Die halbe Nacht dann durchgetanzt — v o r diesem, freilich, Arbeitsjournal des Sonntags, den 17. Dezember 2023. Zum Kongreß 2023 des PENs Berlin.

[Arbeitswohnung, 11.19 Uhr]

          Wann gab’s ’n d  a s das letzte Mal, daß ich um halb zehn vormittags aufsteh erst? Aber wann zuletzt kam ich um um die vier Uhr früh heim? ein Gesternheut auf einer Bank mit Sandra Hetzl auf ihr Uberauto wartend, nachdem andre, sie und ich in einer enen Kneipe weiter und immer noch weiter tanzten („unterhalten“ ließ es sich da nicht, war schlichtweg, vor allem die Musi, zu laut) dann rauf aufs Rad und derart los die Pedale getreten, daß ich an meine Rückfahrt jetzt absolut keine Erinn’rung mehr habe und dennoch bester Dinge war, als ich an der Pavoni stand. Danach dann gleich meine Hadelich-Kritik, die→  schon gestern erschien, annonciert samt social network’s Network. Und nun ein wenig erzählen mochte von dem nun wirklich prima verlaufenen → Kongreß.
Nölen läßt sich’s natürlich immer, nicht jedes Pennel[1] „Panel“, ich weiß; weshalb aber sagen wir nicht, was gemeint ist, ein „Podium“? , selbstverständlich, war gut; etwa hatte Katja Lange Müller auf das Thema, für das sie aufs Podium geladen war, absolut keine Lust, fand es sogar so überflüssig wie ich selbst die von einem reichlich von sich eingenommenen Herrn Christian Ankowitsch, nun jà, „moderierte“ Diskussion unergebig. „Darf vom Publikum mit reingegrätscht werden?“ fragte ich, um der Ödnis  wenigstens Farbe zu geben— doch kaum, daß ich anhub, wies der Arroganzling mich in die Bande: „Bitte hier kein Co-Referat.“ War ihm allein meine Erwähnung Karl Mays unangenehm oder daß ich diesen, wie —Arno Schmidt zitierend[2]Dank an Franz Josef Knelangen, der mich → hierunter korrigiert hat. ANH, Nachtrag am 18. DezemberSyberberg ihn nannte, → „letzten deutschen Großmystiker“ für einen der ersten radikalen Autofiktionäre des Zwanzigsten Jahrhunderts erklärte? Dabei kam erst da Bewegung in die Sache, Katja wachte auf und die mir bislang ohnedies schon als klug aufgefallene Miryam Schellbach wollte ansetzen, über möglicherweise ethische Probleme der Autofiktion nachzudenken, wozu ja wirklich ich → einiges hätte sagen können, ja vielleicht sogar müssen … — da war die Podiumszeit schon vorüber. Mit Schellbach hätte ich danach gern noch paar Worte gewechselt, gar Absätze vielleicht, und sprach sie auch an. „Gerne“ sagte sie, indes verließ sie den Kongreß, bevor es dazu kam.
Gut hingegen das von Asmus Trautsch zurückhaltend, doch umso eleganter geleitete Pennel Poesie als Lebensform mit Daniela Seel, Birgit Kreipe und dem Meister fast nicht hörbarer, dennoch deftiger Sottisen Hendrik Jackson. Interessant war das Gespräch vor allem, weil sich vor unseren, des Publikums, Ohren ein deutliches Bild darüber zusammensetzte, wie es um die Jahrtausendwende herum zu diesem neuen Lyrik-Hype gekommen ist, einem Genre, das die großen Verlage nach und nach aus ihren Programmen strichen, als angeblich unverkäuflich. Am Anfang hätten ein Zusammenfinden der vornehmlich jungen Dichterinnen und Dichter gestanden und daß sie intensiv miteinander kommunizierten, sowie, darauf wies Daniela hin, die sich bis sozusagen ins eigene Wohnzimmer rasant entwickelnden Technologien von Produktionsmöglichkeiten.
Und großartig war das Pennel zum eigentlichen, vor dem 7. Oktober ganz anders geplanten Thema des Kongresses, nämlich dem Hamas- und Israelkrieg und dem neuen alten Antisemitismus. Gewandt, voller Weltkenntnis eben auch aus eigener Ansicht wurden Imran Ayata, Jouanna Hassoun, Murat Kayman und Erica Zing geschmeidig von Daniel-Dylan Böhmer geführt. Spannend, wahrhaftig, ergreifend —

 

(muß unterbrechen, लक्ष्मी rief an, sie habe einen sehr schönen Weihnachtsbaum entdeckt,
ihn aber ohne uns nicht kaufen wollen. So sei Eile geboten. Ob wir uns, und wann, an
den Schönhauser Allee-Arkaden treffen könnten. „Rufst du bitte Adrian an?“ Der selbst-
verständlich nicht rangeht. Egal. Raus aus dem Morgenmantel jetzt und Be prepared!)

