Also ja: Entwarnung. Doch aber meine Wut. Anmerkungen zum „neuen“ Antisemitismus. Sowie abgebrochene Journalentwürfe des vergangenen Monats.

(Anmerkung zum Beitragsbild (Signal-Nachricht):
Benjamin Steins Bemerkung bezog sich auf das
von Hamas-Anhängern bei TicToc lancierte
Social Media Meme mit Osama bin Ladens
Letter to America.)

[Arbeitswohnung, 7.07 Uhr
France Musique La Baroque:
Anthony Holborne, Allemande]
           Was soll ich sagen, soll ich schreiben? Zur Zeit bin ich von Der Dschungel insofern sehr weit weg, als darin auch von mir geschrieben wird. Denn was interessiere ich noch, wenn es doch einerseits hierbei stets darum ging, den Fährten jener persönlichen Erleben zu folgen, die ins Werk führen, wenn ein solches grade nicht entsteht? Weshalb ich ausebremst bin, habe ich mehrfach schon erzählt; bevor ich vom Freund und Verleger, nachdem der Briefe nach Triest Erscheinen so kurzfristig gestopt werden mußte, seine, der den Roman unbedingt herausbringen will, Anmerkungen und eventuellen Einwände habe, um eine letzte Überarbeitung tatsächlich leisten zu können, geht es hier „enfach“ nicht weiter. Vor allem aber aus einem anderen Grund, der mich insgesamt zögern läßt — und, Freundin, glauben Sie mir: Ich steh da nicht allein. Dieses Auferstehen des deutschen Antisemitismus aus den nunmehr Ruinen des Wohlstands hat mich geschockt und macht mich täglich wütender — eine Dynamik, die aber, anders als es zu vermuten wäre, meine, nun gut, „Erkankung“ deutlich überspringt, nicht etwa sie erschwert oder gar hemmt. Es bereitet etwas sich da vor in mir, ich spüre es; noch aber habe ich den formulierenden Biß nict zurück, der hier erfordert ist, um nicht „nur“ Position zu beziehen, sondern auch tktisch sinnvoll in die Offensive gehen zu können. Das Entsetzen ist zu groß, das Wort „Schock“ ist schon richtig, immer wieder mitzubekommen, wie auch „jenseits“ schon als Kind mit Haß geprägter Menschen, vor allem Migranten aus islamischen Ländern, der unendlich dumme, künstlerisch sogar dämliche und menschlich insgesamt verheerende Antisemitismus sich allerschichten wieder, und aggressivst, erhebt; noch schlimmer, für mich, daß es unter Intellektuellen geschieht und bei solchen auch, deren politische Haltungen ich sonst teilte. Habe ich es je getan? muß ich mich heute fragen und frage ich mich täglich weiter.
          Gut, die Klüfte waren längst zu sehen, Gender-Ideologie (ich nenn sie mittlerweile Religion), sogennante Identitätstheorie, die auf einen für antirassistisch gehaltenen Rassismus, einen „neuer“ Art, hinausläuft, Unterwanderung rechtsstaatlicher Prinzipien (etwa die quasi Abschaffung des juristischen Prinzips in dubio pro reo), ganze Wellen der Denunziationslust, dazu die Verschluderung, ja Zerstörung unserer Sprache(n) usw. usf. — ja, all das sah ich auch, nicht aber, wie sehr es auf einem unbegriffenen Antisemitismus fußt. Wobei ich den Begriff insofern problematisch finde, als „Semiten“ außer den Persern und Türken quasi alle Ethnien des Nahen Ostens bis nach Marokko sind und aber besonders in Israel beheimatete Juden nicht einmal zur Hälfte semitisch. Von einem „Volk“ ist da nur sehr bedingt zu sprechen; ich verweise noch einmal auf Shlomo Sands → so erhellendes Buch. Aber das ist nur ein Nebenschauplatz, wenngleich halt Schlachtfeld a u c h. Israel aber „faschistisch“ zu nennen, ja auch nur als „kolonialistisch“ anzusehen, verkennt die Wahrheit komplett. Weshalb, muß ich hier nicht wiederholen; es ist darüber schon viel geschrieben worden. Aber auch dieses beiseite, ist das Land fir die heutigen Generationen, die es als Staatsbürger bewohnen, längst zur prägenden Heimat geworden, und soweit sie jüdischer Konfession sind, zu einer permanent mit dem Tod bedrohten, sowohl