III, 314 – Mitschrift

Wie fängt Urlaub an? Jedenfalls nicht mit Reisevorbereitungen. Keine Dead Lines für die nächsten drei Wochen, und so wünscht man sich Life Lines. Ungewohnt. Der Viertelsmond über dem Palazzo Farattini, dessen Fenster wie beim letzten Mal keinen Lichtschein wiedergeben. Seit dem Erdbeben vor einem Jahr sei da etwas nicht koscher. Vor Valdas Pizzeria mal wieder sitzend, während die Stadtteil-Taverna unter meinen Fenstern ihre Grillrauchschwaden in die Wohnung dringen läßt. Aus der Pizzeria, vor der ich sitze, dringen die Doors (glaube ich). Auch der Gedanke dabei, dann Tonino Saxophon spielen zu hören etwas weiter oben im neuen Terrassen-Restaurant. Aber dafür scheint es noch zu früh, zumal in der Einladung “Esszwang” mit inbegriffen war. Also lieber eins-zwo Bier hier auf der Bank mit dem Tisch daneben und warten, bis der Esszwang sich gelegt. Jemand fängt an, auf dem Klavier zu klimpern (spielen wäre übertrieben, es sei denn im ludischen Sinne), das im Raum hinter meinem Rücken steht. Bevor ich los ging, um meinen Urlaub zu beginnen, hörte ich Police während des Essens (risi e bisi). Es sind eine Menge Leute unterwegs, vor allem zu den Tavernen der verschiedenen Stadtteile. Ein Paar fragte mich unterwegs nach der Vallis-Taverne. Ich hoffe, die richtige geraten und entsprechend die eine Abwärtsabzweigung gewiesen zu haben, die ich neulich aufwärts ging. Katzenliebhaber finden in dieser Gasse hübsche und faul in der Hitze herumlungernde Exemplare, die einen nur marginal wahrnehmen. Ich war dort unten gewesen, weil ich hoffte, vor der Porta Vallis etwas Luft mir zufächeln zu lassen. Luft schon, aber denen, die sich dann ebenfalls dem Tor näherten, sagte ich, ein Ventilator sei allemal vorzuziehen. Scheint doch eher Genesis zu sein, nach der Stimme zu urteilen. Phil Collins? Oder überhaupt eine Mischpoke aus jener Zeit. Ein aus allen Bässen wummernder PKW kommt herabgefahren. “Che cazzo vuoi?” Vom Moped dahinter. Aber bei Genesis hörte damals mein Interesse irgendwie auf. Oder war’s Diana Ross? Kurz ich keinen LP-Sammelwahn und somit auch keinen Draht mehr dazu. War auch ziemlich radiolos die Wolfsburger Zeit und ging stattdessen regelmäßig in den Folklorekeller (Kommode hieß der, glaub’ ich) und kaufte irgendwann nur noch Platten von Planxty. Was mich dann auch hitchhikend recht bald nach Irland bringen sollte. Den ersten Drive bis an den Rand des Ruhrgebiets gab mir mein Lateinlehrer, der Italiener Raimondi. Aber ich hab’s dennoch in Latein zu praktisch nichts gebracht, wobei das Wort “praktisch” etwas zweideutig ist. Der grünen Hecken gegenüber Mummenschanz. Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger, Bleistift zwischen Mittel- und Ringfinger. Hübsches Bild. Ansonsten autolos. Nach der letzten Weinfahrt zu Zanchi fing’s an, in den Innereien des Autos zu scheppern. Heute in der Früh’ der Entschluß, erst zum Friseur zu fahren (am Nachmittag wäre es bei der Hitze einem Selbstmord gleichgekommen), dann zur Kfz-Werkstatt am allerletzten Ende des Ortes (wo’s, dann nur noch zum Friedhof geht). Ich ließ das Auto dort. In der Oberstadt hätte ich bei der jetzigen Tavernensituation eh’ keinen Parkplatz gefunden und wäre wahrscheinlich gezwungen gewesen, es in der Unterstadt zu lassen und zu Fuß hinaufzugehen. Neue Gäste, neues Geklimper auf dem Klavier. So ging ich von der Werkstatt den ganzen Weg zu Fuß hinauf. Am Wochenende brauche ich es nicht. Zwar hätte ich damit nach Avigliano (ca. 15 km) fahren können. War eingeladen zu einer Ausstellungseröffnung, an der auch die Morgenröte und die ‘Sympathetische’, wie ich sie nenne, teilnahmen. Wäre Grund genug gewesen. Aber Avigliano liegt auch sehr dicht beim ‘meinem’ ‘ehemaligen’ Landhaus., und wer weiß, ob nicht auch sie, die heute Geburtstag hat, dort aufgetaucht wäre (die Bleistiftnotiz hat merkwürdigerweise ein “aufgetaut”). Der Dreiviertelsmond hat sich einen Hof zugelegt. Valda indes legte eine unangesteckte Zigarette in den Aschenbecher neben mit dem Hinweis, sie käme sie dann bei mir rauchen. Der Hügel den man gegenüber sieht, hat Lichterbrunst. “Che callo!” (das ‘d’ verspeisend) sagt eine. Und fächelt wie wild. In Rom löse sich der Asphalt auf. Einer, besoffen schon (lang und dünn, erbsengrün oben herum und schwarz bis zu den Knie, zwei Knöpfe in den jeweils Ohrläppchen), zu mir: “Amico di Francesco e Bruna?” Was ich bejahen konnte, während er immer wieder hin- und herwankte. In der Zwischenzeit ein Annie-Lennox-Imitat, was die Frisur und die Lippen betraf. Setzte sich mit Anderen ebenfalls in den Raum hinter meinem Rücken. Mittlerweile gibt es hinter meinem Rücken mehr zu sehen, als ‘vor meinem Rücken’ (???). Und bestellte nach dem Weißbier ein mir unbekanntes Bier: Dark Mumme von Nørden. Reminiszenz: Braunschweiger Mumme. Der Betrunkene redet vom Epizentrum Geld. Spricht wegen Immobilien an, als ob ich so aussähe wie ein Makler! Und das Annie-Lenox-Imitat mag sich zwar AL als Vorbild ausersehen haben, aber je mehr ich hinschaue, desto mehr hinken die Vergleiche. Schon dieses schultergroße und leberfarbene Tattoo! Hat was, diese Dark Mumme! Bei einer anderen: das Kopfhaar über den kahlen Seiten vor buschig, am Hinterkopf etwas kürzer mit deutlicher Trennlinie zum Vorderkopf, aus dem heraus ein Pferdeschwanz wuchs. Selbst die Friseuse frage micht heute, ob sie das Haupthaar länger lassen solle. Nein, sagte ich. Am Ende war’s aber doch ein wenglein länger, aber so wenig, daß es mir egal war.
[Eine im Abschreiben doch noch etwas manipulierte Mitschrift von gestern im Präsens ohne Absätze und Links, die sich mit Bleistift nicht gut herstellen lassen. Danach noch etwas Jazz beim Baronetto, dem Terrassen-Restaurant, wo glücklicherweise wegen der Uhrzeit der Esszwang verzogen war (vgl. den Verweis auf Tonino).]

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