A u f l a d u n g, ja! Aber immer zur Erde zurückbinden, e r d e n, was sich weglösen will. Nicht vergeistigen! sondern das Konkretum allezeit im Blick haben und nennen: die realen Orte sowie auch und gerade die chemische Physis, Anatomie, Physiologie, Bewegung und Schöpfung der Zellen. Der Geist als ein Ausdruck des Körpers.
(…)
die wir durchtreten dem Meer sogar gleich ins
Rot des verheißenen dreiunddreißiggelenkigen Lands
männlicher Sehn|süchte, deren Sehnen uns Männer
achtundzwanzigfach fest|bindet wie Proton, das Erste,
τὸ πρῶτον*, doch ἡ πρῶτη**, Protona die um sie
kreisenden Drohnen gleich Sternenhaufen ums schwarze
Zentrum der Origines du monde, oh der योनि*** orphisches Dunkel,
das uns empfängt und entläßt und entläßt uns doch nie,
die, die uns formte, bis wir zu atmen bereit warn, da शक्ति****
„Die Fahrkarten bitte!“ die Füße vom Sitz nimmt,
leicht in der Taille | aufgerichtet gedreht, ihre Zeitung
legt sie zu Seite, nach dem Computerausdruck fingert,
um ihn der Bahnkontrolleurin zu reichen, die ihn,
nachdem sie die bahncard kurz ansah, schon scannt
(…)
Und später:
(…)
jenseits der Zugfenster hier, hinter denen die Welt,
anderer Zeit | gleichend, die sie auch war, an uns vorbeiglitt,
anderer Welt, nicht mehr die unsere, bis sie am Fahrtziel
es wieder würd, neu durch die Schleuse des Bahnhofs betreten,
die sie von uns aller Entrückungen Hingabe wüsche,
Deiner wie meiner, dem mir in der Hand, zu dem mir die Augen
während des Fahrens geworden, nur noch Dein Fersendruck bliebe
und eine Spur Deines Hautduftes, weil sich die Poren geöffnet
hatten, vertraulich erregt, als Dich mein Blick wie die Hand,
ihrerzeits in dem Lokal, b a r g und Du abermals seufztest,
Seufzen des Atems nicht, n e i n, epiderm: fersenauf Wind,
der bis zum Nacken die Haut, eilend, wie zitternd, durchböt,
versauf, Béart, parasympathikotones****** Erzucken,
spastisch beinahe, der Zehen Beuger und Zieher, momenthaft,
da meine Augen am höchsten Punkte des Ristes verharrten
(…)
(Béart XXIII, Entwürfe)
[* to prōton, ** hê prōtê, *** Yoni, **** Shakti.
Zu *****: “Interessanterweise ist nun die erste
Phase der sexuellen Erregung (…) parasympathisch
gesteuert, während die Schärfe & Geilheit, der Orgasmus
und Samenerguß sympathikoton zustande kommen
und abgefeuert werden.”
Wolfgang Rost, Elixiere des Lebens,
2. Auflage 2001 (Springer)]
Schon immer an Lukrez gedacht hierbei und auch bei den Bamberger Elegien, ohne daß ich denk’, es sei wirklich schlüssig, was du oben schreibst:
“Schließlich siehst du vieles, dem Farbe mitsamt und Geschmack sind
worden verliehen mit Duft, vor allem meistens die Früchte;
die müssen denn bestehen aus unterschiedlichen Formen;
Duft dringt nämlich dort, wo Farbe nicht geht, in die Glieder,
ebenso schlüpft Farbe für sich, für sich der Geschmack auch
ein in die Sinne; so daß du erkennst sie getrennt in Atomform.
Füglich kommen unähnliche Formen zusammen in eine
Ballung und die Dinge bestehn aus verbundenem Sinne.”