 

[18.30 Uhr]

           —  Auch gab es ein Podium, auf dem mir zuviel gejammert wurde, Opferstilisierungen mag ich auch dann nicht, wenn es objektive Gründe gibt, sich als ein solches nicht nur zu fühlen. Hier steht mir vielleicht mein Primat des Stolzes im Weg. Auf einem nächsten Pennel wurde mir nicht durchdacht genug argumentiert, oder es war schon durchdacht, und „nur“ die Darlegung war schwammig. Und was nun A. L. Kennedy anbelangt, sei vor dem Abflug ihr Rucksack geklaut worden, in dem sich sämtliche Papiere befunden, die frau nach Brexit braucht, um unabgewiesen in Europa zu landen — dummdas, mußt‘ ich denken und lachte fast schadenfroh auf. Wobei, es hätt auch eine Geschichte sein können, nachdem die Versammlung des Vortags ja öffentlich gewesen war, so daß die Presse war zugegen, und Nachrichten stören Staatsgrenzen nicht … Jedenfalls setzte sich die Frau daheim in einen Sessel und sprach ihre Rede, ihr Smartphone nutzend, ein. Danach wurde der lange Clip online übertragen und auf die Leinwand des Festsaals gestreamt:

Damit war mein Vorhaben freilich in sich zusammengefallen, die Frau auf dem Podium zu einer anderen Rede zu stellen; über Zoom wäre es stillos gewesen, jedenfalls nicht oder kaum zielführend. Indes die eigentliche Rede, ich fand sie elend kitschig, die meisten andren waren gerührt, → s o ging. Unterm Strich war es mir unterdessen egal, denn der PEN Berlin hatte nunmehr gezeigt, wie lebendig allewir sind, die er als Menschen des Wortes vereint. Es wird dies freilich auch anders gesehen; deshalb hier ein paar Links:

— durchaus böse (nicht durchweg zu Unrecht) → Encke in der FAZ, anders die → Berliner Zeitung und der → Deutschlandfunk (Podcast) sowie, sehr schön, Thomas Fitzels Podcast 2. (Nachtrag, 18.12.: Auch Paul Jandl schreibt, → in der NZZ, nicht unbedingt freundlich, jedenfalls was die Führung des Clubs anbelangt).

           Und dann kam die Party, für die wir, bis wir gegen zwei hinausgeworfen wurden, weil das Personal rechtens den Feierabend, ähm –morgen brauchte, das große Parkett zur Verfügung hatten. Und ja, wir tobten uns aus. Wie die Nacht dann ausgegangen, hab ich, Freundin, Ihnen schon eingangs erzählt. Winters überdies machen durchtanzte Nächte den folgenden Tag leider n o c h kürzer, als er zu dieser Zeit sowieso ist. Daran muß ich a bisserl jetzt knabbern.

           Ihr ANH

 

References

References
1 „Panel“, ich weiß; weshalb aber sagen wir nicht, was gemeint ist, ein „Podium“?
2 Dank an Franz Josef Knelangen, der mich → hierunter korrigiert hat. ANH, Nachtrag am 18. Dezember

3 thoughts on “Die halbe Nacht dann durchgetanzt — v o r diesem, freilich, Arbeitsjournal des Sonntags, den 17. Dezember 2023. Zum Kongreß 2023 des PENs Berlin.

  1. Sehr schön, aber Syberberg ein Arno-Schmidt-Zitat als eigene Äußerung durchgehen lassen und auch noch ungenau zitiert: *vor*letzten Großmystiker müsste es heißen – Pshaw! Wo kämen wir hin (Seyfried), Wenn’s da schon fehlt (Henscheid über Hans Wollschläger), aber im Ernst: das ist der Untertitel eines Rundfunkessays des Hl. Arno aus Bargfeld. Ich schreibe das auch nur so despektierlich, weil ich weiß (hoffe), dass ANH hochgestimmt aus „MahlerUnFinished“ mit Currentzis zurückkommen wird, und, wie ich, wegen der Gemeinheit, die „Nach(t)Musik“ mit dem 2. Satz anfangen zu lassen, ohne den post festum gereichten Spickzettel nicht drauf gekommen ist, was da vom Streichquartett (geniale Bratsche!) gespielt wurde – hoffe ich jedenfalls für mich und mein Ego :-).

    1. Sie haben ja s o recht, lieber Herr Knelangen,

      ich hatte das Zitat schlichtweg nur von Syberberg in Erinnerung, nicht aber mehr den Zusammenhang (daß ich seinen Karl-May-Film das letzte Mal sah, muß über zwanzig Jahre her sein). Ich hab den Beitrag oben mit Verweis auf Ihren Kommentar jetzt sofort korrigiert.
      Und recht haben Sie sowieso wegen Currentzis‘ und des SWR-Orchesters Konzertes gestern. Allerdings mußten weder Adrian, mein Sohn, noch ich wegen der Zugabe „schwimmen“, weil Currentzis → sie ansagte. Leider kenne ich die Namen der Viere nicht, die sie zur Aufführung brachten und habe eben an den Konzertveranstalter, aber auch den SWR-Redakteur angeschrieben, ob sie sie mir noch nennen können, bevor ich meine, nun jà, „Kritik“ der Jungen Welt fertig zusende. Was bis zwölf Uhr geschehen sein muß, soll der Text morgen drinstehn.

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