Ukraine-Dialoge VI: Bersarin/ANH (1). Darin unter anderem auch zu, auf ukrainischer Seite, rassistisch-nationalistischen „Kämpfern“ mit Deckung der Regierung.

[Nachgetragen, da → anderes vordringlich wurde.
Siehe auch → in Aisthesis heute.[1]Bersarin spiele mit dem Gedanken, die NATO massiv eingreifen zu lassen, aber ohne Hoheitskennzeichnung der Kombattanten. Der verlinkte Text ist meine Entgegnung.
ANH, 4. März]

Sonntag, 27. 2. 2022 | 1.43 Uhr

Bersarin
Auch das ist eine Möglichkeit: Partisanenwiderstand aus ganz Europa:

Sonntag, 27. 2. 2022 | 6.52 Uhr

ANH
In ganz Europa, denke ich, nicht. A u s ganz Europa aber vielleicht und in der Ukraine ziemlich gewiß. Vorausgesetzt, es kommt nicht wirklich zum europäischen Flächenkrieg. Sollte Finnland jetzt in die NATO gehen oder sollte es sogar die Ukraine[2]Anträge haben  jetzt auch Georgien und Moldawien gestellt; saugefährlich in der jetzigen Situation. ANH 4.3.22 tun, hätten wir ja den Bündnisfall. Dann wird man nirgendwo von einem Guerillakrieg mehr sprechen können, da ohnedies erst einmal die Bombengeschwader ausrücken würden. Die ersten drei Ziele: Berlin, London, Paris. (Ein Europa der Regionen wäre weniger schnell verwundbar.)

Bersarin
Ich denke, daß zumindest die Ukraine nicht in die NATO kommen wird, weil die NATO nach ihren Statuten keine Länder aufnimmt, die in aktuelle Konflikte verwickelt sind – so meine ich gelesen zu haben. Aber es könnte mit diesem Krieg gegen die Ukraine immerhin ein Zeichen gesetzt werden, daß solche Annektionen eines Landes mit einer demokratisch gewählten Regierung und eines Landes, das souverän ist nicht durchgeht.

ANH
Es ist denkbar, die Statuten zu ändern, wäre aber in diesem Fall nicht klug, weil wir dann sofort a l l e im Krieg wären – und was für einem, haben → Sie ja selbst geschrieben. Problematischer, weil sehr schnell konkret, könnte es im „Falle“ Finnlands sein. Daß, solange die Nato sich nicht militärisch rührt, also gegen Rußland, auch das Baltikum derzeit in Gefahr ist, glaube ich nicht; doch ist dies in der Tat ein Glauben. – Seltsam, übrigens, daß ich bei „russischer Föderation“ immer automatisch an die „Föderation der Vereinten Planeten“ denken muß, Raumschiff Enterprise. Diese Föderation hat sich Frieden und Kooperation ja auf die Fahnen geschrieben. Welch ein Kontrast zu Rußland – und eben nicht nur jetzt erst. Wobei friedliche Koexistenz auch bei der Planetenföderation tatsächlich ja nie richtig geklappt hat.

Montag, 28. 2. 2022 | 11.23 Uhr

ANH
Lieber Bersarin, ich würde gerne auch mit unseren Ukraine-Dialogen machen, was ich vorhin >>>> mit Kaleb Utechts gemacht habe.Wären Sie einverstanden? Die Links würde ich dann aber nicht auf Facebook, sondern auf Ihre eigene Site legen.

Bersarin
Lieber Herr Herbst, sehr gerne. Und ich würde auch, sofern Sie gestatten und diese Form ausführen wollen, meine Antwort nochmal überarbeiten. Es sei denn, es soll so wie es ist, publiziert werden. Aber auf alle Fälle können Sie es wie Sie mögen publizieren-

ANH
Nein nein, wenn Sie überarbeiten mögen, tun Sie das. Denm Text würde ich eh erst morgen einstellen, für heute ist der jetzige und am Abend ein weiterrr Dialog vorgesehen, der auch schon für Die Dschungel formatiert ist. – Haben Sie in dem Utecht-Dialog (Dschungel, nur dort) meine letzte Bemerkung gelwesen? Das mit dem → Regiment Asow ist in der Tat furchtbar – weil es Putins „Entnazifizierung“ rechtfertigt, auch wenn es „nur“ um eine rassistische Mördertruppe von 2500 Mann geht. Doch sie „handelt“ in ukrainischem Auftrag. Ich habe es in Der Dschungel verlinkt.

Bersarin
Ich habe es bereits gesehen. Nennen muß man es in der Presse, weil es ansonsten wieder zur Kritik kommt, es werden Dinge verschwiegen. Allerdings sollen meines Wissens auch auf der russischen Seite im Donbas neonazistische Organisationen mitmischen. Andererseits denke ich eben auch, daß die Ukraine sich in einer solchen Lage nicht die Position eines Rechtsstaates wie in Deutschland (mit all seinen Tücken freilich ebenfalls) wird leisten können. Vor allem da, wo jeder Mann, jede Frau gebraucht wird. Was freilich nicht rechtfertigt, → mit Nazis zu kollaborieren.[3]Auch als PDF: Rechtsextremismus_ Polizei in Deutschland warnt Rechtsextremene vor Ausreise _ ZEIT ONLINE

ANH
Ja, es ist heikel, sehr heikel. Und ich denke mal. daß die Presse diesen Trupp aus ähnichem Grund verschweigt, wie sie sich Ewigkeiten zu schreiben gesperrt hat, daß hinter manchen Übergiffen auf Frauen muslimische Flüchtlinge steckten. Es geht nicht um Wahrheiten, sondern darum, die öffentliche Meinung manipulativ zu lenken, weil man z.B. kein weiteres Erstarken der AfD will. Was ich verstehen kann, aber als Rechtfertigung nicht akzeptiere.

Bersarin
Sehe ich ganz genau so. Gerade auch im Blick auf Übergriffe. Aber ich denke, daß das ein großer Fehler ist und den Leuten am Ende auf die Füße fällt. Denn Probleme, die man nicht benennt, verschwinden ja nicht, sondern sie brödeln unterschwellig. Bis es aufbricht und das fliegt einem dann meist um die Ohren

ANH
Eben. Dieselbe Dynamik, wie sie in Freuds Konzepz der Verdrängung wirkt. Das Unheil kommt an komplett unerwarteter Stelle wieder hervor – aber so, daß man in aller Regel es gar nicht mehr auf die Ursache zurückführen kann, es sei denn durch die Psychoanalyse.