Lukrez, Welt aus Atomen (De rerum natura, Zweites Buch), ü Karl Büchner
@Bruno Lampe:
Na jà, “Schlüssigkeit”. Es werden doch, jedenfalls in den beiden Auszügen oben, keine tatsächlichen Sachverhalte behauptet, anders als in Lukrez’ deutlich lehrhaftem Text. Sondern es werden Fantasien erzählt, die die Betrachtung der Füße in dem Erzähler auslösen. Konkrete Behauptung ist das reale Geschehen, in dem sie sich ereignen: die entkleidet übereinandergelegten Füße der Gangnachbarin, die 28 Knochen und 33 Gelenke des Fußgerüstes, die Steuerung durch den Sympathikus erster Erregung (hier durch den gespürten Blick) usw.; sogar der Ausflug ins Kosmische ist konkret: Viele Galaxien, auch die unsere, drehen sich um ein sogenanntes “Schwarzes Loch”, das ich hier mit dem Atomkern vergleiche.
Behauptet ist allenfalls das uns Männer, also in dieser Mehrzahl; ich weiß aber, daß ich mit der Bewunderung des Frauenfußes durchaus nicht allein stehe; eine ganze Industrie lebt davon – was sie von ausschließlich mir mit Gewißheit nicht könnte.
Dennoch finde ich den Hinweis auf Lukrez überaus interessant. Danke dafür. Offenbar weist Du auf ein weiteres Lektüreversäumnis, das ich nachholen sollte.
Lukrez ist tatsächlich ein höchst reichhaltiger Hinweis. Es gibt eine mehr als lohnenswert neue Übersetzung von DE RERUM NATURA, von Klaus Binder, der bei seiner Arbeit an Stephen Greenblatts Buch über Lukrez feststellte, dass keine der vorliegenden deutschen Übersetzungen für ihn Schönheit und inhaltliche Raffinesse des Originals zufriedenstellend wiedergibt. Also machte er sich selbst an die Arbeit. Das Ergebnis ist sehr zu empfehlen.
Viel dringlicher empfehle ich Ihnen aber auch eine (Wieder?)-Lektüre von Klaus Theweleit. Also beginnend mit den “Männerphantasien” Band 1 (Frauen, Fluten, Körper, Geschichte) und Band 2 (Männerkörper) – in beiden werden Sie sich selbst fast auf jeder Seite wiederfinden – und dann dringend die 3 Bände von “Buch der Könige” (1. Orpheus und Eurydike, 2. Orpheus am Machtpol und 3. Recording Angels Mysteries). Besonders diese 3. Bücher handeln von den Mechanismen der ‘männlichen Kunstproduktion’ und der Rolle, die den Frauen darin zugewiesen wird. (Etwa über die Zerstückelung von Frauenkörpern, die Sie hier mit Ihren Béart-Gedichten ja massiv betreiben). Lesen Sie Theweleit! Vermutlich werden Sie dabei Ihr ganzes lebenslanges Schreiben erstmals zu verstehen beginnen.
Ich wünsche es Ihnen.
@Jobst:
“Zerstückelung” scheint mir inofern kein angemessener Begriff zu sein, als es sich hier vielmehr um Konzentration auf einen Körperteil handelt und auch erzählt wird, wie dessen – nur durch den Blick – Liebkosung in den ganzen übrigen Körper ausstrahlt; es ist also nichts Sezierendes dabei, im Gegenteil etwa, grad wenn ich, was ebenfalls geschieht, die Nebenchakren und ihre Wirkung auf andere Körperzentren miterzähle. Tatsächlich geht es um Liebkosung, und zwar eine, die den gesamten Körper dieser Frau berührt- und damit ihre Seele, aber eben gerade in der Konzentration auf den “erdnahsten” Teil. Die Konzentration, in diesem Fall auf die Füße, ist eine Form der ars armorum – genau das Gegenteil des Sezierens.
Ach so: Und Theweleit ist ein Denker, nicht Dichter. Und dieser muß sich nicht etwas erklären lassen, das er dann hinterher poetisch umsetzt. Wenn Theweleit gewissermaßen bestätigt, was in den Gedichten geschieht, dann ist das in Ordnung, klar, aber nicht ich muß es mir von ihm (oder einem anderen Denker/einer anderen Denkerin) bestätigen lassen. Die Interpretation folgt, nicht etwa geht sie voran.
Erklärt der Mann! Tatsache bleibt, dass die Frau – als Person – nicht vorkommt.
Wie heißt es doch bei Brecht? “Mir genügt ein kleiner Teil von ihr.”
PS: Theweleit nicht vergessen!
