[Arbeitswohnung, 8.55 Uhr
France musique contemporaine:
Oscar Strasnoy, Sum pour orchestre]
Wie sinnvoll – ’sinnlich voll‘ – es war, den Ivanhoe, dessen Lektüre ich frühabends auf dem Helmi abschloß, parallel zu Shlomo Sand zu lesen, von dessen „Erfindung des jüdischen Volkes“ auch nur noch neunzig Seiten in mir aufzunehmen bleiben! Scott bebilderte geradezu, was Sand moniert, wobei ich Thackerays Unverständnis teile, aber nicht als poetologisches – Scotts Absicht ist mir klar –, sondern als ein — männliches[1]in altem Sinn, der eines „cis“ noch nicht bedürftig.:
My dear Rebecca, daughter of Isaac of Yoerk, has always, in my mind, been one of there; nor can I ever believe that such a woman, so admirable, so tender, so heroic, so beautiful, could disappear altogether before such another woman as Rowena, that vapid, flaxen-headed creature, who is, in my opinion. unworthy of Ivanhoe, and unworthy of her place as heroine. Had both of them got their rights, it ever seemed to me that Rebecca would hav had the husband, and Rowena would have gone off to a convent and shut herself up, where I, for one, would never have taken the trouble of inquiring for her.
But after all she married Ivanhoe.
So daß er fragt:
What is to be done?
Und über einer wahrlich wenig charmanten, gegenüber Rowena sogar höchst ausfälligen[2]Ich muß es geradezu „unbritisch“ nennen (Be)Schimpfkanonade, die sie, obwohl ein – allerdings sehr stolzes – Blondchen, nun wirklich nicht verdient hat —
And must the Desinherited Knight, (…) whose heart has been warmed in the company of the tender and beautiful Rebecca, sit down contented for life by the side of such a frigid piece of propriety as that icy, fazultless, prim, niminy-pimini Rowena? Forbid it fate, forbid it poetical justice ! …
— ein nächstes Buch, „Rebecca and Rowena“, selber schreibt, A Romance Upon Romance:
Dieses nun gleich a u c h zu lesen, stünde eigentlich an. Doch ein anderes kam mir dazwischen, eine dringende Empfehlung Helmut „Parallalie“ Schulzes, auf die hin ich, weil d’Arrigos Roman sehr teuer ist (nicht an sich, aber für meine derzeitigen und wahrscheinlich bleibenden Verhältnisse, aus denen mich allenfalls ein angemessener Literaturpreis herauslösen könnte oder wenn, um noch utopischer zu werden, eines meiner Bücher Bestseller würde) –… auf die also hin ich an S. Fischer schrieb und um ein Rezensionsexemplar bat, ohne daß ich sagen könne, freilich, wann ich denn darüber schriebe.
Noch hab ich keine Antwort — wie denn auch? meine Mail ging gestern erst hinaus. Doch prompt schickte mir ein Leser, den ich nicht nennen darf, das eBook. Und so begann ich also schon:
Aus purem Konservatismus hätt ich dennoch gern das physische Buch, werde freilich von heute an wieder meinen alten Kindle mit mir herumtragen, und auch auf dem Ifönchen kann ich nun d’Arrigo lesen. Der nicht ganz, nur fast so handliche Kindle hat den Vorteil, allerdings, auch unter starkem Sonnenlicht gut entzifferbar zu bleiben.
Allerdings gehe ich grad mit noch etwas anderem um, an das ich mich heute setzen sollte, nämlich eine Kritik zu Neuenfels‘ an der Lindenoper wieder aufgenommener Inszenierung der Salome von Richard Stauss nach Oscar Wilde, deren Aufführung mich am vergangenen Freitag so unmäßig wütend werden ließ, daß sogar ein paukenhaftes Buh! aus mir herausgedonnert ist. Wie gut aber wieder, daß ich mitgeschnitten habe: Als ich die Aufnahme gestern abhörte, war mein gesamter Eindruck, soweit er die Musik betraf, komplett falsch gewesen. So sehr offenbar kann eine Visualisierung namentlich des sogenannten Regietheaters uns täuschen. Nein, die Musik war nicht perfekt, hatte hier und da deutliche Mängel, aber in keiner Weise so, daß mein derart harscher Ausbruch gerechtfertigt gewesen wäre. Jetzt will ich begründen, weshalb dem so ist; das wird mich Zeit kosten; der künstlerischen Gerechtigkeit halber muß es aber geschehen. Da indessen Faust vor grade mal vier Tagen bereits → über eine andere Salome berichtet hat, werde ich diesmal nur für Die Dschungel schreiben; so ist auch garantiert, daß mein Text noch vor der nächsten Aufführung des kommenden Freitags zu lesen sein wird; ich werde auf sie selbstverständlich auch darin verlinken. [NACHTRAG, 5. Juli: Unterdessen → erledigt. ANH]
Erschwerend für den Rezensenten kommt hinzu, daß er (womit ich mich meine) durch Karajans 1977er Einspielung mit Hildegard Behrens sowie von Asmik Gregorians gestaltender Interpretation der Rolle wie ein für alle Male geprägt worden ist; letztrer kam an Ausdruckskraft allenfalls noch Gun-Brit Barkmin gleich.
Und ich erwarte die Rückkehr meines Arco-Verlegers aus dem Piemont, wo er in seiner doppelhäusigen Eremitage die → Triestbriefe gelesen haben will, um mit mir die mögliche Überarbeitung dieses mir so wichtigen Romanes zu besprechen; vorher kann ich sie nicht anfangen, wie ich Ihnen, Freundin, ja schon mehrfach schrieb. Wahrscheinlich werde ich nach meiner nächsten Hochzeitsrede, Mitte Juli, direkt nach Wien weiterfahren, erstens zur Besprechung und zweitens, weil der Freund mich braucht, um mit einem 7,5Tonner einige Einrichtungsgegenstände in den Piemont zu befürdern. Wird ’ne Ochsentour, aber nu‘ jà. Von wiederum dort zurück, wird es sofort an die Triestarbeit gehen, die ich im kommenden Frühjahr, spätetestens Frühsommer abgeben will. Den Einband haben wir ja schon; es wird sich nichts an ihm ändern.
Ihr ANH
[France musique contemporaine:
Magnus Lindberg, Related Rocks]