(Jedenfalls nicht die, die bei → Arco erschienen.)
Nämlich lautet die moralische Vorschrift, daß, wenn ein Verleger Bücher rezensiert, die aus seinem eigenen Hause für Rezensionen tabu sind – nicht nur für ihn, das wäre völlig einzusehen, sondern für jeden – jeden anderen Beiträger auch. So möchte der Sender wohl Voreingenommenheiten vermeiden, die aber ja dennoch grassieren, wenn auch aus anderen, nicht selten miesen Gründen. In einigen Fällen grassieren sie sogar derart extrem, daß Vorschriften wie die genannte jene nur noch so richtig füttern. Wer böswillig denkt, könnte meinen: damit sie obsiegen.
Nun ist sie, Die Dschungel, böswillig nicht. Nur blickt sie – aus Vorsicht und Notwehr aller Natur – sehr genau.
Mein Verleger, jetzt muß ich schreiben „leider“, rezensiert für diesen Funk und ist — nochmals muß ich „leider“ schreiben — auf Einnahmen daraus angewiesen, kann damit nicht einfach aufhören. Weshalb wohl sollte er denn auch? Er setzt seine Aufträge → ausgesprochen gut um.
Was nun aber bedeutet diese Vorschrift für Autorinnen und Autoren? Daß sie sich von ihrem Verlag besser distanzieren, wenn sie beim Deutschlandfunk rezensiert werden wollen? daß sie Verträge brechen oder erst gar nicht unterzeichnen? — wobei, welcher Autor, welche Autorin weiß denn schon von vornherein, ob ihre Verlegerinnen und Verleger nicht auch rezensierend unterwegs sind? Ich meinerseits erfuhr es erst, und von dieser Vorschrift, als ich → Bücher bei Arco schon hatte. Und weshalb stellt der Sender selbst nicht zum Beispiel infrage, ob ein rezensierender Verleger Bücher anderer Verlag mit konkurrierender Absicht verreißt? Da gibt es erstaunlicherweise moralische Vorschriften – jedenfalls noch – n i c h t . Kann freilich alles noch kommen. Wenn → die skandalös überbezahlten Intendantinnen und Intendanten den Skandal in woken Westen noch ganz besonders reinwaschen wollen. Und wir, die wir kaum unsere Mieten stemmen, sind noch gezwungen, solche Gehälter mitzufinanzieren
(Übrigens galt in manchen öffentlich-rechtlichen Rundfunkzwangsanstalten auch, daß Autorinnen und Autoren nicht ihre Zeitgenossinnen & -genossen besprechen dürften, jedenfalls nicht noch Lebende, sofern sie denselben Sprachraum nutzen. Da kam die Idee gar nicht erst auf, es gehe uns Dichtern, Dichterinnen um Konkurrenz durchaus nicht, sondern wirklich um die literarästhetische, wie es heißt, „Sache“ — ganz abgesehen davon, daß ein berechtigter Verriß unvergleichlich mehr Arbeitszeit (ver)braucht als ein lobender Text. Denn dieser wird kaum schaden, der andere bringt Verantwortung mit sich. Und weshalb, nun sowieso, soll ich für ein schlechtes Buch die gute Lebenszeit vergeuden? Wir sind doch viel zu sterblich dafür!
Aber um diesen Nexus geht’s grad nicht.)
Ich hab es aufgegeben, mich gegen solchen Moralismus erzürnt zu erheben. Benannt haben, aber, will ich ihn. Und so ist’s jetzt geschehen — um 20.21 Uhr des ersten Tages meines einundsiebzigsten Lebensjahrs, und ich kann → „meinen“ Lüscher weiterlesen.
ANH