Vorkommen tut sie schon, aber in seinem Blick. Es wird auch ihre Reaktion erzählt: wie sie den Blick einerseits spürbar genießt, aber den Mann zugleich auf Distanz hält, >>>> sich behütet:
nur noch verknüpft mit der Zwillings|schwester, dem ruhenden linken,
vorher gestreichelten Fuß, dessen Zehen vielleicht noch erschöpft sind
oder des andern Vergnügen, als Vorlust, sich wünscht, deren Vollendung
gar nicht erstrebt ist Das wissen wir beide, die Frau ganz wie ich
sondern Verzögern und Reiz und ein nächstes Verzögern: Behagen
mehr drum als tatsächlich Wollust, wie Kätzinnen schnurrend sich dehnen,
wenn wir ihnen den Bauch | streicheln, sie windend sich rollen,
dann aber urplötzlich zu|schlagen, bevor das Behagen
Hingabe wird, Überwältigstein also, – / — / (-)
Wichtig ist zudem, daß es mir vor allem auf Schönheit ankommt, und auf Innigkeit; Erkenntnis spielt eine weitaus weniger wichtige Rolle. Hier kommt die Assoziation “Lehrgedicht” an ihre Grenze. Ergibt sie sich, Erkenntnis, begibt sich also ein “Wahres”, dann ist das prima, aber nicht notwendigerweise erstrebt. Am ehesten wollte ich mein Verfahren mit dem eines Skulpteurs vergleichen; deshalb auch gleich zu Anfang der Hinweis auf den “göttlichen Zeh” – dem nämlich zweiten, über den großen Zeh hinausragenden nahezu aller antiken Göttinnenstatuen, von denen der entsprechende Fußtypos eben griechisch genannt wird. Auch ihm, dem Skulpteur, würde man wohl nicht vorwerfen, daß er “seziere”. Vielmehr erblickt er in seinem einen Gegenstand den gesamten Kosmos. Versenkung – dichterische Beschreibung – wird zum Mantra. Aber mein Postulat behält im Blick, daß es sich um einen Stein handelt, den wir bearbeiten, also künstlerisch aufladen: mithin um – Materie.
Nebenbei bemerkt: Es zerstückeln nicht die Sänger die Mänaden, sondern diese sie.
Sicher, das ist Orpheus’ Ende. Aber da sind wir ja noch nicht. Wir sind ja noch bei Ihrem Abstieg in den Hades. Sie sind ja noch bestrebt, Eurydike (stückchenweise) wieder ins Leben zurückzudichten. Natürlich wissen Sie schon, dass es nicht gelingen wird. Schauen wir mal, was danach passiert, wenn Orpheus begreift, dass er nur Schatten beschworen hat.
Dann kommen die sieben Tage, von denen Ovid dichtet:
… “Der Fährmann
Weißt ihn zurück. Und dennoch, er sitzt am Ufer noch sieben
Tage, beschmutzt und trauernd, die Gabe der Ceres verschmähend:
Tränen sind ihm die Nahrung und Kummer und Schmerzen der Seele.
Warum die Mänaden Orpheus hernach zerreißen, wissen Sie das auch?
Er hat Dionysos gelästert. Wir* können auch sagen, er habe das getan, dem oben mein Postulat zu wehren sucht: v e rgeistigt. Genau deshalb singt sein abgeschlagener Kopf weiter, auf dem Meer bis Lesbos, bis der Besungene selbst, Apoll, ihn zu schweigen heißt.
*)
Bang verlangen wir nach einem Halte,
wir zu jungen manchmal für das Alte
und zu alt für das, was niemals war.
Wir, gerecht nur, wo wir dennoch preisen,
weil wir, ach, der Ast sind und das Eisen
und das Süße reifender Gefahr.
Orpheus-Sonette, XXIII
nein, da verwechseln Sie was. Weil, er sich (aus Enttäuschung?) von den Frauen abgewandt hat und die Liebe zu den Jünglingen proklamierte. Es heißt, er habe die Griechen die Knabenliebe gelehrt.
Sie müssen dazu nicht Rilke lesen. Lesen Sie Ovid! Lesen Sie den Mann, dem Augustus selbst (quasi) den Kopf abgeschlagen hat.
