[Arbeitswohnung, 9.36 Uhr]
Da hat’s mich in der Freitagnacht auf Sonnabend erwischt; noch saß ich mit den beiden Redakteuren der Jungen Welt vor → „Herrendorfs Prassnik“ und hatte insofern zuvor über HO-Restaurants gelesen —, grad noch hatten wir ausgemacht, daß morgen abend, des Sonnabendabends also, ich die → Premiere des Tritticos übernehmen würde, dafür schriebe er, Andreas Hahn, über die des 3. Oktobers, → Bieitos Aida von Verdi —, und kaum hatten Hahn und ich, weil Merg schon gehen mußte, uns gegenseitig noch ein wenig unserer musikalischen Kenntnisse versichert —, kaum war ich dann also schon auf dem Rad, kaum zuhause, kaum schon im Bett … — als er mich anfallsartig überfiel, eine Art scharfer Keuchhusten, unentwegt, bis zum Spucken beinah, so die ganze Nacht. Morgens 38.3° Fieber, Übelkeit, wenn ich aufstand, Schwindelgefühl. Und absolut kein Hunger, geschweige Appetit. Im Gegenteil, an Essen nur zu denken, ließ meinen nicht mehr existenten Magen sich heben: „Egal, ob’s mich noch gibt: Ißt du was, kotze ich’s aus, aber sofort. Sei gewarnt.“
Noch dacht‘ ich, okay, okay, gib Ruh: Ich leg mich wieder hin, schlafe noch fünf Stunden, dann wird’s sich eingerenkt haben. Nur, daß dem nicht so war. Das Fieber stieg, mein Ruhepuls, sonst zwischen 50 und 60, raste auf 86 hoch. Immunsystem im Turbomodus. Es wäre idiotisch gewesen, in die Deutsche Oper zu gehen. Nur, wie sagte ich der Redaktion ab? Ans Telefon, sonnabend nachmittags, ging dort niemand, und ich hatte keine Mobilnummer der beiden Kollegen.
Also Emails schreiben, freilich an die Büroadressen. Wie erführe ich, ob sie gelesen seien?
Gar nicht.
Meine Kritik, die ich doch nun nicht schreiben konnte, sollte bis Sonntag mittag in der Redaktion liegen; also konnte ich davon ausgehen, daß ab 9/10 Uhr jemand dort sein und auch das Telefon abheben würde. So war es. „Kommt vor, alles halb so schlimm.“
Dennoch war’s mir peinlich; sowas, außerdem, kränkt mein Arbeitsethos. Etwas auch nur Ähnliches ist mir, soweit ich mich erinnere, noch niemals geschehen. Übrigens war mein Ruhepuls am Abend schon wieder auf 67 runter, am Morgen drauf schon nur noch 54. Der Turbomodus funktioniert offenbar. Nur steht heute morgen keine Kritik der Sonnabendpremiere drin, in der Jungen Welt. Kann indes auch morgen noch kommen.
Gestern auch wieder normal gegessen; Dronabinol wird großen Anteil daran haben, das ich vor allem wegen der Lunge in höherer Dosierung einnahm als sonst (ich unterschreite die verschriebene Medikation in aller Regel um mehr als zwei Drittel); schon bei meiner letzten Corona-Infektion, die mit (leichten) Lungenschmerzen anfing, hat sich THC bewährt, ganz so, wie ich es in einer US-amerikanischen Studie gelesen hatte.
Daß ich heute bereits wieder am Schreibtisch tippen kann, beruhigt mich selbstverständlich auch insofern, als ich (hier stimmt das folgende Wort) natürlich bei Lungenproblemen sofort eine leichte Krebsangst bekomme; ich meine, ich rauche ja wieder, wenn auch „nur“ Pfeife, doch davon erklecklich. Wundern also würd es mich nicht. Und sowieso, seit → Liligeia denke ich „subkutan“ quasi stets über Sterben und Tod nach, habe Bilder vor Augen, bin dran erinnert, wie vor ihnen, meinen Augen, das Licht in seine Spektralfarben zerfiel, als mir vor elfeinhalb Jahren die künstlichen → Linsen eingesetzt wurden, die sie, diese Farben, dann wieder bündelten. Und als ich gestern, weil ich wieder während लक्ष्मीs, der Zwillinge und unseres großen Sohnes Abwesenheit (sie sind zur Omi/Mutti gereist) die Fütterung der Meerschweinchen übernommen habe, zur, ich sage mal, Familienwohnung hinüberspazierte, kreislaufschwächelnd immer noch, aber durchs THC so richtig sensibel, fiel mir ein, hm, „Sterbemodus“ ein, der eine Erzählung wert wäre. Ich sprach den Eindruck ins Ifönchen als Sprachmemo sofort ein:
Der Grundgedanke ist naheliegend: Wenn alles, was den Kosmos füllt, aus verschiedenen Modi von Energie besteht (eben wie das weiße Licht aus sämtlichen Farben und Farbübergängen), bedeute zu sterben vielleicht, ganz ähnlich zu zerfallen und vielleicht, es wahrzunehmen. Diesen Eindruck erlebte ich auf dem Spaziergang wie eine Evidenz, sinnlich aber, nicht geistig. Mein Kopf schaltete sich erst ein, als ich es merkte — und wurde auch gleich skeptisch. Denn diese „Evidenz“ konnte durchaus von der THC-Dosis bewirkt sein, die in mir tätig war. — Trotzdem, noch hat der Gedanke mich so wenig los- wie die Erinnerung an die „geschaute“ Evidenz nachgelassen. Wobei es für eine gute Erzählung ganz egal ist, ob ihrem Beweggrund eine Realität entspricht: Für Bachs Musik muß es GOtt nicht geben, ohne den es aber sie nie gegeben hätte.
