[Arbeitswohnung, 10.07 Uhr
Sofia Gubailulina, Violakonzert]
Bin etwas desolat, erst um kurz nach neun aus dem Bett. Wir saßen noch lange beisammen nach der Ausstellung, von der sich nicht nur sagen läßt, >>>> Phyllis Kiehls Wand sei die beste, weil sie von i h r stammt, sondern man muß sagen, sie ist es objektiv. Allerdings gibt es außerdem noch ein sehr gelungenes Objekt von Caro Suerkemper zu sehen, nämlich dieses:
Hingegen sind ihre Porzellanfiguren, besonders zwei kackende Frauen, künstlerisch nur peinlich, weil billigste Provokation. Recht schön dagegen die Arbeiten >>>> Sebastian Roglers. Insgesamt aber springt nur diese Wand ins Auge: direkt im Zugriff anfangs, dann Wege in die Details, auch ganz unterschiedlicher Strichansätze. Imgrunde müßte man sie im ganzen kaufen, dürfte sie nicht auseinanderreißen. Das ist mir schon bei Kiehls Wänden im alten Atelier aufgefallen, die freilich für eine Öffentlichkeit nicht bestimmt waren, teils auch aus Gründen unseres grauslichen Urheberrechts, das Kunstwerke als Gebrauchsmuster ansieht und durch nahezu die komplette Moderne einen fetten Strich der „Eigentümer“ macht. Egal.
(Nicht egal).
Jedenfalls habe ich vor der Vernissage gestern noch einen kleinen Textauftrag fertiggestellt, mich dann wieder mit den Unterlagen der Contessa beschäftigt: Exzerpte, hin- und hergehende Whatsappnachrichten, Überlegungen zur Hauptfigur. Ich muß im Roman ja alles vermeiden, was mit Düsseldorf und was mit der griechischen Insel zu tun hat, aber Entsprechungen finden, auch lebensgeschichtliche Analogien. Es geht, um es paradox auszudrücken, um Erkenntbarkeiten, die deutlich, aber unerkennbar sind. Am besten alles weit fortrücken, etwa nach Südamerika, das „bloß“ den Nachteil hat, daß ich es nicht kenne. Denn selbst in meinen „phantastischsten“ Erzählungen bin ich auf konkrete, tatsächliche Orte angewiesen, immer angewiesen geblieben: ich muß sie schmecken, ihre Düfte in der Nase haben, damit ich die mir eigene literarische Sinnlichkeit herstellen kann.
(Nicht egal).
Jedenfalls habe ich vor der Vernissage gestern noch einen kleinen Textauftrag fertiggestellt, mich dann wieder mit den Unterlagen der Contessa beschäftigt: Exzerpte, hin- und hergehende Whatsappnachrichten, Überlegungen zur Hauptfigur. Ich muß im Roman ja alles vermeiden, was mit Düsseldorf und was mit der griechischen Insel zu tun hat, aber Entsprechungen finden, auch lebensgeschichtliche Analogien. Es geht, um es paradox auszudrücken, um Erkenntbarkeiten, die deutlich, aber unerkennbar sind. Am besten alles weit fortrücken, etwa nach Südamerika, das „bloß“ den Nachteil hat, daß ich es nicht kenne. Denn selbst in meinen „phantastischsten“ Erzählungen bin ich auf konkrete, tatsächliche Orte angewiesen, immer angewiesen geblieben: ich muß sie schmecken, ihre Düfte in der Nase haben, damit ich die mir eigene literarische Sinnlichkeit herstellen kann.
[Sofia Gubaidulina, Stimmen … verstummen
Sinfonie in zwölf Sätzen (1986)]
Sinfonie in zwölf Sätzen (1986)]
Beim gläubigen Katholizismus muß es bleiben, unter anderem. Es ist ein wenig wie bei >>>> Meere. Als damals der Prozeß in Gang war, fragte mich ein Kollege mit ein wenig zu moralisch gehobenem Stimmfall: „Warum hast du aus Irene keine südamerikanische Katholikin gemacht?“ „Weil ihre Matrix so nicht funktioniert hätte“, antwortete ich. Die Menschen unterschätzen immer wieder die kulturell verschiedenen Prägungen, auch bei sich selbst, scheinen überhaupt nicht zu wissen, wie sehr ihre ob christliche, islamische, buddhistische, egal, Herkunft die späteren Handlungsmuster (mit)bestimmt. Es ist für die Glaubwürdigkeit einer literarischen Figur von besonderer Bedeutung, sogar die Muster ihrer Großeltern zu kennen. Für meine Romane schreibe ich selbst deren Lebensläufe für mich auf, egal, ob sie im Roman später überhaupt thematisiert werden. Meist werden sie es nicht, wirken aber trotzdem auf die Figuren.
Es ist ein unkapitalistischer Ansatz: Wir stehen nicht einfach so „frei“ im Raum. Den Roman-selbst zu schreiben, nachher, ist meist nur handwerkliche Ausführung und geht in aller Regel schnell – sofern nicht die Grundkonstruktion allzu komplex ist. Zu ihr gehört zudem das Bewußtsein geschichtlicher (historischer) Abläufe usw. Genau deshalb nehmen Vorarbeiten den weitaus meisten Raum beim Romaneschreiben ein; übrigens auch dann, wenn wir Autor:inn:en es nicht merken. Am >>>> Traumschiff habe ich drei Jahre lang herumlaboriert, ohne eine einzige Zeile zu Papier zu bringen. Als es dann so weit war und ich mich >>>> in Amelia hingesetzt habe, lief alles, als müßt es nur noch ausgegossen werden.
Lebensgeschichten. Ein 1:1 ist, übrigens, sowieso nicht möglich, schon der Versuch wäre Verfälschung. Also muß die Verfälschung wirkendes Element der Konstruktion sein: ihr Wahrheitsgenerator. Le mentir vrai.
Es ist ein unkapitalistischer Ansatz: Wir stehen nicht einfach so „frei“ im Raum. Den Roman-selbst zu schreiben, nachher, ist meist nur handwerkliche Ausführung und geht in aller Regel schnell – sofern nicht die Grundkonstruktion allzu komplex ist. Zu ihr gehört zudem das Bewußtsein geschichtlicher (historischer) Abläufe usw. Genau deshalb nehmen Vorarbeiten den weitaus meisten Raum beim Romaneschreiben ein; übrigens auch dann, wenn wir Autor:inn:en es nicht merken. Am >>>> Traumschiff habe ich drei Jahre lang herumlaboriert, ohne eine einzige Zeile zu Papier zu bringen. Als es dann so weit war und ich mich >>>> in Amelia hingesetzt habe, lief alles, als müßt es nur noch ausgegossen werden.
Lebensgeschichten. Ein 1:1 ist, übrigens, sowieso nicht möglich, schon der Versuch wäre Verfälschung. Also muß die Verfälschung wirkendes Element der Konstruktion sein: ihr Wahrheitsgenerator. Le mentir vrai.
Und packen muß ich heute auch noch. Mein Flug morgen hebt um 14.20 Uhr ab, geplante Ankunft an Fiumicino um 16.25 Uhr. Dann noch den Regionale nach Orte, wo mit dem Auto mich der Freund um 20.10 Uhr abholen wird.
Wir saßen gestern, ich schrieb es eingangs schon, nachts noch lange. Mein Schädel, liebste Freundin, summt.
Das Tripluseinumvirat. Vor der Galerie Nord, Moabit.
ANH – Broßmann – Aikmaier – Schütte
(Fotografie: >>>> Phyllis Kiehl)
Ein sehr schönes Erinnerungsfoto.