Na jà, der Kopf “funktionierte” in Tomis, wenn auch trauernd, in aller Schönheit weiter; allerdings lag der Ort seiner Relegatio von Lesbos auch ziemlich weit weg.
Was nun die Knabenliebe anbelangt, so werde ich dieser Zerstücklung also entgehen:
Hier und dort sind die Glieder verstreut. Haut aber und Leier
fängst du, Hebrus, im Strom, und während sie mitten dahintreibt,
da – oh Wunder . erhebt wie klagend die Leier, und klagend
lallt die entseelete Zung, und klagend erwidern die Ufer.
Elftes Buch, Verse 51 – 54
Meine Klage vielmehr, in den Béartgedichten, sieht der Mänaden Ende voraus (was des Orpheus’ Verse damals noch nicht konnten):
Während sie suchet den Fuß und suchet die Zehen und Nägel,
sieht sie gedeihenden Stamm die gerundeten Waden ersetzen.
Jetzo den Schenkel bemüht mit jammernder Rechter zu geißeln,
trifft mit dem Schlage sie Holz. In Holz geht über der Busen;
auch für die Schultern ist Holz, und man möchte für wirkliche Äste
hallten, und irrete nicht, die langhin ragenden Arme.
ebda., Verse 79 – 84
dtsch.v. Reinhart Suchier, Leipzig 1971
@ Jobst – @ anh
… da habe ich doch gestutzt heute, als ich hier nach langer zeit den vornamen wieder gelesen habe, bei dem mich fälschlich mancher lehrer schuljahrelang anzusprechen pflegte. kurzer gedanke an lappenschleusen, hinauf- und hinuntergeladenes, vielleicht ein jekyll-&-hyde-phänomen…?
aber hätte dieses andere Ich, gesetzt denn…, wirklich solche thesen über theweleit und anh aufgestellt, wenn es mit dem meinigen irgendetwas zu tun hätte: nein, mein lieber falscher-fast-namensvetter: Sie liegen meines erachtens falsch. kennen wahrscheinlich die frauenfiguren aus der anderswelt-trilogie nicht, die sich a priori und in ihrer entwicklung über das epos hinweg nicht mit den schubladen-frauen vertrügen, deren stereotype ausprägung in den imaginationen der meisten(?) männer theweleit, zugegeben: genial, untersucht hat. von den männlichen männerphantasien zu schweigen: da steigt thew. ja so weit in die corps- und landser-folklore hinab, wie es seinem unterfangen angemessen ist, wie es aber auch mich bei der lektüre leidlich abgestoßen hat. (weswegen ich, nebenbei, auch mit jünger, ernst, nie wirklich etwas anfangen konnte, jenseits einer professionellen würdigung.) anh hat diese -phantasien auch drin, in den totalitären verläufen der anderswelt-weststadt etwa, wo sie in Rikbert v. Eidelbeck ja auch ihre deutliche historische referenz zeigen. überhaupt ist in ungefugger das „reine“ des reinen mannestums ja auf eine spitze getrieben, wo es sich die eigene – buchstäblich – bricht.
Die béart-gedichte, wie ich sie bisher kenne, sollen aber spitzen und das spitzen als körperliches jeder entsinnlichung, deren poetische Metapher ungefugger ja war, die es aber realiter allenthalben gibt (correctness lässt grüßen), entgegensetzen. das heißt: Sie, „jobst“, haben mit der „zerlegung“ der frau in den béart-gedichten schon einen punkt, doch (1.) entspricht das einer liebeslyrischen tradition seit petrarca, dem petrarkismus und schon seinen Vorgängern im sizilischen hochmittelalter, (2.) muss ja der zyklus insgesamt als Kunstwerk gelesen werden. und es ist wohl möglich, dass – dem bereits “zerlegenden” titel zum trotze – dann, wenig anders als in petrarcas „canzoniere“, plötzlich die frau gar nicht mehr „zerlegt“ erscheint, sondern geheiligt, über-lebens-groß, als nie erreichbares Objekt einer poetisch realisierten liebe, die sich auf diese oder jene „realistische“ einzelperson eigentlich nicht mehr zurückbeziehen lässt.
dies in aller schnelle und auf den schreck, kurz an meiner sog. identität nagende zweifel verspürt zu haben.