Bersarin
Das ist eine gute Parallele. Das Manifestwerden des Latenten, der Einbruch des Verdrängten in die Realität und Wirklichkeit unserer Lebensverhältnisse – sei das gesellschaftlich oder im Individuum.

***

[Siehe auch → in Aisthesis heute.]

 

References

References
1 Bersarin spiele mit dem Gedanken, die NATO massiv eingreifen zu lassen, aber ohne Hoheitskennzeichnung der Kombattanten. Der verlinkte Text ist meine Entgegnung.
2 Anträge haben  jetzt auch Georgien und Moldawien gestellt; saugefährlich in der jetzigen Situation. ANH 4.3.22
3 Auch als PDF: Rechtsextremismus_ Polizei in Deutschland warnt Rechtsextremene vor Ausreise _ ZEIT ONLINE

20 thoughts on “Ukraine-Dialoge VI: Bersarin/ANH (1). Darin unter anderem auch zu, auf ukrainischer Seite, rassistisch-nationalistischen „Kämpfern“ mit Deckung der Regierung.

  1. Ja, wir müssen alle mit den Zähnen knirschen, denn Schwarz-Weiß geht in den gegebenen Komplexitäten schon lange nicht mehr. Wer hat vor kurzem geschrieben „wir werden uns die Hände schmutzig machen müssen“? Wahr. Weiße Ritter in naiver Unschuld gab es ohne-hin nie – selbst wenn sie für die „guten“ Ziele kämpften.

    Daher mache ich es mir seit jeher sehr einfach: Was sind meine core values? Welche meiner Werte sind noch disponabel, welche sind „unverkäuflich“? Das muß mir klar sein. So ergeben ich Rangreihen. Die von der UN (und von unserem bewundernswerten Grundgesetz) formulierten „Menschenrechte“ sind für mich die Basis – der Rest ist logisch, ja beinahe technisch ableitbar. Basisbeispiel: Im Begriff „Menschenrechte“ steckt „Mensch“. Mithin gelten Menschenrechte, so man sie ernst nimmt, auch für Herrn Putin. Zähneknirschen allerorten. Dennoch: Weg mit der Kalaschnikow-Phantasie (kann nicht mal einer den erschießen?) und hin zur Handlungsanleitung, die uns die Menschenrechte vorgeben. Denn wenn wir auf Menschenrechte pochen, uns aber zugleich Sonderregeln für einzelne Arschlöcher ausdenken, sind unsere Menschenrechte nichts mehr wert. – Was wir dann individuell tun und dafür hoffentlich auch die Verantwortung übernehmen, steht auf einem anderen Blatt. Aber administrativ, politisch, juristisch und philosophisch haben wir uns an die Regeln der Menschenrechte zu halten – sonst können wir die UN-Charta, DenHaag und alle unsere guten Vorsätze gleich im Orkus versenken. Glaubwürdigkeit perdu.

    Und wie wende nun ICH das an, wenn ich weiß, daß auf Ukrainischer Seite auch gestrige Nationalisten und moderne Faschisten kämpfen? Ich habe die innere Rangreihe meiner inneren Werte. Freiheit und Souveränität etc. der Ukrainer und Ukrainerinnen sind durch diesen Angriffskrieg bedroht. Sie dürfen (müssen?) sich mithin wehren. Und sie müssen keine Gesinnungsprüfung unter ihren Verteidigern vornehmen und jene vom Kriegsdienst abhalten, die keine guten Demokraten sind. – Ja, ich erwarte auch Kriegsverbrechen auf ukrainischer Seite. Ich kenne keinen Krieg, in den es auf einer Seite nur „Gute“ gab. Ich erwarte nicht, daß Offiziere und zivile Führer das übergreifend abwenden können. Das wird geahndet werden müssen, möglichst unmittelbar, spätestens danach. Herr Klitschko sagt sehr richtig, „es ist kompliziert“. Und ich bin sicher, er wird JEDEN Kämpfer nehmen, der seine Stadt mit ihm verteidigt – egal mit welcher Weltanschauung. Das verstehe ich.

    Unser globales Problem ist, daß wir die Untaten der guten Kämpfe immer unter den Teppich kehren wollen. Menschenrecht konsequent umzusetzen bedeutete auch, selbstkritisch zu reflektieren und zu sanktionieren. Das kommt auch mir zu kurz, geschieht viel zu wenig – zumal bei Siegern.

    Dennoch: Trotz all der bekannten Unzulänglichkeiten ist es nicht hinnehmbar, daß ein Staat über die Souveränität eines anderen Staates ungebeten verfügen will. *) Denn damit Menschen frei ihre Menschenrechte ausüben können, bedarf es einer Infrastruktur, die ihnen dies ermöglicht. Diese Infrastruktur wird gerade angegriffen und muß verteidigt werden. – DAS ist meine innere Rangreihe.

    Ich bitte also darum, daß die allfälligen Bedenken bezüglich restaurativer, revisionistischer sowie faschistischer Verteidiger zunächst hintan gestellt werden. Derzeit kann man sich nicht den „Luxus“ erlauben, Lösungsenergie in dieses Problem zu investieren. Darum wird sich die Ukraine später kümmern müssen.

    Ehre der Ukraine

    *) Wenn ich dies schreibe, vergesse ich nicht unseren großen Bruder USA, der sich erheblich in die Souveränität anderer Staaten einmischte / einmischt. Vietnam, Guatemala, Chile, Nicaragua, Iran, Irak… Aber wir stellen keine stabile Balance her, wenn wir die begangenen Unrechte versuchen, gegeneinander aufzuwiegen.