des Staates wie jeweils ganz persönlich. Selbst also, w ä r e Israels Gründung ein kolonialistischer Akt gewesen und nicht etwa aufgrund eines Beschlusses der Vereinten Nationen erfolgt, trügen die heutigen Isaeli daran keine Schuld, und es wäre rein der Entwicklungen und kindlichen Pägungen der nachgefolgten Generationen mit vollem Recht ihr Land – eines, das allerdings den palästinenischen Menschen ein ebensolches Recht mitschützen müßte. Wofür sich insbesondere junge jüdische „Linke“ und sonstwie aufgeklärten Israeli auch immer wieder eingesetzt haben, zuletzt in den Massendemonstrationen gegen Netanjahus und seiner religiös-dogmatischen Camarilla Umbauversuche der rechtlichen Staatgrundlagen.  Keine Frage freilich, daß, etwa in Betracht der verheerenden israelischen Siedlungspolitik, die Proteste wenig Auswirkung hatten und sie weiterhin nicht haben, und jetzt schon gar nicht, sondern sich statt dessen ein gegenseitiger Haß, doch eben auch aus wechselseitiger tatsächlicher Verwundung sowie schweren existentiellen Bedrohungen, beiderseits wohlgemerkt, entwickelt hat, den ich im Jahr 2003 selbst schon → in einem Vortrag thematisiert habe. Dies rechtfertig aber nicht — gar nichts tut das — den Blutrausch der Hamas-Terroristen. Nein, es sind k e i n e Kämpfer („Kämpfer“ ist ein Ehren-Wort); es war und ist ein losgelassener Mob, der noch die, für die er angeblich eintritt, zu reinem Schlachtvieh macht, die Palästinenser nämlich, um die es ihnen angeblich geht. Sondern in ihm wirkt eine pure perverse Auslöschungslust, die ihre Befriedigung aus dem Gemetzel zieht. Ich kann es nur widerwärtig nennen. Nur ein toter Jude ist ein guter Jude, was, wie wir erfuhren, auch schon für Föten gilt, die aus den Müttern herausgeschnitten werden, um sie dann auch noch zu köpfen.
           Mieseste Menschheit.
           Nein, jegliche Rechtfertigungsversuche und Relativierungen sind hier fehl am Platz, und die, die auf der Berliner Sonnenallee das Meuchelmorden feierten, gehören entweder ausgewiesen, und zwar umgehend, oder sind, soweit sie bereits deutsche Staatsbürger sind, strafrechtlich hart zu belangen. Selbst ich werd hier zum Falken. Wir bekommen die schon kindlichen Prägungen durch Haß aus den Menschen nicht mehr heraus, es ist im Wortsinn tragisch. Und hat mich nun fast stumm gemacht. Schlimmer aber fast noch, weil für mich nicht nachvollziehbar, ist der Antisemitismus, der nicht aus solchen Prägungen rührt, sondern den die — fast durchweg abstrakten — politischen Ideologien bewirkt haben und offenbar immer und gegenwärtig ganz besonders weiterbewirken, namentlich der deutschen Linken. Von „woker Verblendung“ zu sprechen, ist geradezu schon euphemistisch. Wie, zum Beispiel, konnte es „meinem“ PEN Berlin, dessen Mitgründer ich bin, einfallen, ausgerechnet A.L.Kennedy für die Eröffnung des diesjährigen Kongresses einzuladen, eine Frau, die aus ihrer BDS-Nähe → keinen Hehl macht? Ganz unbhängig davon, ob sie eine gute Autorin ist, führt eine solche Einladung in der gegenwärtigen, politisch derart aufgeheizten Zeit zu Verwerfungen auch innerhalb des PENs Berlin, die sich überhaupt nicht abschätzen lassen, zumal es rechts wie links ein geradezu Kanonenfutter ist. Über die politischen Positionierungen läßt sich streiten, ja, doch gehören herausgehobene radikale Positionierungen nicht in eine Eröffnungsrede. Selbst relativ harmlose, einfach nur auf eine Gesamtsicht pochende → Einlassungen wie Slavoj Žižeks führen ja bereits zu Skandalen, den Maxim Billers Tochter Zelda wegen seines Vortrags bereits Slavoj Žižek zum Antisemiten erklärt, offen → in der NZZ. Kaum zu verstehen, daß der Mann gegen solchen Rufmord nicht juristisch vorgegangen ist. Und daß die NZZ es überhaupt druckte!

