Seit Tagen versuche ich, mich an den Vornamen einer Cousine zu erinnern, mit der ich schon als Kind spielte, wenn ich mal bei der Tante in der SBZ war, wie das Ding ja auch mal genannt wurde. – Das war gestern. Ich kam nicht weiter, blätterte vergeblich in einer Publikation des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen von 1961 mit dem Titel “SBZ von 1955 bis 1958” (eine Chronologie dessen, was man politisch usw. für relevant hielt – von “Terrorurteilen” über Handelsabkommen” bis hin zum Tode von Johannes R. Becher und Literaturpreis für A. Zweig – immerhin 572 Seiten), Kaufdatum Mai 1975, also wahrscheinlich der Wolfsburger Flohmarkt auf dem Rathausplatz. Stempel der “Lehrerbücherei Fallersleben” (mittlerweile wolfsburgmäßig eingemeindet). Heinrich Hoffmann läßt grüßen. So steht das hier als Kuriosum herum.
Aber der Name ist mir mittlerweile eingefallen, dennoch muß ich der “Monika” ein wahrscheinlich voranstellen: Verwechslungsgefahr mit einer späteren Stiefschwester gleichen Namens, die mich ein bißchen anturnte, aber verheiratet war, sich dann aber trennte und einen anderen heiratete, der denselben Vornamen hatte wie ich. Aber die lebte in Celle. Und so hängt das eben an den Weihnachtsbaumsynapsen eines wie immer selektiven Gedächtnisses.
Dennoch dachte ich in den letzten Tagen nicht umsonst an diese meine Cousine. Wir waren zu deren Konfirmation (sic!) in der SBZ geladen. Ich erinnere mich an eine nagelneue Hose, die ich, der etwas ältere schon, trug. Ich glaub’, ich würde heute denken: sie sah zum Kotzen aus. Spielte ins Violett hinein. Nur eben: die blöden Nähte an den Innenseiten der Oberschenkel! Das rieb ständig, fing irgendwann an, auch richtig wehzutun. Aber ich hatte keine andere Hose dabei. Und so schwellte eben das: die Haut. Sofern jetzt die einzelnen Fetzen zusammenstimmen, die mir Memory präsentiert.
Den Raum habe ich noch vor mir, in dem der Fernseher stand. Die Familie war groß, man war da nie allein. Eher schon West- als Ostfernsehen. Und weil es ein Samstag war in einer Zeit, in der es mir kaum gelang, auf den Beat Club mit Uschi Nerke zu verzichten, bat ich darum, die Sendung einstellen zu dürfen. Und es geschah.
Und dann wurde diese Welt plötzlich von Led Zeppelin mit “What a whole lotta love” beschallt in einer sehr psychedelischen Aufmachung. Und ich dachte, als dieser Umstand mir wieder einfiel (und auch noch anderes, was ich hier aber lieber nicht schreibe), daß die ganze Rockmusik von damals doch etwas zu tun hat mit dem, was aus den Béart-Gedichten herausklingt. Was dann tatsächlich auch in gewisser Weise zugegeben wurde per E-Mail.
Immerhin war ja mein Alter Ego im Pluralis in einer Rundmail gefragt worden, ob ich so denke, wie Sabine Scho. Und so ging das diese Tage durch meine Tage als Nebenfaden, dem ansonsten die Hauptfäden fehlten, denn die hingen nur lose herum, verwunderten sich über dunkle Punkte auf der Bauchdecke, haderten mit der schon erwähnten schweigenden Agentur, ärgerten sich über einen miesen apulischen Wein, der ihn schlafen ließ bis in die Puppen und erst mit dem Kaffee nach dem Mittagessen verflog. Das Sprechen der Kartenspielerinnen in der Garage schräg unten, gelegentlich ein Geräusch von Dingen im Rücken, die eher als unanimiert zu bezeichnen wären. Und also gehört es wohl ins Tagebuch.
Die Frage nach dem, wen man erreichen wolle, stellte sich mir nicht, schrieb ich. Ich wüßte auch nicht, wer das sein könnte. Muß man wohl dem Autor überlassen. Der muß es für sich abnicken. Die Formfrage ist dabei durchaus eine Selbstlegitimation. Das kann ich gut verstehen und auch irgendwie nachvollziehen. Was im Text selbst steht, entsprach aber nicht meiner Erfahrung und Wahrnehmung. Auch vermittelt er keine Anhaltspunkte für ein Mitempfinden. Um das herzustellen, müßte er sich mehr im Vagen bewegen.
Gestern zufällig wieder in ZT von AS gelesen – 578 ml:
(‘KÜNSTLER’ solltn sich nie um ‘Frauen’ kümmern; (höchStnS um Seirenen & Musen: GUTZKOW))
Schien mir ins Thema zu passen, von wegen “Ungeheuer Muse”. Kümmer’ mich ja selber kaum noch drum, abgesehen mal von denen, die ich als “simpatetiche” bezeichne (Plural). An anderer Stelle bei FB meinte Sabine Scho (ich such’s jetzt nicht extra raus), es sei besser, “ich” zu sagen, statt “man” oder generisch “es”. Weil sinngemäß “ich” die Erfahrung vereinzelt und sie in eine Reihe von Einzelerfahrungen stellt. Stimmt.
Dennoch scheint mir das alles ein “Quark” zu sein. Wenn Butter sich vom Denken trennt, sei sicher, daß das Haus bald brennt.
Jedenfalls sehe ich in den gegenseitigen Reaktionen (indirekt und direkt) viel Trotz und Trutz (Abwehrhaltung gegen Abwehrhaltung). Für mich selbst möchte ich das nicht zugeben. Der Text läßt mich Abstand nehmen, vermag aber in den größeren Kontext sich hineinzuhangeln, den ich ja nun meine zu kennen, und mit dem umzugehen ich mittlerweile gelernt habe. Etwa auch, daß einfach “ich” zu sagen, in den “Bamberger Elegien” nicht funktionieren würde, hinter denen sich eine Art Lehrgedicht verbirgt wie beispielsweise Lukrez “Von der Natur der Dinge”.
Fazit: Wir treffen uns nie in unseren Einzelerfahrungen. Aber wir dürfen darüber sprechen. Und dürfen auch denken, daß unser atomistisches Denken dennoch zu einem Ganzen sich fügt. Ich weiß, ich habe jetzt den Friedensnobelpreis verdient. Evviva Avenidas!
Und wenn ich sagte: “So empfindet man das”, meint so ein “man” nie die Allgemeinheit, sondern das sich im Ich verallgemeinernde Es.
Gehörte eigentlich unter diesen Beitrag, aber da es zum Tagesgeschehen gehört, steht’s hier.
Archaisch war der Teufel, und hightech zugleich (Martina Hefter)