    1. Prinzipiell bin ich einverstanden, in Einzelpunkten nicht. Zu letzterem gehört z.B. eine Erschießung Putins (oder sonst eine Form von Attentat – um etwa an den → Stauffenbergkreis zu erinnern), in deren Folge Heinrich von Kleists Haltung anzuwenden wäre, also die des → Prinzen von Homburg, wobei ich denke, auch hier käme es zu Kleists in preußischem Sinn utopische-heilsamem Ende. Es ist in diesem Fall auch eine Werte- mithin Rechteabwägung. Dem Verlust der Menschenrechte von Millionen, wenn nicht Millarden, nämlich durch Vernichtung in einem Atomkrieg steht der Verlust der Menschenrechte eines einzelnen Menschen gegenüber. Meiner tiefen Überzeugung nach macht sich schuldig, wer diese Abwägung nicht vornimmt. Wie mit dem, ich bleibe mal dabei, Attentäter umzugehen ist, ob im kleistschen oder einem anderen Sinn, wird Aufgabe in diesem Fall der Völkergerichtshof sein.
      Etwas anderes sind faschistische, rassistische Kämpfer, die sich im übrigen durch eine ganz besondere Brutalität auszeichnen, siehe das Regiment Asow, auf das interessanterweise, so oft ich es nenne, Reaktionen hier komplett ausgeblieben bin, von oben Bersarin abgesehen. Dieses Regiment unterstand bereits vor dem jetzigen Krieg der ukrainischen Regierung und wurde vorwiegend im Donbass eingesetzt. Daneben gibt es aber noch → weitere rassistische Verbände, die mehr oder minder direkt dem ukrainischen Innenministerium unterstehen und ebenfalls bereits vor diesem Krieg unterstellt waren. Auch das ist oben schon verlinkt.
      Doch selbst, wäre dem nicht so, würde ich auf keinen Fall mit Faschisten zusammen kämpfen und mich auch im Falle, daß Kriegsrecht anwendbar wäre, jeder Einberufung widersetzen. Und selbstverständlich, und zwar mit großem Stolz, die Kosequenzen tragen. Ich hätte neben der Wahrung meiner innersten Überzeugung auch das Wissen, als Vater ein Vorbild, eben in politischen Zusammenhängen, gewesen zu sein.

      Übrigens habe ich → dort am Ende heute auch geschrieben, was solch ein Attentat für uns selber bedeute.

    2. @Kaleb Utecht

      Das sind sehr bedenkenswerte und gute Überlegungen, auf die ich in einigen Aspekten antworten möchte:

      „Mithin gelten Menschenrechte, so man sie ernst nimmt, auch für Herrn Putin. Zähneknirschen allerorten. Dennoch: Weg mit der Kalaschnikow-Phantasie (kann nicht mal einer den erschießen?) und hin zur Handlungsanleitung, die uns die Menschenrechte vorgeben.“

      Dieses scheinbare Dilemma läßt sich auflösen: Putin hätte die Chance sich zu stellen und damit den Menschenrechten zur Geltung zu verhelfen. Er hätte dann eine Chance auf ein faires Verfahren vor einem internationalen Strafgerichtshof. Oder er beendet, nachdem man ihm die Konsequenzen seines Einmarsches deutlich gemacht hat, diese Okkupation. Es ist zwar bereits viel Schlimmes passiert, aber noch läßt es sich stoppen, ohne daß es ein jahrelanger Krieg wie in Syrien wird. Hier hätte er vielleicht sogar eine Chance, als Staatsmann noch weiter zu wirken, wenngleich das Vertrauen dahin ist. Stellt sich Putin nicht, muß, eben im Sinne der Durchsetzung der Menschenrechte, die ja auch für andere und nicht nur für Herrn Putin gelten, im Sinne eines Notwehrrechts auch zu schärferen Mitteln gegriffen werden. Ich glaube, Camus hat diese Frage in seinem Caligula-Drama auch verhandelt. Und das ist immer auch eine Güterabwägung. Der Straftäter, der Mörder wird ja auch eingesperrt und das Widerspricht den Freiheitsrechten und dennoch ist solches Einsperren rechtens, weil hier ein höheres Rechtsgut in Anschlag gebracht wird und Recht eben auch Strafe vorsieht. Details werden vermutlich Juristen oder Rechtsphilosophen beisteuern können. Ich bin keiner, ich bin nur ein armer Ästhetiker mit Hang zu Weißwein und lebenslustigen Frauen, die ich in meiner Phantasie begehren kann. Aber zurück zur Welt.

      „Unser globales Problem ist, daß wir die Untaten der guten Kämpfe immer unter den Teppich kehren wollen. Menschenrecht konsequent umzusetzen bedeutete auch, selbstkritisch zu reflektieren und zu sanktionieren. Das kommt auch mir zu kurz, geschieht viel zu wenig – zumal bei Siegern.“

      Einerseits. Andererseits gibt es im Krieg immer Dinge, die schlimm sind und ein Verteidiger hat mehr Rechte als ein Angreifer – was freilich nicht bedeutet, daß Willkür herrscht. Was sagen wir im WWII zu den russischen und auch amerikanischen Soldaten, die Frauen vergewaltigten? Was bedeutet die Bombardierung von Dresden 1945 und die schreckliche Operation Gomorra 1943 in Hamburg? Coventry, Warschau, Rotterdam wird da zu recht entgegnet. Aber rechtfertigt das eine das andere? Ja und nein. Ein wenig ist es in solchen Dingen wie bei Kleist:

      „Eine Lustjagd, wie wenn Schützen
      Auf die Spur dem Wolfe sitzen!
      Schlagt ihn tot! das Weltgericht
      Fragt euch nach den Gründen nicht!“
      (Kleist, Germania an ihre Kinder)

      Boris Vian hat im übrigen im Zuge des Zweiten Weltkriegs in einem seiner Theaterstücke einen solchen umfassenden Pazifismus künstlerisch eingefordert und dargestellt: bei der Landung in der Normandie fangen die Soldaten an, ihre Uniformen zu tauschen. Das ist sicherlich ein sympathischer Gedanken, aber er ist eben etwas für die künstlerische Phantasie und wird im Leben an den Tücken und Messern des Realen zerschellen. Gegen Hitler hilft kein Pazifismus, es sei denn es würden alle tun und sie würden sagen, wenn der Führer Befehle brüllt: „Nööö!“ Nur eben: so sind Menschen nicht. Sie sind nicht einmal so, daß, wenn sie auf der richtigen Seite stehen, sie nichts Böses tun. Und die Situation in der Ukraine ist ohne Frage kompliziert. Daß die Ukraine einfach nur das Reich des Guten wäre, ist eine naive Vorstellung. Aber das ändert nichts daran, daß niemand, wirklich niemand das Recht hat, ein souveränes Land zu überfallen – zumal ohne jeglichen Grund.

