Am Fuß des Regenbogens: Trauer um Peter Eötvös.

[Beitragsbild: Wikipedia, → Gaspar Stekovicz]

          „Der zweite tragische Verlust in kurzer Zeit nach Aribert Reimann für die hörbare Gegenwartsmusik“, schrieb gestern → Manuel Brug in der WELT — indem „anhörbar“ auf „hörbar“ substrahiert wird, freilich, zugleich ein so feiner wie unnötiger Seitenhieb gen … ich schreibe einmal „Abstraktismus“; unnötig, weil die Darmstädter Schule eh kaum noch wer kennt, die Zeitläuft‘ haben sie längst überschwemmt: Wer nachtritt, tritt nicht mal mehr in Schlick. Den bringt doch viel mehr der Wohlklang hervor, zwar selten, doch leider auch → bei Eötvös. Sein zweites Violinkonzert hingegen läßt uns benommen vor nichtverkitschter Schönheit zurück: „… ein Prachtbeispiel für das, was nach der Postmoderne wieder möglich ist: zugleich hinreißende, leidenschaftliche Musik zu schreiben, die dennoch die Moderne nicht verrät“, formulierte ich seinerzeit → dort. Ganz ebenso „Seven für Viola und Orchester“ und, ach, so vieles mehr!

         Ich habe Peter Eötvös verehrt, auf eine mir selbst ungewohnt stille, von seinem, glaub ich, Stil verklärte Weise. Trat er, um zu dirigieren, vor welches Orchester auch immer, brauchte er niemals den Taktstock, und also gebrauchte er keinen. Und als Komponist stand er mir auch deshalb nah, weil er Synkretist, undogmatisch nämlich, war und als solcher Schönheitssucher.
Es wurde schon immer viel gestorben, doch früher war der Horizont noch weit, sehr weit entfernt. Bei Glenn Goulds Tod habe ich geweint, bei Carlos Kleibers ebenfalls, bei Henzes schon etwas geschluckt. Nun mußte ich denken, würd ich so lange leben wie Eötvös, hätt ich grade noch elf Jahre – weniger Zeit, als die Béartgedichte brauchten. So stehe ich am Horizont schon beinah selbst, er entfernt sich nicht mehr wirklich, wenn ich in seine Richtung geh, bleibt einfach stehn, wie wenn er mich erwartet. Es ist beklemmend, wenn, daß wer den Fuß des Regenbogens erreicht, nicht mehr nur ein Märchen ist.

 

          ANH, 25. März 2024
                           [Eötvös, DoReMi: Zweites Konzert für Violine und Orchester]

 

Nachruf der Staatsoper Unter den Linden, Berlin

 

 




 

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