Mein bleibender, ständiger Gedanke: Realitätskraft der Fiktionen. Bloß die „erwachsene“ Form kindermagischen Denkens? „Positive Thinking“ weist in dieselbe Richtung und, offensichtlich, wirkt zuweilen dennoch. Zufall, Spiel der, hie und da, Gelegenheit? Müßig die Annahme auch, wir wüßten’s, wenn wir tot; Nichts „weiß nicht“, kann nicht wissen. Nur das Subjekt weiß, daß indessen im Sterben zerfiel. So bleibt nur — behauptet — die Seele. Doch aus dem Nichts als geglaubtem GOtt entsteht Musik, und die ist. Ein Nichts indes als geglaubtes Etwas „ist“ ebenfalls und eben n i c h t Nichts.
Krankengedanken. Wobei, mich jetzt noch krank zu nennen, wahrscheinlich hypochondrisch ist. Ich „rekonvalesziere“, um’s gebüldet auszudrücken. Da ich dieses, so schnellstens zu gesunden, nicht unterbrechen will, leg ich mich aber, Freundin, jetzt gleich wieder hin.
Ihr ANH
lieber alban – ich hoffe es geht dir inzwischen schon besser!; möchte aber doch in einem punkte widersprechen: du schreibst „Für Bachs Musik muß es GOtt nicht geben, ohne den es aber sie nie gegeben hätte.“ … W e n n es einen gott geben k ö n n t e, dann nur in einer emanation durch die musik oder andere wahrnehmungserweiterungen künstlerisch-geistiger art. doch die idee eines gottes bleibt eben immer nur das, eine idee… was sich schon an der großen bandbreite der formalen beschreibungen dieser idee manifestiert, und der singular war ja schon ein rückschritt zu früherer kreativität auch in der hinsicht. also kommt gott immer später (wenn überhaupt), nicht früher, zumindest aus meiner sicht, und auch und besonders bei Bach.
Oh, lieber Ramirer, das sehe ich erwartungsgemäß anders. Die Idee GOttes (hier sogar der Glaube an ihn) steht v o r der bachschen Musik, besser: ist ihr Fundament – völlig anders etwa als bei dem grandiosen Requiem Hector Berlioz‘, dem n u r die Idee „Gott“ zugrunde lag, ebenso wie desselben Komponisten „trilogie sacrée“ L’Enfance du Christ oder, möglicherweise, Brahms‘ Deutsches Requiem. Wie immer kompositorisch auch anders, scheinen mir in der musikalischen Genese Bach ähnlich Olivier Messiaen und Frank Martin zu sein, beide wie jener zutiefst gläubig.
Wobei ich interessant ja gerade finde, daß etwas, dessen Realität aus meiner Sicht ausgesprochen unwahrscheinlich ist, zu einem – sogar in Hinsicht aufs Bruttozialprodukt – real enorm wirksamen Phänomen, das ein Stück Realität-selbst ist, führen kann.
Erstmal: gute Besserung! Das kam ja ziemlich plötzlich!
„Das kam ja ziemlich plötzlich!“ – Ihr Ausrufezeichen stimmt exakt.
das drehen, das aus beflissnheit gdrehte, das weiterdrehen müssen wie ein spckfuchsvogel, die in dieser dreheversessenen universalvolte mensch, das unabdingbare, das unvermeidliche, das R
schwein oder nicht sein, das ist frage im hause faul
was ist dort los da hiesig im schober dystopia schland
huch, kapelle schweigt
na gut, bekanntermassen überfielen mich wie aus einem längst bekannten nichts heraus junge frauen und männer sehr hoffnungs
betont ohne mir je etwas versichern zu müssen in einem club
an der cuntstrasse berlin
es war etwas anderes, etwas nervigeres, sicherlich die bayernwahl
und die dumpfbackenen, aufs extrem-äusserstes kondioniert,
simple scheisse zu quatschen in sehrsehr überzeugenden manien.
amen & da war noch nie ein KRAUT gewachsen, wir müssen zurück auf die bäume und GRASEN
was aber echt und wirklich sedierend ist, ist die aufpasserei.
die aufpasserei in der verabschiedungsphase der vielgeburten
gen.
kunst ist entwertet durch viel zu hohe kapitalanleger zb
kunst war noch nie allgemein, nicht mal buchkunst.
naja, passt doch, wir sind die sklaven geworden, vor deren herr*innen unsere kinder uns immer warnten.
unsere kinder !
hey – ich sitze gerne bei euch an der cuntstreet und trinke eure spendierten biere, yes.
sorry 4 that takes