– einen aufruf zur lektüre ovids kann ich allerdings immer und überall unterstützen.
A.
Ein starkes Wort, mein lieber Alk.
Der Herbst wird es begrüßen.
Das könnte ihm, wie ich ihn kenn,
Das Leben wohl versüßen.
ich habe zwar noch nie geglaubt, dass correctness zur entsinnlichung führt, denn das hieße ja andererseits, dass alles inkorrekte gleich schon sinnlich sei. bei dieser logik fehlt mir aber einiges und so empfinde ich es selbst eher selten. aber, seis drum. es geht mir auch eher darum, dass ich denke, es fehlt mir hier eher mal an sinnlichkeit, weil schon alles gleich literatur sein soll, der starke formwille, das korrekte dabei ja schlechthin! wenn ich einen anlass für sinnlichkeit habe, wie z b den guia gerade hier im pantanal, dann tauchen bei mir zuerst vielleicht eher fragen auf, fragen danach, wo kommt er her, wie lebt er? was führte ihn her? dann fällt mir seine ruhige, sanfte art auf. aber zu allererst tauchen eben ganz viele fragen auf, an so eine langwimprige erscheinung, die so viele vogelstimmen imitieren kann und die die ganzen vögel erkennt von weitem und die selbst dieser ungeheuer schönen vogewelt anzugehören scheint. vielleicht ist das eine echte gabe, dafür gleich verse zu finden, vielleicht ist aber genau das auch gerade eine art schnellpetrifizierung und vielleicht verdiente der gegenstand viel zaghaftere literarische annäherungen, um am leben zu bleiben? das sind fragen, die ich mir selber stelle.
@ xo:
ich habe zwar noch nie geglaubt, dass correctness zur entsinnlichung führt, denn das hieße ja andererseits, dass alles inkorrekte gleich schon sinnlich sei.
der glaube sei Ihnen unbenommen. allerdings stimmt Ihre logik nicht: die umkehrung “alles inkorrekte ist sinnlich” würde nur dann gelten, wenn es nur diese beiden attribute gäbe und sie sich notwendig gegenseitig ausschlössen. so scharf habe ich es aber gar nicht gemeint; ich hätte statt correctness auch “bitterfelder weg”, “neue neue sachlichkeit”, “primat der vernunft” oder “staatsdichtertum” schreiben können. meine also all das, was in der literaturgeschichte aus vor allem zerebralen motiven heraus aussortiert hat, was geht und was nicht geht. da ist von TABUS noch nicht mal die rede. wohlgemerkt: mir geht es um die literatur, nichts sonst. was menschen außerhalb von ihr mit ihrer sinnlichkeit machen oder nicht, das ist ihre Sache und geht mich nichts an.
es grüßt – dank jobst – der Alk, der ja auch ein vogel ist und hier gern mit-regen-pfeift.
“hier im Pantanal” (nur zu Erklärung des Beispiels):
Xo hält sich, aus naturpoetischen Forschungsgründen, derzeit >>>> dort auf.
Zum Argument:
Bei der Betrachtung des Frauenfußes in dem Gedicht geht es – unabhängig von dem Fakt, daß es kein Fußpaar gibt, das nicht, wie der Fingerabdruck, ein-, also zweimalig wäre – eben nicht um einen speziellen, der nur der Frau eigen ist, die dort betrachtet wird, sondern um die Näherung an ein Ideal. Genau deshalb können Fragen wie die nach Charakter und persönlicher Eigenart und Erfahrung des Guias hier nicht vorkommen; sie führten vom “Gegenstand” eben weg. Das Kreisen um diese zwei Füße versucht vielmehr, der vitruvianischen Wohlgestalt nahezukommen, aber hier nicht des Menschen, sondern des weiblichen Fußes allein – wobei mir bewußt ist, daß es außer der Größe zwischen weiblichem und männlichem de facto keinen anatomischen Unterschied gibt; dennoch empfinde ich es deutlich anders. Damit ist es für mich wahr, und das Gedicht aber fragt: weshalb?