      „Wenn ich dies schreibe, vergesse ich nicht unseren großen Bruder USA, der sich erheblich in die Souveränität anderer Staaten einmischte / einmischt.“

      Richtig. Aber: Unterschiedliche Situationen und unterschiedliche Hinsichten sind auch unterschiedlich zu behandeln. Ein Aspekt, der dabei in Betracht gezogen werden muß, ist die Situation des Kalten Krieges vor 1989 sowie der Einfluß der UdSSR und deren Unterstützung von Regimen/“Befreiungsbewegungen“, die am Ende eher moskautreu agierten. Insofern ist hier der konkrete Fall immer im Blick zu haben. Insofern halte ich diese Vergleiche auseinander und will sie schon gar nicht in der Debatte um den russischen Angriffskrieg dabei haben, zumal solche Hinweise in der Regel dazu dienen, eine Themenumlenkung zu betreiten und mittels Whataboutismus oder einer Form von Schiedsrichterfehlschluß eine Art Pattsituation zu erzeugen. Angriffskriege sind aber nicht gegeneinander aufrechenbar.

  2. Ich denke, ich bin nicht verstanden worden. Jedoch fehlt mir jetzt die Zeit. Ich werde das möglichst bald versuchen zu erhellen…

  3. Meine Haltung zu Euren bedenkenswerten Einlassungen wollte ich ja kurz vermitteln. Kurz ging nicht. Dieser Versuch einer Vermittlung meiner inneren Haltung zum Thema ist zweigeteilt – in „persönlich“ und in „sachlich“. Zuerst persönlich:

    Es gibt eine Moral über meiner Moral. Und die ist wohl biografisch geprägt.
    Ein Krieg bedroht zunächst immer die Leben der Angegriffenen. (Ja, auch die Leben der Angreifer, doch das soll hier erstmal nicht Thema sein.) Wenn mir als Zuschauer der Angegriffene (man verzeihe mir bitte das generische masculinum) „sympathisch“ ist, bin ich sofort im inneren Rollentausch mit ihm. Denn ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn mich jemand mit Mordabsicht angreift. Mich überkommt dann nicht allein reflexhafter Überlebenswille – ich bin zugleich seelisch extrem terrorisiert. Ich (wohl narzißtisch strukturiert) empfinde die Mordabsicht als äußerst erniedrigend, mißachtend, geradezu imperialistisch. Da negiert jemand meinen Wert, ich bin bloß eine Störung, die aus dem Weg geräumt werden soll, kein Mensch, kein Individuum. Das ist widerlich. Geradezu unaushaltbar. In meiner Empörung lasse ich meine Menschenrechtswerte für meine Verteidigung hintan stehen, ohne jedes Schuldgefühl. – Dies zum einen.
    Zum anderen hatte ich in meinem Leben das Glück(?), nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich Rücken an Rücken mich gegen kompromißlose körperliche Angriffe wehren zu müssen. Ehrlich – es war mir egal, daß der Mann hinter mir ein patriarchalisches Frauenbild, ein geradezu revisionistisches Bildungskonzept und eine faschistoide Haltung zum für ihn unnötigen Parlamentarismus hat. Er hielt mir den Rücken frei – und ich daher auch ihm. Wir kamen da raus und gingen unserer Wege.

    Diesen ersten Teil zur Erhellung meiner Haltung in unserer Kontroverse möchte ich kurz halten und hier beenden. Denn das ist mir im Grunde zu intim für öffentliche Debatten. Ich erwähne es, weil es mich wohl maßgeblich geprägt hat.

    Zugleich erwähne ich es auch, weil ich glaube, daß man einen Standpunkt wie den meinen (unbedingte Selbstverteidigung) dann respektieren und kooperativ diskutieren kann, wenn man sich seine eigene Todesangst angesichts eines eindeutig mordwollenden Angriffs intensiv vorstellt. Als narzißtischer Charakter halte ich existenzielle Bedrohungen schon darum nicht aus, weil sie für mich etwas extrem Erniedrigendes haben. In dem Zusammenhang ist mir schon klar, daß, trotz der Vielzahl psychotherapeutischer Supervisionen in meinem Leben, irgendwelche PTBS-Reste meine kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen könnten. Diese Feststellung soll jetzt keine Beißhemmungen hervorrufen, um mich aus Sozialkompetenz beim Widerreden besonders empathisch oder vorsichtig zu behandeln. Ich will damit lediglich meine Klarheit darüber signalisieren, die Weisheit nicht gepachtet zu haben, mithin offen für Kritik bleibe.

    Nun – zweitens – sachlich: Hier will ich versuchen, meine spezielle Einschätzung zur strategischen Dynamik des so genannten Ukraine-Konflikts zu vermitteln:

    Der Angriff stockt. Was für eine überraschende Kränkung für Putin! (Doch kein Grund zum Jubel.) Seit über 20 Jahren funktioniert seine Strategie blendend – wirtschaftliches und politisches Spalten des „Westens“, Desinformation und Fake News zur Indoktrination des eigenen Volks und sogar per RussiaToday bei uns, Revisionismus als Werteorientierung global erfolgreich verkaufen, wirtschaftliche Abhängigkeiten schaffen, Destabilisierung von Europa durch digitale Hacks und der Schaffung von Flüchtlingsströmen mit der Bombardierung ziviler Ziele in Syrien, ständig weiteres Übertreten und mithin Verschieben von „roten Linien“, auf das von uns Weicheiern keine adäquaten Antworten kamen (Wandel durch Handel – haha. Funktioniert ja auch mit China nicht), Legitimierung unmoralischer und schändlichster Kriegshandlungen allein mit dem militärischen Erfolg, Ausführen von Mordaufträgen in souveränen Staaten, zunehmende Gleichschaltung der russischen Medien, hab‘ ich was vergessen? Bestimmt. – Und nun plötzlich, im lang geplanten Kipppunkt zu endlich neuer globaler Bedeutung Russlands, doch kein Blitzkrieg, ach du meine Güte… Und – so eitel bin ich, dies zu behaupten – es ist ihm immer noch nicht klar, welchen gravieremden strategischen Fehler er gemacht hat. Denn in seiner Wahrnehmungswelt sind individueller Freiheitswille und demokratische Werte keine relevanten Einflußgrößen. Er spielt Schach mit Menschen und größeren Systemen (die allerdings auch wieder ärgerlicherweise aus Menschen bestehen). Er lebt im Glauben, die Wahrheit auf Dauer gepachtet zu haben; und vernachlässigt in seiner Verblendung schon die Möglichkeit anderer Wahrheiten. Das wird ihm auf die Füße fallen. Keine Ahnung, wann. Aber es wird geschehen. (Übrigens – obwohl ich ja versuche, ständig und tapfer systemisch zu denken – bin ich nicht mehr der Auffassung, daß dieser Krieg systemgetrieben ist. Dieser Krieg nützt ja nicht mal mehr der russischen Waffenindustrie. Er ist getrieben von einem einzelnen, selbstisolierten und beratungsresistenten, ärgerlicherweise operativ immer noch sehr mächtigen Mann.)

