Bücher hatte ich schon gekauft (wann kommt man schon in deutsche Buchhandlungen) und auch den Rückmarsch mit immer noch wadenlastigen Algien (nicht Algerien) auch schon angetreten (schon – schon – die Sätze schonen). Da kam endlich die vor Stunden eingeforderte SMS (“Bist du schon angekommen?”). Er sitze im Zug, und man könne sich in einer Stunde vor dem Stephansdom treffen.
Wie man manchmal ganz Ohr ist, wurde ich nun ganz Uhr, nicht gerade als Stundenzeiger (was ist dem schon eine Stunde) rund um das Zentrum der Uhr, den Stephansdom, den der Touristenzulauf unaufhörlich taktete. Ein unaufhörlicher Zeitzustrom. Als die Stunde um war, in der ich außerdem dauernd auf Neuankömmlinge achtete, die als Erkennungsmerkmal eventuell das am Telefon genannte Buch bei sich trugen, das aber dann doch niemand trug, kam statt seiner ein Anruf: es habe Probleme gegeben: in einer dreiviertel Stunde. Als ginge die Zeit zurück wie auf einer der Uhren in der Villa Massimo. Alles noch mal von vorne also.
Es sei der Stephansdom, ließ sich eine junge Frau mit Mann und Kind belehren, dem ersten christlichen Märtyrer geweiht, während ich dann doch noch einen freien Platz auf einem der Bänke gegenüber gefunden. Als ich jetzt nach der Todesart des Märtyrers suchte, fand ich ein “gesteinigt”. Die gesteinigte Zeit.
Dann bimmelte es, das Handy, mit dem ich ausnahmsweise herumlaufen mußte (sonst bleibt es brav zu Hause liegen). Er sei vorm Portal. Zunächst war er nicht zu sehen, bis ich mich halb umdrehte. Und wir einander finalement einrasteten (“Anderes Wort für Ruhigwerden, für die Ruhe: einrasten” – Handke). Einrasten als das richtige Wort, wenngleich in einem anderen Sinnzusammenhang als bei Handke. Sowas dauert natürlich und braucht seine Öle, und mit øl fing’s tatsächlich an.
… So komm! daß wir das Offene schauen,
Daß ein Eigenes wir suchen, so weit es auch ist.
Fest bleibt Eins; es sei um Mittag oder es gehe
Bis in die Mitternacht, immer bestehet ein Maas,
Allen gemein, doch jeglichem auch ist eignes beschieden,
Dahin gehet und kommt jeder, wohin er es kann.
(Hölderlin, Brod und Wein)
Diese Möglichkeit uns geben, und schauen, wem denn das Denkmal gewidmet sei in der Fußgängerzone noch vor der Pestsäule. Auf nichts anderes als auf “Kein Trinkwasser” wiesen alle Inschriften hin. Ein schlichtes Kein-Trinkwasser-Denkmal.
Wir aßen und tranken und lasen (uns) und kommentierten (uns) und (uns) lesend und (uns) kommentierend erzählten wir (uns). Und stieben spät erst auseinander, ein jeder in seinem Taxi, in entgegengesetzte Richtungen. Morgen würde man sich wiedersehen.
Je ne peins pas l’être, je peins le passage. Montaigne
Je peins le passage. Raymond Prunier (celui que j’ai rencontré).
III, 424 – Fish, still out of water (Wien I)