So also die Stimmung hierzulande; wo es nur geht, wird, auf allen Seiten, diffamiert. Ein jüdischer Freund schrieb mir, er wolle sich zu alledem nicht äußern, denn nachher stehe er selbst noch als ein Antisemit da:

                    Was also soll ich Ihnen, o Freundin, von meiner „Krankheit“ erzählen, was daran sollte auch nur irgendwie wichtig sein? Ja, ich bin mit Verdacht auf eine offene Tuberkulose ins isolierte Zimmer eines Krankenhauses gekommen, rund sieben Tage ohne Ausgang und Besuch; das Einzelzimmer war freilich luxuriös, ich habe viel gelesen. Doch schreiben mochte ich nicht. Die Dschungel war so fern!
Nach diesen sieben Tagen zerschlug sich der Verdacht; gegen eine → „einschmelzende“, weil offenbar verschleppte Lungenentzündung wurde von Anfang an mit Antibiotika therapiert. Was erfolgreich war, noch ist. Wenn auch eine Ungewißheit bleibt: Von Anfang an stand der Verdacht auf einen Bronchialtumor im Raum, in Anbetracht meiner Raucherei höchst naheliegend; ich habe selbst auf ihn „getippt“. Er war in den bildgebenden Verfahren (Röntgen, CT) aber ebenso wenig nachweisbar wie bei der Bronchoskopie; auch die hohen Entzündungswerte (CRP) im Blut sprachen gegen ihn. Wirklich ausgeräumt wird der Verdacht aber erst nach Abheilung der Pneumonie werden können; nächster CT-Termin ist für den 18. Dezember anberaumt.
Nein, ich bin nicht nervös, Angst hab ich schon gar nicht. Was kommt, kommt. Ich habe allerdings lachen müssen, als ich → bei Sabine Gruber las, deren neuen Roman ich heute endlich rezensieren will:

Als hätte sich der Tod an der Langsamkeit und Bedächtigkeit ihres krankheitslosen Lebens mit einer beispiellosen Aufholjagd gerächt.

Weitgehend „krankheitslos“ ist, bis ich etwa sechzig war, mein Leben ja verlaufen; eine gewisse Gerechtigkeit scheint also zu obwalten. Nein, Freundin, es gibt in diesem Punkt nicht wirklich Grund, mich zu belagen. Aber rausgeworfen aus der Arbeit hat diese nächste Krankheit mich halt doch.

           Dennoch, ein paarmal habe ich versucht, ein Arbeitsjournal halt doch zu schreiben, bin aber immer wieder steckengeblieben und stelle jetzt einfach mal die Entwürfe hier drunter ein, unkorrigiert, so, wie ich sie liegen ließ. Und werde aber morgen auch von neuem Schönen schreiben; heute liegt anderes, Drängendes, zu formulieren https://www.actmusic.com/an, wie gesagt, die Gruber-Rezension, aber auch die Besprechung einer neuen Jazz-CD von ACT, auf die ich hier einfach schon mal mit dem Cover hinweisen möchte. Und dann ist über den Abschluß meiner Horcynus Orca – Lektüre zu schreiben sowie über nächste Bücher, die ich mit großem persönlichen Gewinn im Krankenhaus gelesen habe. Geben Sie mir bitte diese Zeit.

Ihr ANH

 

***

[Hier nun die abgebrochenen Journalentwürfe:]

9. Oktober 2023
Baklava als Waffe ODER Der Gazakrieg d a z u. Was nun die Angst noch schürt.

Gar keine Frage, daß die Neuköllner Jubler über den Angriff der Hamas auf Israel aus Europa abgeschoben gehören; eine Frage aber ist, wieviele davon längst die deutsche Staatsangehörigkeit haben, so daß abgeschoben werden gar nicht mehr kann. Dann wäre sie strafrechtlich zu belangen. Die „Gegengesellschaften“ aber sind schon da. Was aber nicht geht, ist, jemanden, der einfach eine Frage stellt, eine Ursachenfrage, aus dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu werfen, weil diese Frage der Öffentlichen Meinung entgegensteht. In einer freien Meinungsgesellschaft hat auch diese Frage ihr Recht, und zwar geradeMalcolm Ohanwes Frage:

Das mag uns passen oder nicht. Irgendeine Spur der → arabisch-Neuköllner Begeisterung für den Terror les ich aus ihr nicht. Ich finde vielmehr Verzweiflung in ihr, und zwar gerade in dem rethorischen Pathos der abgeschnittenen Zunge – die metaphorisch ja leider, leider der Wahrheit entspricht. Wenn wir dies nicht mehr ausdrücken dürfen, sind wir alle sowieso schon am Ende. Dann ist quasi a l l e s egal, zumal bei einem, → Hessen und Bayern zusammengenommen, unterdessen ganzen Viertel AfD-Wähler in Deutschland; die Putinnähe dieser Partei ist bekannt.