    Doch es wird sein Moment der Zwangs-Erkenntnis kommen.

    Das wird dann der gefährlichste Moment in dieser Geschichte sein. Dann wird er um sich schlagen… Dieser Moment KANN bereits ganz nah sein. Denn jetzt schon sagt uns die schiere Faktenlage, daß er – selbst bei einem militärischen Sieg – seine politischen Ziele nicht mehr erreichen wird, ja daß er das Gegenteil dessen herstellen wird, was er erreichen wollte. UND daß es keine dauerhafte Möglichkeit gibt, diesen Mißerfolg intern als Erfolg zu verkaufen. Jeder Militärstratege weiß, wie aufwändig es ist, als Besatzungsmacht die Résistance eines unwilligen „Volkes“ im Zaum zu halten. Eine solch große Besatzungsarmee wäre weder ideologisch zu kontrollieren noch zu bezahlen. Und diese Soldaten (und Soldatinnen?) – die zum Teil wohl noch gar nicht wissen, daß dies kein Manöver ist – haben Eltern, Kinder und Familien im Heimatland und werden kommunizieren…

    Kommt hinzu, daß unter Putin das russische System zwar in Militär, Spionage, Neo-Kolonialismus und Feudalkapitalismus investiert hat – aber nicht in eine modern produzierende Industriegesellschaft. Russland lebt in der Hauptsache wie eine Kolonialmacht des vorvorigen Jahrhunderts selbstausbeutend vom Verkauf seiner Bodenschätze, die mit ausländisch konstruierten Ausrüstungen gefördert werden. HighTech, Maschinenbau und Luxusgüter müssen weitgehend importiert werden. Seine Mittel sind auch begrenzter, als erwartet – zumal die klug angehäuften Haushaltsüberschüsse der letzten Jahrzehnte nun wenigstens zur Hälfte durch Sanktionen blockiert sind; das ist der „Nachteil“ von Buchgeld gegenüber Goldreserven.

    Das wirft Stöcke zwischen seine Speichen – ist aber mitnichten ein Grund für nur Jubel…

    Sollte die Ukraine lange genug standhalten, wird der Tag kommen, da werden all diese strategisch relevanten Fakten den ideologischen Wahrnehmungsfilter in Putins Gehirn überwinden. Und dann gnade uns Gott – denn das Zeitfenster bis zum erweiterten Suizid wird sehr klein sein. Meine einzige Hoffnung ist, daß es auch heute noch mehr als einen Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow in seiner Armee gibt; und daß ein schneller Volksaufstand ihn entmachtet. Denn nur Russland selbst kann Russland stoppen. *)

    Doch das wird nur geschehen können, wenn die Ukraine standhaft bleiben kann. Nur ihre Standhaftigkeit kann Auslöser einer Rettung sein. Je deutlicher Putins Soldaten den unbedingten Widerstand der Ukrainer und Ukrainerinnen erleben (UND deren Fairness im Sinne von Genfer Konvention und Haager Landkriegsordnung), desto größer ihr Mißtrauen in Propaganda-News, desto größer der Motivationsverlust der russischen Soldaten und Offiziere.

    Zwischen-Résumée: Für mich ist das in der Gesamtschau also erstens eine existenziell bedrohende Mordabsicht, die ich auch aus biografischen Gründen persönlich nehme. Ich aber will so lange weiterleben, bis ich meinen eigenen selbstbestimmten Tod sterben kann. Und zweitens erlebe ich, als den Menschenrechten verpflichteter Demokrat, hier tatsächlich ein zu bekämpfendes „evil empire“, wie der unsägliche Ronald Reagan das mal nannte. Die Hoffnung liegt schon im Begriff selbst: Denn Imperien haben einen Imperator. Das sind Sterbliche. Und insbesondere Imperatoren in derart maßgeschneiderten Imperien hinterlassen kein funktionsfähiges Imperium.

    Nun endlich zurück zu unserem kontroversen Thema, ob man mit Faschisten o.ä. gemeinsam kämpfen darf:
    Ja, in meinem Katastrophen-Szenario mit meinem Fazit schon: Die Lage ist global extrem gefährlich. Die politischen Führer der Ukraine wissen das mit Sicherheit. Da nähme ich als Ukrainer JEDEN Mitkämpfer ins Boot, der sich anbietet – und das hat mit dem Quatsch „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ nicht das Geringste zu tun. **) Mit meinen Faschisten setze ich mich später auseinander, wenn ich gesiegt haben werde. Denn es ist keine Option, jetzt nicht mit allen Ressourcen zu kämpfen, um den Russen zu ermöglichen, ihren großen Irrtum zu erkennen.

    Es lebe die Ukraine! Sie möge durchhalten. Sie kann unsere Welt retten. (Und jetzt bitte keine Pathos-Kritik. Ich meine das ernst.)

    – – – – – – – – – – – – – – – –
    *) Muß ich erwähnen, daß ein Eingreifen der militärisch überlegenen Nato Quatsch ist? Dann hätten wir in unmittelbarer Folge sowieso den globalen Holocaust als Antwort.
    **) Selbstverständlich muß unsere BRD dafür sorgen, daß keine „unserer“ aktenkundigen Faschisten als „Freiheitskämpfer“ in die Ukraine gelangen. Aber jeder der dort ist und kämpfen will, wird dort auch gebraucht.

    – – – – – – – – – – – – – – – –
    ps
    Diese Antwort habe ich unterwegs in vielen kleinen Momenten auf dem Laptop geklappert, jetzt zurück im heimischen WLAN kurz Korrektur gelesen. Und schon wieder habe ich keine Zeit mehr für ordentliche Redaktion – ich sehe die Schwächen und bitte um Anwendung einer „salvatorischen Klausel“. Denn der Text genügt dem literarischen Anspruch von „Dschungel-Anderswelt“ nicht – ich bitte um Verzeihung. Ich haue das jetzt raus, der Sache wegen, und bin dann wieder unterwegs mit anderem beschäftigt.

