Waldtraut Lewins Schwanenbuch: Sätze, Wendungen, Wörter.

 

 

[alles zitiert nach der Erstausgabe des
Verlags Neues Leben, Berlin 1973,

2. Auflage 1975)]

 

 

rechnet mit dem Hausmeister und bezichtigt ihn des Unterschleifs
S. 49 (allein schon der Genitiv!)

Es ist nun genug mit dieser Art Erinnerungen. Sie taugen nichts. Unversehens sind daraus Erinnerungen an den toten Lucius geworden, der freilich wohl untrennbar ist von Auletes, aber doch unser Denken nicht so beherrschen sollte, wie er es im Moment tut. Man kommt nicht von ihm los und merkt auf einmal, daß ihm eine abscheuliche Art Unsterblichkeit verliehen ist, eine unterweltliche Spielart sozusagen.
S. 58

Eines Tages beim Ballspiel (da sie verlor, hatte sie Lust, ihn zu verletzen)
S. 59

er hat den Mund offen wie eine tote Muräne und glotzt vor sich hin
S. 73

Ihr sprecht fröhlich zueinander und mit halber Stimme, um diese kleine vertrauliche Zeremonie nicht zu stören, begleitet von dem gedämpften Klirren von Löffeln und Tiegeln, Seine Hantierungen sind angenehm zu sehen, es ist ein bißchen wie Zauberei.
S. 81

So daß der junge Römer sehr bald an dem Angelhaken der eigenen Argumente zappelt
S. 81

„Spekulation auf Dankbarkeit ist kein Ersatz für Beweise.“
S. 82

wobei er die Ecken der Erzählung für die Ohren des Persönchens natürlich abschleift[1]Im Original lautet das Zitat allerdings: „wobei er die Ecken der Erzählung allerdings abschleift für die Ohren des Persönchens“
S. 87

Schweigen ist die Ehre des Sklaven und vor allem seine Möglichkeit, am Leben zu bleiben.
S. 89

Gegen das, was mir später zu begegnete, hatte er ja ausgezeichnete erotische Manieren, und was er lehrte, hatte stets einen gewissen Kunstcharakter, der die nackte Geilheit milderte. Priapus mit dem Blumenkranz, sozusagen, für den Anfang gar nicht schlecht.
S. 90

Es ist eine völlig unbeabsichtigte, wenngleich sehr effektvolle Szene.
S. 101

Nicht schlecht sein, das hilft nicht, das tut’s nicht allein. Gut sein muß einer. Gut sein.
S. 127

willenlos überläßt sie ihm die Hände, mit jenem Glanz der Trunkenheit in den Augen.
S. 131

bleibt sie stehen, hebt sich auf die Spitzen ihrer Füße und küßt ihn auf die Stirn. Da sie schon einmal auf den Zehen ist, geht sie auch so hinaus, obwohl nicht der geringste Grund dafür vorhanden ist.
S. 134

denn sie sind von der Arbeit erschöpft und des Denkens ungewohnt.
S. 141 (abermals dieser grandiose Genitiv!)

ihre schmächtigen Kinderarme, dünn und glänzend wie Mondstrahlen
S. 162

Diese so ferne Frage, dies ausgerechnet muß seine Sorge sein, das, was nach den Kämpfen kommt (falls da etwas kommt), was aber schon in ihre Kämpfe eingebettet sein muß, kurz also: ihre Moral, falls man so will.
S. 175

So muß Freiheit sein. Wasser holen.
S. 181

weil die Hefe seiner Gedanken nicht in den Teig der Wirklichkeit paßte.
S. 187

Er treibt die Dinge auf die Spitze und bricht sie ihnen dadurch ab.
S. 194

Nach einer Weile öffnen sich Lalages Lippen, durchsichtig wie die Leiber von Meerestieren
S. 204

Menander[2]Menander, röm. Komödiendichter, 342 – 290 v.C. sagt: Mach alles, Gott, aus mir, nur keinen Menschen.
S. 205

Ihre Bewegung, warm, schwer und unbeirrbar wir die Liebkosung einer Kuh
S. 223

Womit kann man den Tod vertreiben, wenn er zwischen den Gesichtern schwebt? Man darf ihm keinen Platz lassen. Man muß den ganzen Raum mit Liebe ausfüllen. Und Auletes, vor der gesamten familia des Hauses, führt langsam und andächtig seinen Mund auf ihre blassen Lippen; nun ist kein Platz mehr für das Sterben da.
S. 237

Es ist nicht Eifersucht. Sondern, unter allen Lebensdingen muß einer sein, dem wir uns anvertraun und dem wir uns weihn. Und er soll unverletzbar und sein Leben unbefleckt erscheinen, damit wir ihn lebend trösten und als Toten beweinen. Und er soll einzig sein und nicht vermischt mit Unreinem.
S. 244

nach und nach verstummt der Gesang, die Straßenverkäufer stehen müßig an den Ecken und sparen ihre Lunge
S. 249

„Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor“, ein schönes Zitat[3]Homer, Odyssee, 11. Gesang, Vers 598berühmt durch sprachliche Meisterschaft. So daß er, bei Licht besehen, jetzt eigentlich schon im Rollen ist, rollt, lange rollt, bevor man im Tal sein Donnergrollen zu vernehmen willens oder fähig ist.
S. 250

Sie hat um den Hals mehr Perlen, als ein Reitstall kostet.
S. 269

So aber und bei den Dingen, um die es hier geht — nämlich um das Leben der Todgeweihten, auf deren Nacken man den Fuß setzt —, ist der Unglückliche nichts als ein Verräter. [Und dann diese extrem elegante erzählerische Volte:] Für feinere Unterscheidungen ist jetzt nicht Ort und Zeit.
S. 281