Schönheit ist erst einmal eine Bestimmung der Proportionen, damit mathematisch, damit – F o r m. Dies ist der Grund für die, bei Lyrik besonders, Nähe zur Musik, die sich als klingende Mathematik verstehen läßt, vielleicht sogar so verstanden werden muß. Unter dieser Perspektive wäre ein Gedicht ohne Formwille keines. Für Prosa-als-Dichtung gilt das genauso, nicht hingegen, dies zugestanden, für jede Form der Literatur, da es auch Literaturen gibt, die nicht Kunst, ja nicht einmal Kunsthandwerk sind, sondern funktional allein auf Zwecke gerichtet, zu unterhalten, abzulenken, zu lehren usw. (“Starker Formwille”, übrigens, ist eine Tautologie; ein schwacher Formwille wäre wie ein bißchen schwanger).
(Mit der Unterscheidung von Kunst und Kunsthandwerk, verbinde ich erst einmal gar keine Wertung; jede Goldschmiedin, jeder Goldschmied zeigt uns, wie nah an der Form das Handwerk ist und wie, in deren Fall, gleichfalls auf Schönheit gerichtet. Bei der Kunst kommt nur etwas, sagen wir, “Drittes” hinzu, dessen Erreichen wir eventuell nicht wirklich in der Hand haben. Auch dieses aber steht auf der Form. Sie ist und bleibt conditio sine qua non.)
sollte ich als komponist fliessendes wasser musikalisch darstellen wollen, oder vielleicht wind in gräsern, was wollen sie da noch von formwillen reden.
wobei es vermutlich so etwas wie formgefühle geben muss.
synästhetisch wird visuell wahrnehmbares sehr wohl funktional durch z.b. rhythmische strukturalitäten dargestellt ansonsten verfehle ich nämlich meine thematiken.
das grosse problem für lyrik, die wenig sprechplatz antriggert.
ich will ja eben nicht nur die wörter ‘fliessendes wasser’ lesen, ich will das wasser fliessen fühlen.
das ist dann aber auch die arbeit, von der so gut wie kein literat anscheinend weiss oder wissen muss aus tradition vermutlich.
da muss halt irgendwie was besser klingen als das poem der klassenbesten im leistungskurs deutsch.
oder irgendwie wie vor wie vielen schlechteren jahren auch immer.
völlig uninteressant.
genauso wie der schwachsinn musik und mathematik oder gar und
schönheit.
@”fleischleser”:
“rhythmische struktur(alität)en” – “alität’ schmerzt – sind mathematische Folgen. Im übrigen sollte, wer anderen Schwachsinn vorwirft, vielleicht mal zuerst seinen Spiegel konsultieren.
na also für ein gedicht brauch ich wahrscheinlich erstmal ein thema.
so.
und dann die verpackung aus der formenkiste.
( die soll vielleicht mit hebungen und senkungen sowas wie mathe sein, also irgendwie mathe-kindergarten – okey )
so.
und da muss dann das thema rein, sagen wir mal die schönheit.
genau, in die kindergartenmathematik.
ach so, der fuss.
der idealfuss.
okey, das fussideal.
goldener schnitt, fussnägel goldig lackiert und so spitz wie möglich krallig geschnitten.
ein paar takte musik dazu, machmers exotisch :
5/4 takt.
die zählzeit.
77 bpm
so und jetzt zum quintenzirkel.
am ende ne jazzige 2-5-1 verbindung.
fettig.
ab zum schminkspiegel und gödels unvollständigkeitssätzen.
*kichert schamlos
ja naja gut – ansichten-mathemathik oder gefühls-mathematik – ich vermisse konditionierte herdenästhetikbegriffe irgendwie nicht wirklich und bin eher kryptiker.
mich interessiert schönheit kaum noch, mir geht es eher darum etwas interessant zu finden, ungewöhnlich.
nix für ungut
las grad mal in sloterdjiks libretto ‘babylon’ rein und alsbald flugs wieder raus.
