Krieg als Kino. Die Sprache der Helden, 3, heute „glänzend“ im Tagesspiegel.

Auch so tönt die Sprache der Helden:

Nicht nur, daß der TAGESSPIEGEL sowas wirklich schreiben läßt, nein, er hebt es auch noch durch Fettdruck hervor. Da ist sie, → Anke Myrrhe, im Abschlußgruß an die Leser,  richtiggehend stolz:

Der Krieg ein großes Kino. Wer wollte d a nicht hinein?

***

Es ist dies aber nicht nur Geschmacklosigkeit sowie die Reduktion der Opfer auf Komparsen, sondern bedient – wissentlich oder unwissentlich – die Ontologie des Krieges:

Seit dem Ende des Kalten Krieges gedeiht in Amerika der quasireligiöse Nationalismus auch ohne einen „gottlosen“ Feind; es speist sich aus dem Krieg selbst. (…) Nach dem Kalten Krieg wurden in den Vereinigten Staaten Kriege – oder wenigstens „Interventionen“ – zur Standardkur für innenpolitische Probleme. George Bush entdeckte die revitalisierende Wirkung einer Militäraktion gleich am Anfang seiner Präsidentschaft (…). Zweieinhalb Jahre später entschloß er sich, angesichts der Rezession und sinkender Zustimmung in den Meinungsumfragen, auf die irakische Invasion in Kuweit mit der „Operation Wüstensturm“ zu reagieren (…). Noch am Vorabend der Feindseligkeiten war die Öffentlichkeit in der Frage, ob ein Krieg nötig sei, in zwei gleich große Lager gespalten, doch als das Töten begann, schnellte Bushs Beliebtheit auf über 90 Prozent – also in den sonst den Göttern vorbehaltenen Bereich.
Der Golfkrieg führte zu einem Ausbruch nationalistischer Religiosität, die – obschon durch die Kriegsberichtserstattung im Fernsehen eindeutig manipuliert – durchaus spontan und tief empfunden wirkte. (…) Vielleicht hat Toynbee recht, als er meinte, der Kapitalismus mit seinem „Krieg gegen alle“ wecke im Einzelnen nur um so größere Sehnsucht nach diesem Erlebnis des Einsseins. (…) Letzten Endes hat der Sozialismus im 20. Jahrhundert aus demselben Grund gegen den Nationalismus verloren wie die postaxialen Religionen: Kein Blutritual steht in seinem MIttelpunkt, kein erregendes Schauspiel, kein Blutopfer.
Ehrenreich[1]Sie schrieb das Vorwort zur englischsprachigen Ausgabe von Theweleits → Männerfantasien., → S. 270 – 273

Wir werden langsam eingestimmt:

Denn worauf haben uns die ganzen Jahrtausende der Kriegführung vorbereitet, wenn nicht auf diese letzte Entscheidungsschlacht, die es – noch einmal – gegen das Raubtier zu schlagen gilt?
Ehrenreich, S. 294

References

References
1 Sie schrieb das Vorwort zur englischsprachigen Ausgabe von Theweleits → Männerfantasien.

2 thoughts on “Krieg als Kino. Die Sprache der Helden, 3, heute „glänzend“ im Tagesspiegel.

  1. Religiosität und Krieg und Kino. Im Grunde fällt mir dazu spontan “Apocalypse Now” ein, Herz der Finsternis und Marlon Brando als Priester. Denn ich bin durchaus noch geprägt vom medialen und später fürs Kino ausgebeuteten Vietnam-Krieg (die Live-Übertragung damals von der Besetzung der US-Botschaft in Saigon), mit dem Fokus auf die dorthin gezwungenen jungen Männer, die als Helden niemals gezeichnet wurden. “Und die Heimat wird zum Kerker” – Günderrode, Sämtliche Werke, 1, 392. Spätere Kriege erfuhren medial kein solches Hippie-Echo, sondern blieben im Kino in Schuldfragen stecken. Mir ist keine cineastische Reflexion über die Sowjetunion in Afghanistan bekannt. Auch was den Korea-Krieg betrifft, muß man lange suchen. Was Kriegsfilme oft vermitteln: Kameradschaftlichkeit, was oft das berührende Moment für den Zuschauer herstellt. Zelensky scheint darauf anzuspielen. Wofür ich ihn nicht kritisiere. Aber “slava” ist ein problematisches Wort. Einst hielt ich es hoch in Bezug auf die sowjetische Armee, die dazu beigetragen hat, Nazideutschland zu zerstören. Aber die Beweggründe, die Putin anführt für seine “militärische Operation” sind nicht nachvollziehbar für mich. Seine gestrige Rede wendet sich gezielt gegen den Westen. Fast ein religiöses Paradigma: im Westen geht die Sonne unter, im Osten geht sie auf, und die Ukraine war dabei, sich dem Sonnenuntergang zu öffnen. Das wäre eine religiöse Denkweise, die der Inquisition und der Paranoia alle Türen öffnet. … so unvoreingenommen hingeworfene Gedanken…

    1. Auf dieses „Messianische“ bei Putin bin ich schon mehrmals zu sprechen gekommen, zuletzt → soeben; es ist genau dies, was einen Kriegseintritt der NATO so brandgefährlich macht; in Putins Absichtserklärung, im Fall aller Fälle als Märtyrer untergehen zu wollen, also in den Himmel zu kommen, derweil alle anderen „ausradiert“ würden, ist die ja auch anders bekannte Bereitschaft für einen Atomkrieg extrem enthalten. Deshalb läßt sich auch nur schwer rational erwägen, zu was er, Putin, fähig werde. Sätze wie von Yücel, wir würden ja dann sehen, wie weit er gehe, bzw. sogar, „ob er sich trau“´t“, sind von daher komplett sachblind. Das scharfe Problem besteht darin, daß es nicht rationalen Erwägungen, mithin nicht politischen folgt, sondern imgrunde fundamentalistisch-religiösen.

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