil ich mir au diese Weise Erfolgserlebnisse hole, die eben rein von Leistung und Willen und nicht vom Gutdünken und Böswillen anderer Leute abhängig sind. Es ist eine bittere Erkenntnis, daß es in den Künsten überhaupt weder auf Können noch gar Genie ankommt, auch nicht auf den Arbeitsaufwand, sondern ausschließlich auf soziales Gefallen. Ob man „paßt“. Genau dies erklärt mit, weshalb so viele Komponisten, Dichter, Maler zu Lebzeiten tatsächlich verkannt waren und erst nach ihrem Tod Akzeptanz fanden und dann sogar verehrt wurden. Tote stören keine Gruppen, man muß sich an ihren Haltungen nicht mehr stören. Sie werden nicht mehr als „Gefahr“ erlebt.

Das Knie motzte heute früh wieder etwas, außerdem wachte ich mit diesen Magenschmerzen auf, die mich, mehr oder minder krampfend, seit meiner frühen Jugend begleiten – wobei die Abstände zwischen den Anfällen sehr groß geworden sind. – Bis in den späten Vormittag tat es weh, doch kein Vergleich zu früher, wenn ich bisweilen bewegungsunfähig wurde. Nö, bin halt sogar zum Schwimmen geradelt; kaum war ich im Wasser, war der Magen wieder in Ordnung.
Kann sein, daß ich mich über >>>> dieses amazon-Ding unbewußt mehr geärgert habe, als meine Ratio zulassen wollte. Also kam es zu einer Verschiebung. „Ärgern“ ist übrigens falsch; es geht um persönliche, seelische Verletzung. Daß ich sowas immer zugebe, meine Offenheit überhaupt, macht mich dann leicht wieder, wie Sie sahen, zum Ziel. Ehrlichkeit muß ein schreckliches Skandalon sein.

An Béart XV weitergearbeitet, kam auch auf einige Verse, dann mußte ich den Computer runterfahren, der neuen Software wegen, die ich auch auf dem Laptop installierte (wo sie, XP, k e i n e n Konflikt verursachte), und als ich das Gerät wieder hochgefahren hatte, waren sie, die Verse, verschwunden – verloren gegangen bis jetzt. Also rollte Sysiphos den Stein von neuem bergan. Thomas Mann, Ein Eisenbahnunglück. Genau kriegt man‘s aber kaum je wieder hin.
Es macht mir, seltsam, nichts aus.

Meine Achillessehne ist das Bedürfnis nach Anerkennung. Es begleitet mich seit der Kindheit, ist leider nie zu einem „Leckt mich“ geworden. Wahrscheinlich ist dies in meinem Leben das einzig wirklich Ärgerliche, sogar ein bißchen Tragische. Und daß ich es zugebe, macht mich erst recht zum Ziel. Aber ich werde mich nicht beugen, auch nicht meine Ehrlichkeit. Mut ist Überwindung von Ängsten, nicht etwa ist es Furchtlosigkeit, die – dumm wäre.

ANH

P.S.: Daß „Milena“ von der Hure mit dem Hund schrieb, zeigt ziemlich genau, was ihr eigentlich aufstößt. Ich stehe gegen den Mainstream der politisch/erotischen Correctness und beharre auf der unbedingten Freiheit eigenen Denkens. Das spürt sie ganz zu recht.
P.P.S.: Die Löwin, im Gespräch: daß jemand sich als Mann zeigt und seine Lust daran, es zu sein, anstatt daß er ein schlechtes Gewissen deswegen hat, u n d daß er sich nicht den „Spielregeln“, bzw. stillschweigenden Übereinkünften fügt, verhindere den Erfolg. Nun war ich an diesen Übereinkünften aber auch gar nicht beteiligt, niemand hat mich je gefragt, geschweige mich mit abstimmen lassen. Solchen beugte ich mich nur dann, wenn ich sie als in der Sache sinnvoll verstehen könnte und nicht sie, was der Fall ist, als puren Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse erkennen muß. Genau darum, glaube ich, muß es jeder und jedem gehen, denen an Emanzipation gelegen ist, an Gleichen unter Gleichen.

4 thoughts on “Gleiche unter Gleichen. Zwölfter Ranhadam. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 27. Mai 2016.

    1. Stimmt@Naja. Ich verwendete „Sehne“ aber mit Grund, des Sehnens halber. Wir wissen freilich beide, selbst Achill hat’s nicht geholfen:

      Und hebt die Händ‘ empor, und duckt und birgt
      In eine Fichte sich (- – / – -)
      Doch selbstverständlich hat Thetis ihr Kind, als sie es in den Styx tunkte, an der Ferse festgehalten.

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