    1. „Nun endlich zurück zu unserem kontroversen Thema, ob man mit Faschisten o.ä. gemeinsam kämpfen darf:
      Ja, in meinem Katastrophen-Szenario mit meinem Fazit schon: Die Lage ist global extrem gefährlich. Die politischen Führer der Ukraine wissen das mit Sicherheit. Da nähme ich als Ukrainer JEDEN Mitkämpfer ins Boot, der sich anbietet – und das hat mit dem Quatsch „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ nicht das Geringste zu tun. **)“

      Das wäre ja eine Bestätigung von Putins Behauptung, es handelt sich um einen Kampf gegen Faschisten, so helfen Sie der „Ehre der Ukraine“ nicht, sorry, ich habe mal Ihre Kurzbiografie im Internet gelesen, Sie sind auch Therapeut bei Psychodramen? Unter vielen anderen Jobs und Qualifikaktionen selbstverständlich. Ich bin etwas irritiert, wenn ich Ihren Kommentar lese. bin schon wieder weg.
      Möge der Frieden der Welt erhalten bleiben.

      1. „so helfen Sie der „Ehre der Ukraine“ nicht“

        Wie denn dann? Und ich entschuldige mich für den Claim in Anführunsgzeichen, ich hatte ihn reflektionslos aus einem ukrainischen Aufruf übernommen. Ich wünsche mir FREIHEIT für die Ukraine! Sie soll LEBEN!

        Was würden Sie den tun, wenn IHR Leben bedroht wäre? Würden Sie die Hilfe eines „Faschisten“ ablehnen und lieber reinen Herzens sterben?

        Es gibt Situationen, in denen es keine moralisch ideale Vorgehensweise gibt. In unseren Versuchen, Idealisten zu sein, sollten wir erkennen, daß wir dazu hin und wieder auch Realisten sein müssen. Pointierter gesagt: Wenn wir uns davor ekeln, uns bei unseren Bestrebungen das Richtige zu tun, die Hände schmutzig zu machen, werden unsere ungleich schmutzigeren Gegner obsiegen.

        Was dann? WAS??

        1. Sie fragen mich etwas, was ich natürlich nicht beantworten kann. Ich hoffe sehr, nicht in die Hände von Faschisten zu geraten. Ob ich in diesem Fall so oder so handeln würde, da kann ja jeder das Blaue vom Himmel lügen, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich finde es völlig absurd, das Handeln einer einzigen Person mit einem Land zu vergleichen. Ein Land hat viele unterschiedliche Menschen, die in einer Wahl, sich für eine Regierung entscheiden, wenn es demokratisch zugeht, so dass diese an eine Verantwortung gerät, gut zu regieren, dass es dem Volk wohl ergehe. Jedes Volk hat eine eigene Regierung, die nicht für andere Völker verantwortlich ist.
          Meine gewählte Regierung hat versprochen, sich nicht an Kriegen anderer Völker zu beteiligen. Das ist sehr wichtig für Deutschland. Ich bin immer noch der Ansicht, dass Waffenlieferungen in die Ukraine ein schwerer Fehler waren und sind.
          Es handelt sich um einen Krieg Rußlands mit der Ukraine, wo im Hintergrund die USA Fäden zieht. Es droht der dritte Weltkrieg, der Untergang der gesamten Menschheit ist möglich.
          Deutschland trägt daran keine Schuld und sollte allenfalls versuchen, die Gewalt zu schlichten, vor allem einen Weltkrieg zu verhindern.
          Gut, wenn die deutschen Nazis nicht dorthin dürfen.

          1. Ja, franzsummer, das ist wohl „wahr“, bis auf (m.E.):

            „Deutschland trägt daran keine Schuld und sollte allenfalls versuchen, die Gewalt zu schlichten, vor allem einen Weltkrieg zu verhindern.“
            Natürlich haben wir daran mitgestrickt, Herrn Putin und „sein“ Russland derart zu ermächtigen, daß dieser seinen hobbyhistorischen Anspruch nun zu verwirklichen versucht: Unser Kleinmut, unser überzogenes (wirtschaftliches) Sicherheitsbedürfnis, unsere Konfliktscheu haben diese Ermächtigung mitbetrieben. Stattdessen wäre mir eine Werte-orientierte Außen- und Wirtschaftspolitik lieber gewesen, die keine wesentlichen Geschäfte mit dem despotischen Nachbarn gemacht hätte, keine wirtschaftlichen Abhängigkeiten zugelassen hätte. *) Ging aber nicht, da hätten wir ja den Gürtel enger schnallen müssen, hätten mehr in „unsichere“ (Energie-)Zukunft investieren müssen, statt in „sichere“ (haha) Versorgung. Wäre strategisch und moralisch richtiger gewesen. Die Pointe: Jetzt werden wir den Gürtel doch enger schnallen müssen. Das ist die Strafe für den Kleinmut.

            „schlichten“ sollten wir? Das ist in meinen Augen Energieverschwendung (davon haben wir nun bis auf weiteres ohnehin zu wenig ?), denn Herr Putin sch…t auf solche Bemühungen unsererseits. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist, die Ukraine p r a k t i s c h zu unterstützen – und sei es mit (Defensiv-)Waffen… UND vermehrt Wege zu finden, die russischen „Wähler“ mit korrekten Informationen zu versehen.

            Das wir uns einig sind über „Gut, wenn die deutschen Nazis nicht dorthin dürfen“ habe ich erwartet. Es gibt Schnittmengen und wir können respektvoll miteinander streiten. Dennoch erlaube ich mir die Gemeinheit, die Frage der Fragen „Was dann? WAS??“ Ihnen nochmals zu stellen. Mein Gefühl sagt mir – mit Verlaub – daß Sie sich dieser Frage nicht gerne stellen und daher alle Viere von sich strecken („Sie fragen mich etwas, was ich natürlich nicht beantworten kann“). Sie sind doch – nach allem, was ich bislang von Ihnen las – kein Pontius Pilatus. Bitte lassen Sie das Denken nicht aufhören an dieser Stelle! Denn die Antwort auf diese Frage wird unser aller Zukunft bestimmen.

