III, 161 – Signorina Richmond

Ballo dei pipistrelli entre chien et loup. Mal pirouettierten zwei, mal kam eine dritte hinzu. Wagte mich auch gar nicht vor in den Hof, so niedrig flogen sie heute abend. Ich glaube dennoch nicht an das Märchen, daß sie sich in den Haaren verfangen. Denn einst auf dem Lande hatte ich eine in meinem Arbeitszimmer, aber an die Haare ging sie mir dann doch nicht. Leider ist auch eine ertrunkene Fledermaus zu beklagen: Ninno, der heute eine sehr krächzende Stimme hatte (auf seinem Stück Land gearbeitet, geschwitzt, Zugluft usw.), habe eine solche in der auf diese Weise verstopften WC-Spülung gefunden. “Armes Tier.” sagte er.
Zum ersten Mal sah ich, wie sich die Gottesanbeterin bewegt. Auf jeden Fall sehr bradipod. Wodurch sich eine gewisse Gemeinsamkeit herstellte: vorm inneren Blick meine extrem langsamen Schritte auf dem steilen Stück, das vom östlichen oberen Tor zu meiner Höhe hinaufführt.
Extrem langsam auch, wie ich mich erinnern will. Sofern Wollen sich tachometrisch messen läßt. Heißt ein zögerliches Hineinblicken in das Tagebuch von vor 35 Jahren. Da gab’s an jenem 20.9. eine Dichterlesung auf der Piazza della Signoria. Allen Ginsberg las ziemlich zu Beginn, hatte eine Riesenmannschaft bei sich. Die Stühle wurden leer neben mir, als Erich Fried auftrat. Da setzte sie sich dann hin. Allgemeines Aufbrechen dann, als die endlose >>>> ’Signorina Richmond’ von Nanni Balestrini vorgelesen wurde. “Non finisce mai.” Kam’s mir endlich über die Lippen. Am Schluß Riesenpfeifkonzert für “Signorina Richmond”: pipistrella, mortadella, signorella : oh, la signorina Richmond.” Sagt mein Tagebuch. Naja, und dann hinterhér. La signorina war noch nicht zu Ende.
>>>> Anleitung zum praktischen Gebrauch von Fräulein Richmond.
Damals konnte ich wenig damit anfangen, beschreibe mich im Tagebuch als begeisterten Leser von Groddeck. Brachte meine van-Laack-Hemden brav in die Wäscherei und ließ sie bügeln. Wohnte in einer Locanda in einem Zimmer mit weiteren fünf Leuten direkt über einer Bushaltestelle. Aber das machte nun wirklich nichts. Ich hatte auch schon in einem Straßengraben geschlafen. Und lernen, gleich nach dem Mittagessen “buona sera” zu sagen, wie’s dort üblich war. Irgendwann kam sie mir auf der Treppe entgegen. Das hieß: adieu, Locanda.
Sofia, richtig, so hieß sie.

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