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Werwölfe wie wir (2): Steingrimkreise ODER die Plejaden Erling Viks.

Künstler sind beneidenswerte Leute, sie haben ihr Leben in eigene Regie genommen, aber sie haben auch Veranlassung, einige andere zu beneiden. Zum Beispiel Geschäftsleute, Industrielle und dergleichen, solche, die einen dummen, rücksichtslosen und beleidigenden Brief einfach in den Papierkorb schnippen und zur Tagesordnung übergehen können, weil der nächste Punkt und so gut wie alle folgenden Punkte eindeutige Problemstellungen enthalten, die exakte Lösungen erfordern. Wer sich bei einem Künstler eindrängt, nimmt ihm das Gärmittel aus dem Brotteig, und wenn er versucht, daraus am selben Tag noch etwas zu backen, wird es flach und hart wie ein Stück Holz. Er braucht erst eine bestimmte Zeit, um einen Brief oder einen Störenfried von sich abzuschütteln (…) Eine Störung ist für einen Künstler und für einen Wissenschaftler ein Unglücksfall wie ein gebrochener Finger – weil solche Menschen keine Möglichkeit haben, ihre Konzentration von einer Sache auf die andere zu verlagern. (…)
Zum Glück gab es Leute, die sich nicht stören konnten, weil sie zueinander gehörten wie der Wetterwechsel zur Natur. In einem Steingrimkreis kam keiner ungelegen oder riß jemanden aus seinen Gedanken; das war einer jener menschlichen Kreise, den die Soziologen noch nicht zu analysieren vermocht oder vielleicht noch nicht einmal entdeckt hatten (…) Es wurden keine Versammlungen abgehalten, es gab keinen Club, keine Organisation, niemand wurde mit Stimmenmehrheit aufgenommen oder ausgeschlossen, es gab keine finsteren Geheimnisse, kein Skelett unter dem Bett, und niemand brachte Gäste mit, denn der Transport zu den Plejaden gestaltet sich schwierig.

Aksel Sandemose, Der Werwolf, 247-249
Dtsch. von Udo Birckholz

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