Die Absolution, die hier erteilt wird, kann nicht angenommen werden.
S. 286

Der Abend ist gewittrig und schwül, durchaus geschaffen zu großer Szenerie (wird aber statt dessen mit Erbärmlichkeit belastet)
S. 289

Sie lebt in Wahrheit, wir aber [leben] in Wirklichkeit.
S. 311

daß Frauen, diese erstaunlichen Geschöpfe, entgegen der allgemeinen Ansicht nicht nur geschaffen sind, Kummer, Qual und physischen Schmerz zu ertragen und sonst nichts, sondern fähig, nein zu sagen im entscheidenden Moment und damit neue Dinge in die Welt zu bringen oder auch nur (und vielleicht ist das das Eigentliche) die Dinge durch ein Nein in ein anderes Verhältnis zueinander zu setzen. Durch ihr Wissen, daß man sich verweigern kann, verweigern muß.
S. 322

im Angesicht des Scheidens und des Todes (was ja dasselbe ist), weiß ich plötzlich, warum ich lebe.
S. 340

seine Zunge auf dem glatten Elfenbein ihres Gaumens
S. 341

sagt der Herr mit verwahrlostem Spott [Hervorheb. von mir, ANH]
S. 344

Wenn unsere Pläne immer so unnütz sind, hätte ich vielleicht lieber bei meinen Rechenbüchern bleiben sollen. Dort haben Aufgaben die Eigenschaft, lösbar zu sein.
S. 355

Alles wird ohne mich gehen, vielleicht sogar besser. Auf sie alle ist Verlaß. Ich habe sie gern gehabt, aber die große, böse Traurigkeit in mir überschwemmt mich, so daß ich nicht fähig bin, diese Trennung zu empfinden. Ich stelle sie fest. Zudem ist man bei diesen unwirklichen Geschehen vor sich und anderen entschuldbar, wenn man es an Rührung mangeln läßt. Und man hat ja zunächst auch alle Hände voll zu tun, einfach, um sich festzuhalten.
S. 361

Aber ist das noch eine Nacht zu nennen? Der Mond, grün wie Wasser, macht sie zum Tage.
S. 362

Wir sind aber in der Zeit der Wunder. (…) Er macht sich mit der Neuigkeit vertraut, daß er sich das erstemal in seinem Leben gewehrt hat. Daß es so einfach ist, erstens. Viel einfacher, als sich mißbrauchen zu lassen, was eine unglaubliche Menge an Energie verlangt. Dann aber, daß es angenehm ist.
S. 364

[Nachdem eine junge eigenwillige römische Patrizierin, die ihn, den gebildeten Sklaven Aureles, dessen und seiner „Klasse“(Hier eigentlich kein anwendbarer, weil neuzeitlicher Begriff.)) Aufstand ihr einen von der patriarchalen römischen Gesellschaft untersagten Akt der Emanzipation ermöglicht hat und den sie nun erotisch begehrt … nachdem sie ihm statt dem verweigerten Mundkuß einen Peitschenhieb quer übers Gesicht versetzt hat[4]So war es ein Versehen. Küsse, Bisse,
Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt,
Kann schon das Eine für das Andre greifen.
Kleist, Penthesilea, Auftritt 24
, wovon ein aufständischer Feldarbeiter Zeuge wurde:] kaum anzunehmen, daß dieser nette Feldarbeiter für solche Art von Zärtlichkeiten Verständnis hatte.
S. 375

… und mit welch verspielter Lust, sie römische Alltagsbegriffe verwendet:

pemmata – süße Nichtigkeiten, S. 88homonaia[5]hier als emphatisch kommunistische Idee: „Einklang aller Herzen und Seelen“,
S. 95 — „Verdammter Kinäde[6]kinaios, gr.: Homosexueller, S. 109 Veste[7]altes Wort für „Burg“, S. 146nugae[8]Mitbringsel, etwa Naschereien, auch Plunder, kleine bildnerische Frivolitäten etwa, z.B. Statuettchen, auch miniature Gafiken usw., S. 268 ergastula[9]Arbeitshaus der Sklaven, 275 Palla[10]langes römisches Frauengewand, dessen männliches Gegenstück „Pallium“ heißt

Es gehört zur Schönheit dieser Prosa, daß wir dauernd nachschlagen, uns also bilden müssen. Auch auf diese Weise bereichert sie uns — kaum zu ermessen, wie sehr.

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Siehe auch → dort.

ANH, 14.28 Uhr
[Jarrett, Sundial]

 

 

References

References
1 Im Original lautet das Zitat allerdings: „wobei er die Ecken der Erzählung allerdings abschleift für die Ohren des Persönchens“
2 Menander, röm. Komödiendichter, 342 – 290 v.C.
3 Homer, Odyssee, 11. Gesang, Vers 598
4 So war es ein Versehen. Küsse, Bisse,
Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt,
Kann schon das Eine für das Andre greifen.
Kleist, Penthesilea, Auftritt 24
5 hier als emphatisch kommunistische Idee: „Einklang aller Herzen und Seelen“
6 kinaios, gr.: Homosexueller
7 altes Wort für „Burg“
8 Mitbringsel, etwa Naschereien, auch Plunder, kleine bildnerische Frivolitäten etwa, z.B. Statuettchen, auch miniature Gafiken usw.
9 Arbeitshaus der Sklaven
10 langes römisches Frauengewand, dessen männliches Gegenstück „Pallium“ heißt

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