( äussere ) form irgendwie rechtwinklig streng ermüdend langweilig und da muss irgendwie eine innere form rein, sag mal, sie wird geopfert.
weder zeitkritisch noch formkritisch.
hohle gymnasialschülerlibrettofantasie
da finde ich Ihre hexameter ja noch gut so im vergleich.
das ist vielleicht mein problem. ich erlebe die welt als extrem divers und nicht als eine, die idealbilder erschafft, keine griechischen, keine römischen, keine arischen, keine hautfarbigen, eben in keinster weise ‘maß-geblich’. wir unterhielten uns hier gestern abend über die vielen volksstämme mit ihren eigenen sprachen, es gibt eigenarten der region, jeder region, ich hab keine je als häßlich empfunden. man kommt zudem ja gar nicht um formung herum, sobald man etwas ausdrückt, wählt man, mehr oder weniger bewusst, eine form dafür. ob das dann ein gedicht ist, oder nicht, interessiert mich eher marginal, ich spreche auch eher von gebundener rede, mein vorletzter band war kurzprosa mit einigen mitteln der lyrik, vor allem sounderzeugenden, aber ein vogel formt auch sein lied, durch nachahmung sowohl als auch durch eigene collagierung. es ist wohl die frage danach, woran man lernt. deutschland hat eine sehr akademische tradition, was literaturerzeugung jenseits der unterhaltungsliteratur angeht. das ist in anderen ländern anders. wo es manchmal autodidaktischer zugeht. wir haben ja fast alle ein uni von innen gesehen, das prägt ja auch, nicht immer nur zum guten, wenn ich sehe, woraus man ja noch schöpfen könnte, aber da ist deutschland noch lange nicht. guimaraes rosa vermittelt etwas davon, dieser geist ist zu spüren, dieser wunsch nach ablegen wollen der ideale, dieser wunsch dem nachzuspüren, was dieses land ausmacht, durch beobachtung. ich habe das gefühl, ich lerne, bem devagar, und abschütteln kann und will ich ja auch gar nicht, was ich von der dichtung weiß, aber ich denke, man kann mehr wissen, viel mehr, und viel intuitiver, was dichtung alles sein kann, wie man lernt, wenn man auf ein pferd steigt, dass man mit diesem wesen kooperieren muss und dass dieses wesen von dem gelände manchmal mehr weiß, als man selbst und man ihm vertrauen sollte. und ob das alles noch literatur ist, oder etwas anderes, ist mir dabei erst mal nicht wichtig, davon zu schreiben, schon.
@ Xo:
Das finde ich so “legitim” wie nachvollziehbar. Allerdings, ich selbst bin von “der Uni” poetisch überhaupt nicht geprägt, sondern mich treiben weiterhin zum Teil allerfrühste, jedenfalls jugendliche Lektüreerfahrungen an.
Zum mich anfüllenden Primat der Form nur noch folgendes epigrammhafte Gedicht aus der Zeit der Bamberger Elegien:
Die Wiederkehr des Reims, der Formen
bricht wie ihr Bruch vorher die
Normen.
(Steht in Der Engel Ordnungen).
Den Eindruck der Diversität teile ich übrigens. Dennoch gibt es etwas Gemeinsames bestimmter Dinge und Erscheinung, etwas, das sie vereint, zusammenbindet; anders wäre es zur Idee des Ideals auch gar nicht gekommen. Zudem ist auch der Formenkanon der Natur ein endlicher, in Variation freilich bringt sie immer und immer wieder nicht gleiche, aber höchst ähnliche Formen hervor. Wobei sich die Schönheitsideale der Kulturen unterscheiden, keine Frage, aber innerhalb historisch gewachsener Kulturräume ausgesprochen gleichen und eben auch wirken. Es sind Prägungen. Weshalb, wenn sie mich bereichern, soll ich sie nicht besingen, Schönheit in eben nicht nur “meinem” Empfinden? – Wo mich Prägungen behindern, allerdings, attackiere ich sie – etwa das monotheistisch-patriarchale Primat des Geistes gegenüber dem Körper.
ich erinnere hier auch ganz stark die frühen malick filme, den schmalen grat, badlands, aber auch new world, der, teilweise ins shakespeares versen verfasst ist, die starke form und der wunsch danach, sie zu verlassen, können sehr eng beieinander liegen. aber vor allem der schmale grat lebt hier, wobei der krieg, der hier geführt wird, einer gegen die gier ist. vor allem der schmale grat steht mir hier vor augen und privat witt hat einen doppelgänger ganz anderer hautfarbe hier, aber sehr ähnlicher gesinnung.