            Es lebe die freie Ukraine!

            – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
            *) China wird deshalb unser nächster Stolperstein sein – keine werteorientierte Außen- und Wirtschaftspolitik, dieselbe Dynamik…

            1. Danke, Herr Kaleb, aber ihr Ansinnen, mir persönlich eine Schuld an Versagen einer Regierung einreden zu wollen, stößt auf taube Ohren, sorry, im wahrsten Sinne des Wortes auch ihr „psychologischer“ Deutungsversuch sagt eigentlich nur mehr über Sie aus, als über mich. Ich bin kein Pontius Pilatus, nie gewesen, sorry.
              Ich vertrete die Position dieses Gedichts:

              „Kriegslied (Matthias Claudius – 1778)

              ’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
              Und rede Du darein!
              ’s ist leider Krieg – und ich begehre,
              Nicht schuld daran zu sein!

              Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
              Und blutig, bleich und blaß,
              Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
              Und vor mir weinten, was?

              Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
              Verstümmelt und halb tot
              Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
              In ihrer Todesnot?

              Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
              So glücklich vor dem Krieg,
              Nun alle elend, alle arme Leute,
              Wehklagten über mich?

              Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
              Freund, Freund und Feind ins Grab
              Versammelten, und mir zu Ehren krähten
              Von einer Leich herab?

              Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
              Die könnten mich nicht freun!
              ’s ist leider Krieg – und ich begehre,
              Nicht schuld daran zu sein!“

              das darin benutzte Wörtchen „leider“ teile ich voll und ganz.

              1. Lieber franzsummer, es hilft nur unser Begehren, das gewiß ein „unser“ auch ist, ein f a s t „unser aller„, nicht. Wie ich heute morgen → auszuführen versucht habe. Alle, die am Wohlstand dieses Landes partizipiert haben (siehe Ergas und -öl aus Rußland), ich schließe mich ein, tragen Mitschuld. Auch an den Bombardierungen der ukrainischen Städte. So wie wir, wenn wir unseren Kaffee nicht fairtrade kaufen, Mitschuld an der Armut der südamerikanischen Kaffeepflücker tragen, der gegenüber die Armut unserer HartzIV-Empfängerinnen und -Empfänger ein paradiesischer Zustand ist. Usw.

                1. vielleicht hat ein höheres Wesen Schuld, das sich das alles ausgedacht hat. Doch, wenn dieses Wesen nicht existiert? Dann hat niemand Schuld. Im Jahre 2001 war ich das erste Mal in Kenia, damals traf ich einen österreichischen Unternehmer, der für Touristen Rundflüge anbot. Wir redeten lange, ich besonders über Moi, der eine Schreckensherrschaft ausübte, was die Welt nicht so interessierte, ich redete und redete, wie ungerecht die Welt ist, damals besonders eben in Kenia. Der Mann sah mich lange verwundert an, schließlich sagte er: „Jedes Land hat genau die Regierung, die es verdient.“
                  Ich glaube, er hatte Recht, aber ich mache keinen der Regierenden Ratschläge, wie sie endlich Lösungen finden für ihr Land, einen Frieden zu finden, die „historische Schuld“ die mein Land mit sich herum trägt, verbietet jede Einmischung. Es ist leider so und sich in Sack und Asche hüllen, ändert gar nichts.
                  Vielleicht sollte man mehr über Ursachen nachdenken, als über Schuld. Nun wissen wir alle, Putin ist kein lupenreiner Demokrat, allerdings schweigt man verdächtig über ukrainische Politiker, sie fordern so viel von der Welt, und die Welt soll sich schuldig fühlen, waren oder sind sie überhaupt lupenreine Demokraten?
                  Ehre, Freiheit und so was werden zu Phrasen, ebenfalls Schuld und Sühne, meine ich.

              2. Lieber franzsummer,
                wenn es psycho – logisch ist, zu vermuten, daß einer sich mit bestimmten Themen nicht so gern auseinandersetzen mag, kann dieser Eindruck sicher auch ohne akademisches Studium in einem Nicht-Psychologen entstehen. Ihre Antwort überzeugt mich noch nicht. Meine o.g. Vermutung einer Ausweichbewegung wird doch nicht dadurch entkräftet, daß sie „psychologisch“ ist und ich u.a. ein Psychologe… Oder? Und daß Sie sehr wahrscheinlich KEIN Pontius Pilatus sind, schrieb ich ja… Nun erfahre ich dennoch Zurückweisung, werde mit Matthias Claudius „totgeschlagen“, bekam jedenfalls keine Antwort auf meine Frage, keine Erhellung, schade…

                Claudius‘ und Ihr Wunsch ist auch der meine: Nicht schuld daran zu sein. Doch wenn ich nur eine Sekunde und nur ein bißchen erbarmungslos weiterdenke, muß ich erkennen: Ich bin es. Wir sind es. ANH hat in seiner Antwort konkrete Beispiele dazu genannt. Da muß ich nichts mehr drauflegen.

                Das ist die eine Art der Schuld – die, die einen durch Passivität oder zumindest per Gewährenlassen „überkommt“. Für die schäme ich mich manchmal, wenn sie mir wieder mal bewußt wird.

                Und dann gibt es noch die andere Schuld: Sie ergibt sich, wenn wir uns entscheiden, nicht tatenlos zu bleiben, wenn wir unsere Werte oder unsere Integrität als verletzt erleben. Das geht von ganz klein bis groß, von Interventiönchen bei der Kindererziehung über Notwehrhandeln bis zu Handlungen, die nicht mehr nur uns als Individuen in kleinen Systemen betreffen. Ab einem bestimmten Alter und des dazugehörigen Reflektionsgrades ist uns klar, daß sich ärgerlicherweise durchaus „Schuld“ in unseren Biografien findet. Denn unser Handeln in „Konflikten“ (und das beginnt schon bei Meinungsverschiedenheiten, ja bei Geschmacksdiskussionen) wird immer andere mehr oder weniger „verletzen“. Weil es eben keine ideale Moderation hin zum Konsens gibt. Das Paradies der Konfliktfreiheit und des harmonischen Ausgleichs ist eine Lüge. Wie mein Liebling H. Heine dichtet, „das Eiapopeia vom Himmel, mit dem man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lümmel“. Irgendwann zu Beginn meines zweiten Lebensdrittels wurde mir das klar; sehr ärgerlich. Doch dann wollte ich wenigstens das Heft halbwegs selbst in der Hand behalten und sehenden Auges Schuld auf mich laden.

