III, 460 – Weichbilder

Was besonders auffällt in den hiesigen Gassen: Die älteren Frauen (Witwen?), die sonst — mal die mal die mal die immer eine oder die immer zwei — vorm Tabakladen, gegenwärtig waren und ein höfliches Grüßen allemal erheischten, das gleichsam (“das gleichsam streichen!” – Handke, Bildverlust, 395) bzw. das ein kurzes Lächeln bedingte von der Art: Wir haben uns schon oft gesehen und erkennen uns wieder, auch wenn wir nichts voneinander wissen. — Sie sind verschwunden aus dem “Weichbild” der Gassen. Möglich, daß Angehörige sie angefleht haben, nicht mehr sich im öffentlichen Raum blicken zu lassen oder überhaupt dort zu verkehren.
Zaghaft seit langem heute wieder zur Weinkellerei Zanchi. Vorheriger Anruf mit der Frage, ob sie denn in diesen Zeiten wie üblich funktioniere. Was bejaht wurde. Und ich druckte brav, wie auch gestern schon, als ich zur Post ging (dort eine aus Einzelpunkten bestehende Schlange, die keiner geraden Linie entsprach, sondern eher auf Zuruf funktionierte: “Wer ist der letzte?”) meine Eigenerklärung mit den nötigen Angaben. Indes hat es noch niemals Kontrollen gegeben.
Auch die Weinkellerei hatte ihre Vorkehrungen getroffen. Der Eingang war mit einem Tisch versperrt, darauf ein Behältnis mit der schriftlichen Aufforderung, dort hinein das Geld oder die Kreditkarte zu legen. Die übliche Samstagsfrau trug eine weiße Gesichtsmaske. Ich selber auch, neulich im Tabakladen gekauft. Ob ich das sei, der heute morgen angerufen habe, fragte sie. Was ich als sozusagen Stammkunde durchaus bejahen konnte. — Ich legte das abgezählte Geld in den Behälter. Sie legte den Bon dito in den Behälter. Alles berührungslos.
Auch sonst die Beobachtung, daß die meisten Leute auch Ex-und-Hopp-Handschuhe tragen. Habe ich aber nicht.
Schauen auf die Reben des Weinbergs: es fängt an zu sprießen. Und tatsächlich in dunstiger Ferne die doch noch Schnee tragenden Flanken des Terminillo, dem im Winter gänzlich schneeverwaisten.
In die üblichen Weiten des Alltags wehte eine Todesnachricht. Ein Schulkamerad aus Dorfschulzeiten (grad mal einen Monat älter als ich) sei gestorben. Aber wohl nicht am Virus. Er hatte sich schon seit Jahren (Jahrzehnten? (zwei ist Plural… aber ich weiß nicht mehr, wann mein letzter Besuch stattfand)) wegen der Folgen eines Schlaganfalls total zurückgezogen: eine Art Selbstisolation. Er blieb dennoch im Gespräch bei meinen letzten Schützenfestbesuchen im Dorf: “Weißt du noch?”.
Er sei im Wolfsburger Krankenhaus gestorben. Allein. Da derzeit dort keine Besucher hereinlasse würden. Unter anderem: Nierenversagen.
Der vorgehabte diesjährige Schützenfestbesuch wird wohl ausbleiben müssen.
Und überhaupt alles Aus- und Einreisen. Auch wenn ich dafür wäre, es dennoch zu tun, aber es bleibt eine Unverantwortlichkeit. Beispiel: Nachbarort Giove: Man hat dort im Supermarkt versäumt, den Fall einer Mitarbeiterin zu melden und den Betrieb wie üblich fortgeführt … so kamen dann andere Fälle noch und noch. Und es entstanden zwischen den verschiedenen Bürgermeistern Zäune wie diese (oder wie in Ungarn oder sonstwo, was Flüchtlinge oder sonstwie “queere” (ich mag das Wort nicht) Menschen betrifft):

15.15 Uhr: Zwei Absperrungen halten Paare an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz in Konstanz am Bodensee auf Abstand. Auf Schweizer Seite sei ein zweiter Zaun aufgestellt worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Dort stehen nun zwei Drahtgitterzäune, wie man sie von Baustellenabsperrungen kennt – zwischen ihnen ist ein etwa zwei Meter breiter Abstand.

Auf dem Platz dann doch andere freundliche Gesichter. Aber man hält rigoros Abstand. Der Himmel bleibt blau.

 

Und Sant’Agostino is a miracle of yellow.

 

 

 

III, 495 – Es hat geschneit

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