Ich muß auch dann öffentlich denken können und dürfen, wenn ich mich irre und wenn es der Meinung der Mehrheiten, nämlich des Mainstreams, nicht entspricht. „Die Gedanken sind frei“ muß ein Lied bleiben, darf keines mehr werden, das uns im Innern-allein vom Außen erlöst:

diu bant mac nieman vinden,
diu mîne gedanke binden.
man vâhet wîp unde man,
gedanke niemen gevâhen kan
Von → dort.

Nota:
Dieses ist keine „antisemitische[1]Schon als Begriff höchst heikel, weil hier unter „semitisch“ nur Menschen mosaischer Religion gefaßt werden, es aber eigentlich ein ethnischer Begriff ist, dessen Anwendung auch schon … Continue reading  Äußerung“, zumal dem jüdischen „Volk“ als quasi Ethnie eine abstammesgeschichtliche Wahrheit überhaupt nicht zukommt, es, mit XXX. Dasselbe gilt für „die“ Deutschen, die ebenfalls kein Volk, sondern, wie die israelischen Juden, Angehörige einer Nation sind.

*

25, Oktober 2023
Unterschied „realistischer“ zu magischer Literatur . Horcynus Orca S.911-912 Mitte

ritualisierte Wiederholungen, Aufzählungen als Anrufungen usw.

*

28. Oktober 2023
Das Vorsichhindös- und Ausharrjournal des Sonnabends, den 28. Oktober 2023, darinnen nun endlich Kuhligks und Roloffs Solidarnote mit Israel in der FAZ und aber sowie eine quasi unentwegte bewußte wie unbewußte, dauernd auch geträumte Beschäftigung mit Massaker und Krieg.

Freundin, ich bin ganz ruhig. Die neue Bedrohung kommt mir nicht völlig, nein, doch relativ belanglos vor — zumal ich mir nicht sicher bin (oder  geistig, sondern immer körperlich war, und zwar heterosexuell.gerade weil ich’s mir bin), ob nicht mein Körper selbst es ganz genauso gewollt hat, jedenfalls ähnlich. Denn so vieles dessen, was mir lebenslang wichtig, habe ich ja nicht mehr, etwa erotische Nähen. Ohne sie möcht ich tatsächlich nicht sein; sie waren auch immer der, sagen wir, Treibstoff meiner Schöpferkraft, die für mich eigentlich nie
Keine Frage, bei anderen Menschen und für sie ist das anders. Auch das, selbstverständlich, hat sein „Recht“; meine Kunst hingegen entstand und entsteht aus der Reibungshitze der beiden Grundgeschlechter, die Vorbedingung des Empfangens und Entstehens jedes neuen Lebens ist. Ganz so, wie ich eigentlich nie — oder → ganz zu Anfang nur —  über den Arbeitsalltag der Menschen geschrieben habe und mich die jeweils den Zeitgeist interessierenden Fragen eher unbeteiligt ließen, sondern stets auf das fokussiert war, was sich seit den frühesten Ären her durch die Geschichte und Ontologie unserer Art zieht: die Grundthemen des Lebens eben.