                Das ist die andere Art von Schuld. Für die schäme ich mich nicht- wenn auch ich das eine oder andere „schamlos“ bereue und/oder deswegen mit den Zähnen knirsche.

                Nun habe ich Ihnen durchaus Intimes über mich erzählt – in der Hoffnung auf die Gegengabe eines inhaltsbasierten weiteren Streits zum Stein des Anstoßes.

                Daher traue ich mich nochmals zurück zur Ursprungsfrage, die mich umtreibt: WAS DANN? – Pazifismus hat mir nicht weitergeholfen, hat ja noch keinem weitergeholfen, der angegriffen wurde… Ich finde immer noch, daß Sie das Thema umschiffen.

                Ich bitte um Verzeihung für meine Penetranz.

                1. och, Sie müssen mich nicht um Verzeihung bitten, sind Sie grundsätzlich so ein bisschen masochistisch, sich überhaupt schuldig zu fühlen? Das kommt möglicherweise von einer christlichen Prägung, diese Leute haben ja sogar eine Erbschuld sich ausgedacht, womit aber auch jeder Mann und jede Frau, „gesegnet“ ist.
                  Tut mir leid, leugne ich für mich. In einem Krieg sind die schuldig, die aktiv sind, also schießen.
                  Die Pazifisten und auch Fatalisten überhaupt nicht, Sie werden mich nicht überzeugen, doch ich Sie auch nicht, dann bleiben Sie halt bei Ihren Schuldgefühlen, ich halte es mit Woody Allen, der mal so in etwa sagte, er glaube gern an ein ewiges Leben, aber es müsste in seinem Apartement stattfinden, wo er zu Hause ist.
                  Frieden der Welt und Krieg den Kriegstreibern.
                  Außerdem sind wir viel zu alt, noch mitmischen zu müssen, oder, demnächst haben Sie doch meine Stufe erreicht, wenn ich mich recht erinnere.
                  Also ich wünsche Ihnen ein friedliches Alter, ob mit oder ohne Penetranz. Wichtig ist niemand von uns, und das ist eigentlich auch gut so.

  4. So, so mit Faschisten setzen sie sich später auseinander, na dann, viel Freude damit, die werden sie nicht haben, mit Faschisten hat man keine Freude, man gewinnt mit denen Lumpen nicht einmal Kriege, aber jeder wie er will.

    1. „…viel Freude damit, die werden sie nicht haben, mit Faschisten hat man keine Freude…“

      Habe ich auch nicht behauptet. Habe auch das Gefühl, daß Sie mit Ihrer Belehrung gar keine Antwort erwarten. Ich wäre froh über ein Gegen-ARGUMENT, mit dem ich mich auseinandersetzen kann (wie oben bei franzsummer), auf das ich eine inhaltliche Antwort geben könnte…

      Und Vorsicht „mit denen Lumpen“. Das ist für mich Schwarz-Weiß-Ausgrenzungsvokabular. Ich kenne Menschen, die einst Faschisten waren, dann aber sich weiterentwickelt haben zu tatsächlich demokratischen Bundesbürgern. Nicht ohne Grund schreibe ich viel weiter oben, daß ich mich, etwas hochgestochen, als Verteidiger der definierten Menschenrechte erlebe. Da ich meine Positionen seit jeher eher militant vertrete und daher nicht selten in entsptrechende Konfrontationen gerate, weiß ich aus Erfahrung, wie schwierig es ist, die Menschenrechte eines Rechtsradikalen zu respektieren (der die meinen ja in der Regel nicht respektiert). Wissen das auch Sie? Oder werden diese „Lumpen“ späterhin auch zu „Wanzen“ und „Ungeziefer“, das mit Zyklon B zu behandeln ist? – Das war polemisch, ich weiß. Ich will Sie ja zum Nachdenken provozieren…

      1. Kaleb, das „provoziert“ nicht zum Nachdenken, sondern die psychische Abwehr. Wie Du sehr genau weißt. Schon das Idiom „zum Nachdenken provozieren“ ist eine Attacke. Im übrigen, um unser Gespräch wieder aufzunehmen, würde ich selbstverständlich an der Seite eines und/oder einer kämpfen, die oder der sich von der einst vertretenen, ich bleibe mal ungenau: „faschistischen“ Ideologie abgewendet hat, vielleicht sogar nachdrücklicher, als mit jemandem, die oder der mit ihr niemals in Berührung kam oder bloß „theoretisch“. Wobei ich lieber gar nicht kämpfte, also mit faktischen Totmachwaffen; mit anderen Mitteln aber schon. Wie ich’s seit jeher getan habe, der ich so wenig ein friedlicher Mensch bin wie Du.

        1. Mich erinnert das gerade an den Kinderladen, den ich mit anderen Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gegründet hatte. Hamburg-Altona, Belle-Alliance-Straße, Souterrain. Wie fleißig haben wir unseren Kindern eingetrichtert, dass sie ihre Konflikte bitte auf dem Wege der Kommunikation austragen sollten, mit Argumenten, dem anderen bitte zuhören müssten und immer so weiter. Leider haben unsere armen Kinder, sobald sie ihren Schutzraum Kinderladen verließen, draußen auf der Straße von den anwohnenden Kindern einfach was auf die Fresse gekriegt. Und zwar so schnell, dass sie gar nicht den Mund aufbekamen, um irgendwelche Argumente zu formulieren.
          Das Ergebnis sah so aus: Die Kinder, die zurückschlugen und von ihren Eltern auch die Erlaubnis dazu bekamen, blieben im Kinderladen. Alle anderen verließen ihn. Keine Ahnung, wo die geblieben sind. Möglich, dass die seither auf FB Blümchen posten.

        2. „Kaleb, das „provoziert“ nicht zum Nachdenken, sondern die psychische Abwehr.“

          Ich weiß, Alban. Ich war sauer über die Belehrung, die historisch unwahr ist (Franco) und zudem auch noch am Thema vorbei ging. Also habe ich möglichst kultiviert gegenbelehrt, ohne zu erkennen, daß ich eigentlich bloß zuschlagen wollte.

          Mir sind die Pferde durchgegangen. Ich bitte um Exkulpation.

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