Zum Anschlag in Berlin. Statt eines Arbeitsjournals. Dienstag, den 20. Dezember 2016.


[Arbeitswohnung, 8.15 Uhr
Liza Manzoni, Konzert in Amelia vom 13.7.2013 (live-Mitschnitt)]

Seit fünf auf, den einen Lievito madre, der nun tatsächlich an„gesprungen“ ist, für den Weihnachtspanettone gefüttert (ich nahm bei einem Faustling saure Sahne als Re-Starter, der andere, den ich mit Honig reaktivieren wollte, hat sich nicht entwickelt, vielleicht auch nur n o c h nicht). Danach bis eben eigentlich nur >>>> über den Anschlag oder vermeintlichen Anschlag von gestern abend nachgelesen. Dabei hatte ich am Ghostroman arbeiten wollen. Doch schon gestern abend erreichten mich besorgte Nachrichten, ob es mir gutgehe.
Nun jà, ich bin selten im Westen. Wir saßen in einer durch eine Übersetzerin veralibiten Herrenrunde im tiefsten Kreuzberg – dort, wo es sich bayerisch gibt. Da ging das Telefon, erst eines andren, dann meines, weil लक्ष्मी sich um unsern Großen Sorgen machte. Aber was hätte der am Breitscheidplatz zu suchen gehabt? Er ist in ein anderes Berlin hineingeboren worden als das des letzten Jahrhunderts: Sein Berlin ist mittebezogen; der Ku‘damm, für ihn, ist museal. Jedenfalls wohnt da nicht die Jugend, oder alleine umständehalber.
Wie auch immer.
Wenn es ein Anschlag war, nimmt der Ort genau deshalb wunder. Wer sollte getroffen werden? Ein Berlin, das es so gar nicht mehr gibt? Jedenfalls sieht der Anschlag oder was es war nach politischer Kenntnis und entsprechender Planung nicht aus. Es sei denn, man habe bewußt die Gedächtniskirche gewählt: zu e i n e m Memorial nun ein frisches neues:: Mahnmal für Kommendes.
Es hat mich ohnedies gewundert, daß in Berlin noch gar nichts dergleichen geschah. Imgrunde zweifle ich sogar an den öffentlichen Nachrichten. Wäre die Stadt im Zentrum islamistischer oder welcher auch immer Wut, wäre es doch überhaupt nicht schwierig, zehnzwanzig Schläfer loszuschicken und binnen eines Monats die gesamte Infrastruktur zum Erliegen zu bringen. Wieso geschieht dergleichen nicht?
Dann: Für die politische Rechte ist dieser, hm, Anschlag ein zu absolut passendem Zeitpunkt gefundenes Fressen. Auch noch ein, wie verlautet, Pakistani! Und überdies als Asylsuchender hergekommen… Geradezu perfekt! Man könnte meinen, Frau Petri habe einen eigenen Geheimdienst, dessen agents provocateurs den Mann da losgeschickt. Man könnte, wohlgemerkt; – man tut es selbstverständlich nicht und hütet sich, dergleichen in die Welt zu setzen. Der Rufmord wär dem Morden gleich.
Aber vielleicht war dieser Pakistani einfach nur verzweifelt und aus Verzweiflung voller Wut? Vielleicht litt er unter der von der deutschen Rechten und einigen Protestbewegungen verbreiteten „Fremden“-Diskriminierung und sah auf den Weihnachtsmärkten die satten Wohlstandsbürger saufen und fressen und aus Anlaß der Geburt eines Gottessohns – an den sie überhaupt nicht glauben, sondern sie glauben an Konsum – innert zweier Stunden ein Geld verprassen, für das in seinem Heimatland ganze Dörfer über Monate leben könnten? Das wäre keine Rechtfertigung für diesen Anschlag, wohl aber ein Motiv – ein individuelles jenseits des abstrakt-dogmatischen Feuer- und Schwert-Djihads.
Ich schrieb gestern schon auf Facebook in meiner „Sicherheitsmeldung“ und stehe dazu weiter:Jetzt erst einmal: keine Panik. Und wissen, wofür man einsteht. Und dich auf keinen Fall auf „religiöse“ Herleitungen einlassen. Es gibt gute und böse Christen, gute und böse Buddhisten, gute und böse Hindus, gute und böse „Pagane“, gute und böse Islami. Die Gründe liegen nicht bei Göttinnen und Göttern, sondern nahezu immer in der Machtgier.In der Tat ist der >>>> Daisch in seinen Handlungen nicht selten sogar blasphemisch gegenüber dem Koran. Dies nur für den Fall bemerkt, daß wir es auch auf dem Breitscheidplatz mit dem Daisch zu tun gehabt haben sollten. Oder mit Al-Qaida oder sonst einer „glaubens“dogmatisch militanten Bewegung.

Das Problem ist aber noch ein anderes. Was immer wir jetzt hören werden, von offiziellen und nichtoffiziellen Stellen: Wir können es nur glauben oder nicht glauben. Wissen, gesichert wissen, werden wir nichts. Wir sind auf unsere Instinkte zurückgeworfen, wo sich ein Vertrauen in die gewählten Instanzen nicht mehr haben läßt. Und auch das ist Futter für die Rechten. Die politischen und exekutiven Organe regieren und schalten über die Menschen hinweg, die nur noch als „Quote“ interessant sind. Das hat ein Mißtrauen geschürt, das sich, weil die Verantwortlichen kaum auszumachen und schon gar nicht zu belangen sind, auf alles Fremde projeziert, das uns angeblich etwas wegnehmen will – etwas, das wir im übrigen gar nicht selbst erreicht haben, sondern wir sind hineingeboren und ernähren uns vom Erbe.
Der sogenannte einfache Mensch, der mit geringer Bildung und geringer Einkunft, ist immer ein hilfloser Mensch. Mit diesem Bewußtsein läßt es sich schlecht leben, man kommt sich minder vor Und holt sich den Selbstwert dann aus Erhöhung gegenüber noch Minderen, noch Hilfloseren, noch Ausgelieferteren. Deren „Herr“ man dann ist: Herr wenn schon nicht des eigenen Schicksals, dann doch wenigstens dessen von andern.

Die „Sammel“-Abschiebungen nach Afghanistan >>>> haben begonnen.
Wir bereiten uns mit fünfundzwanzig auf unsre sichre Rente vor.
Dem Armen bleibt das >>>> Opium des Volkes.
Freilich nach wie vor ist Marihuana verboten. Hingegen gilt Alkoholismus als abendländisch-christliches, also unser >>>> kulturelles Erbe. Das, in der Tat, ist mit dem Koran nicht zu halten. Also streitet die Rechte um das Recht auf den Vol(l)kssuff.

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