Es lag ein Bischoff tot in einer Mur am Zederngebige fünf Stunden schon unter strömenden Wolkenbrüchen. Die Mur war hiabgemalmt mit ihm und seinem Karren und seinen Maultieren und seiner Geliebten unter ihm fort, über ihn hin, als schmetter[t]e das Erdreich ihn in den Schlund der Hölle, kurz vor Anbruch der Nacht. Die Männer auf den Pferden kamen nicht weiter.: „Ajaaijai! Zur Seite!, und gezogen den Säbel, der vorne voran geritten und am nächsten den Weibern.
Und eine Gruppe von Weibern. Beschlagnahmten die Straße, wollte man das nennen eine Straße, die Verbindung von Dorf zu Dorf
Es lebte niemand mehr von denen, die den Krieg überstanden hatten, den man den Weltkrieg nannte. In die Gräben gestürzt waren die jungen Männer, die aus den Schlachten zurückkehrten, die Häuser übernahmen, welche die Toten hinterlassen hatten, in ihren Wagen fuhren, in ihren Ämtern dienten, den Sieg ausntzten, die Niederlage überstanden. In ihre Gräber gestürzt die jungen Mädchen, die so schlank und blank über die Straßen gingen, als wäre nie ein Krieg zwischen Männern in Europa gewesen. In die Gräber gestürzt die Kinder diesr Männer und dieser Frauen, die heranwuchsen, an den Häusern bauten, die sie übernommn hatten, die Fabriken bevölkerten, die die Toten errichtet und stehen gelassen hatten.
Geschlecht um Geschlecht war wie von einer lansam rutschenden Wand umgelegt worden. Sie begaben sichin die dunklen Wphnungen, die die Elemente bereiteten. Hinter ihnen wurden schon die neuen Geschlechter emporgeoben, fluteten aus geöffneten Schleusen über die verlassene Welt.
Ineinander schoben sich Sommer Herbst Winter, schoben sich Jahre: Windsbräute vor dem Stürzen der nachfolgenden Wolkenmassen. Die Zeiten probten Revolu­tion. Längst gab es kaum mehr Wälder, und man hörte, wie ein eiliges Knacksen, Net­zen aus Haarrissen gleich, durch den Boden dem Unheil voran­flog. Wieder wühlten Kontinente, neue Gebirge faltend, und die erdgeschichtlich kaum alten erodierten schneller, als man faßte. Alles geschah offen, doch vollzog es sich heimlich. Es lief an den Menschen vor­über. War Gemisch ohne Kon­trast, Dämmerungswerk, selbst nur ein Schat­ten, nicht heiß noch kalt, schwül wie Dung Morast. Niemand ahnte, was in ihm und aus ihm entsteht. Und während die Orogenese sich rastlos und umgekehrt vollzog und die Berge durch Tafeln und Schutt und Moränen die knacksenden knisternden dro­henden Fingerpulse versandten, riß der feuchte Himmelstüll, der den Delphin vorm Austrocknen schützt. Den Kopf tief in die Erde ge­bohrt, warfen die Fichten die Haut ab. Ein Sturm kam, der trug die afrikanischen Wüsten nach Norden, schüttete Dünen jenseits der Alpen auf, erstickte und verbrannte das Holz und das Reh in den laublosen Wäldern. Im Norden Deutschlands wuchs für eine kurze Zeit die Dattelpalme, und Agaven säten sich auf Jütland aus, bevor die gestie­gene Flut den Samen zurück nach Süden spülte.
Stahlblau und leicht, bewegt von einem leisen, kaum merklichen Gegenwind, waren die Wellen des adriatischen Meeres dem kaiserlichen Geschwader entgegengeströmt, als dieses, die mählich anrückenden Flachhügel der klabrischen Küste zur Linken, dem Hafen Brundisium zusteuerten, und jetzt, da die sonnige, dnnoch so todesahnende Einsamkeit der See sich ins friedvoll Freudige menschlicher Tätigkeit wandelte, da die Fluten, sanft überglänzt von der Nähe menschlichen Seins und Hausens, sich mit vielerlei Schiffen bevölkerten, mit solchen, die gleicherweisw dem Hafen zustrebten, mit solchen, die aus ihm ausgelaufen waren, jetzt, da die braunsegligen Fischerboote  bereits über all die kleinen Schutzmolen all der vielen Dörfer und Ansiedlungen längs der weißbestühlen Ufer verließen, um zum abendlichen Fang auszuziehen, da war das Wasser beinahe spiegelglatt geworden; perluttern war darüber die Muschel des Himmels geöffnet, es wurde abend, und man roch das Holzfeuer der Herdstätten, so oft die Töne des Lebens, ein Hämmern oder ein Ruf von dort hergeweht und herangetragen wurden. Im Gebirge, wo die Beschaulichkeit leicht von Blitzen zerrissen werden kann, diesen vorübergehenden Schrecken, die im Grunde wenig hervorbringen, aber viel kaputt machen, im Gebirge sind ein paar Menschen verschwunden. Dafür sind andere wiedergekommen, die wir gar nicht vermißt hatten. Wir haben das als Geborgene erlebt und berichten davon, als hätte uns gerade nur ein Wort gestreift und dann, im Vorbeigehen, plötzlich zugetreten.

Wir lesen es, wir hören es und wissen: Das ist Dichtung, und nur die Sprache vermag’s. Dennoch werden wir dafür weder Preise bekommen noch zu Lesungen oder gar auf Festivals geladen werden. Denn was wird hier erzählt, daß nicht auch morgen erzählt werden könnte, ja in zwei Jahren, dreien, zehnen? Uns geht doch ganz etwas anderes an, für das es in fünf Jahren vielleicht längst zu spät ist. Vielleicht ist „queer“ dann überhaupt nicht mehr Thema oder nur eines am Rande?
So kommt es, daß allgegenwärtig der mindere Text ist — „minder“, insofern nicht Dichtung, Form also, Sprachkraft und Gestaltungsreichtum, im Vordergund steht, sondern ihr „Thema“ fast völlig allein. Dafür werden dann auch Preise vergeben.

Auch dieses, daß ich unterdessen zu alt bin, um noch meinen zu können, es ließe sich ändern, hat mich imgrunde bereit gemacht, Ich will nur, wenn, dann von mir aus gehen, und am liebsten im Beisein der Liebsten. Darüber wird zu sprechen sein. Erst einmal aber muß der Befund interpretiert werden, ebenso müssen’s die Röntgenbilder, die ich zwar betrachten, aber lesen nicht kann. Am Montag, nun gut, weiß ich mehr. Bis dahin liege ich hier, werde zunehmend matt, das schmerzhafte dauernde Husten zermürbt, wiewohl es, ein bißchen, jetzt besser geworden. Mein Instinkt aber weiß längst, auch er purer Körper,

*

10. November 2023
“ (…) AN Herbst sterbenskrank im Krankenhaus“ — nee, Leute: nicht einmal in diesem Arbeitsjournal des Freitags, den 10. November 2023.

Wie anders sollte ich als spöttisch reagieren? — nachdem mir der Dichterfreund diese „stille Post“ weiterleitete, kaum daß sie ihn erreicht hatte:

Seine Reaktion ließ nicht auf sich warten:

Doch hätt ich selbst dann fürs Sterben keine Zeit gehabt, wäre es ein Tumor denn g e w e s e n — was seit vorgestern der Bronchokopie quasi augeschlossen ist … nicht gänzlich, nein, irgendwo könnte sich noch was fies weggeduckt verstecken; doch wir wollen erstmal die Heuling dieser nun, welch zärtlich-sinnlicher Name!, einschmelzenden Pneumonie abwarten, bevor mit noch einmal einer CT nachgeschaut werden soll (und gegebenenfalls sofort gehandelt werden würde). Da Metast

FRÜHSTÜCK 8.15

[Sana Klinikum, 1A Zi.157
Britten, Serende for Tenor, Horn and Strings op.32]

*

 

References

References
1 Schon als Begriff höchst heikel, weil hier unter „semitisch“ nur Menschen mosaischer Religion gefaßt werden, es aber eigentlich ein ethnischer Begriff ist, dessen Anwendung auch schon lange umstritten ist; eine Religion ist keine Eigenschaft einer Ethnie. Die jüdische Geschichte ist u.a. eine weiträuniger Konvertierungen, besonders der Juden des europäischen Ostens, die, völlig anders als arabische Menschen, in gar keiner Weise „semitisch“ sind.

1 thought on “Also ja: Entwarnung. Doch aber meine Wut. Anmerkungen zum „neuen“ Antisemitismus. Sowie abgebrochene Journalentwürfe des vergangenen Monats.

  1. Es macht einfach keinen, nun jà, Spaß mehr, bei Facebook auf meine Dschungelbeiträge hinzuweisen; auch das heutige Annoncement wurde wieder gelöscht:

    Offensichtlich habe ich bei FB Gegner, die bestimmte Beiträge von mir als Rgelverstöße denunzieren, weil sie nicht wollen, daß ich mich äußere, wie ich mich äußere. Solche Löschungen kommen in letzter Zeit deutlich gehäuft vor, und zwar immer dann, wenn es sich um politische Texte handelt, die sich gegen den Zeit“geist“ stellen oder aber wenn ich über Krankheit schreibe. Vielleicht fehlt den Leuten da eine Triggerwarnung – die ich aber so wenig über etwas setzen werde, wie das Leben selbst es tut.
    ANH, 13.50 Uhr

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