Arbeitsjournal. Montag, der 8. Januar 2007.

4.39 Uhr:
[Berlin. Küchentisch.]
Ich hab jetzt etwas weniger als zwei Stunden, um die vierzig Seiten der noch verbleibenden Erstkorrekturen in ARGO zu übertragen, also so weit, wie ich damit gekommen bin. Danach sind noch rund 400 Seiten durchzukorrigieren, von denen ich vielleicht hundert schaffen werde, bevor der Kloß in acht Tagen wegen des Ablaufs der Döblin-Preis-Frist zum >>>> LCB gebracht werden muß. Gestern kam übrigens die schon von mir erwartete Absage von >>>> Marcel Hartges, dem neuen Literaturchef des >>>> Dumont Literaturverlages. Hartges hat seine Mail sehr freundlich, sehr gewogen formuliert, aber es ist nicht einzuschätzen, inwieweit das daran liegt, daß ich Ab- und Zusagen immer mal wieder in Der Dschungel veröffentliche. Andererseits kenne ich Hartges noch aus seinen Rowohlt-Zeiten, und er betreut den von mir so geschätzten >>>> Helmut Krausser, der sich ja bei Dumont für meine Arbeit verwandt hatte.(…) Jeder Neuzugang – und natürlich wird es solche auch geben -, will sehr reiflich überlegt sein. Und sich jetzt, mit dem Abschluß der Trilogie, für Dich zu engagieren, ist einfach ein sehr schwieriger Zeitpunkt. Es wäre ein Wagnis mit ungünstigen Auspizien, das ich hier und heute nicht eingehen möchte. (…) Es ist nicht schön, Dir abzusagen, es fällt mir sogar ausgesprochen schwer, aber ich sehe einfach nicht, wie ich ARGO unter den gegenwärtigen Umständen stemmen könnte.
Ich wünsche Dir sehr, dass Du andernorts einen geneigteren Verlag findest und Deine Odyssee durch das Verlagsmeer in einem guten Hafen endet.
Damit wird der Brief beschlossen. Ich war auf dieses Ergebnis längst eingestellt, deshalb trifft es mich nicht. Und bin ohnedies jetzt insgesamt auf >>>> Dielmann ausgerichtet. Der hat als allererster und fast sofort „Ja“ gesagt. Es ist wirklich absurd. Einen Großverlag werde ich – jedenfalls für dieses Projekt, das einen solchen so sehr brauchte (und ich selbst, aus finanziellen Gründen, brauchte ihn a u c h) – nicht mehr finden; ausgerechnet ein Kleinverlag, dessen fehlende Kapitalkraft so offen ist wie eine offene Wunde, w a g t sich. Wenn man für die letzten Jahre zurückschaut, waren es allerdings fast i m m e r Kleinverlage, die ungesicherte Projekte, auch riesige, durchgesetzt und Risiko genommen haben, unter welchen für alle Beteiligten nicht selten tödlichen Drahtseilakten auch immer. Auch >>>> Stroemfeld/Roter Stern ist dafür ein Beispiel. Das Perverse an der Situation ist zumal, daß, wenn sich ein solches Publikations-Beispiel dann wider Erwarten d o c h durchsetzt, das Buch irgendwann zu einem Großverlag ins Taschenbuch kommt; und daß man sich dort ursprünglich mit allem anderem als mit Ruhm bekleckerte, gerät ins Vergessen. Auf das Taschenbuch sind aber dann die wagemutig Beteiligten wiederum angewiesen, nämlich aufs Lizenzhonorar. Und auf den Vertrieb der jeweiligen Taschenbuch-Kette..
Mit >>>> WOLPERTINGER ODER DAS BLAU lief das nicht anders; bevor es zu Dielmann kam, hatte das Typoskript 35 Ablehnungen hinnehmen müssen, einmal quer durch die deutschsprachige Verlagslandschaft. Jetzt aber, seit über dreizehn Jahren, h ä l t sich der Roman am Markt. Seine Übernahme zu >>>> dtv ins Taschenbuch verdankt er allerdings a u c h einer Mutleistung des dortigen Verlagschefs; das will ich auf keinen Fall verschweigen.

Aber ich muß an die Arbeit, Weiteres hier vielleicht später. Um halb sieben ist der Junge zu wecken, da heute wieder die Schule beginnt.

15.31 Uhr:
Bis TS EF 566 sämtliche ARGO-Verbesserungen des ersten Korrekturgangs übertragen und an den Freund zum Ausdruck geschickt. Jetzt ist neu weiterzukorrigieren; was bis Mittwoch nicht fertig ist, geht unkorrigiert an die Döblin-Jury. Tiefer Mittagsschlaf dann. Und gleich muß ich den Jungen von der Schule abholen, der seine Freundin mitbringt bis zum Abend, wenn‘s dann zur Geliebten hinübergeht. Wegen MEERE fand ich eine Mahnung nebst Zwangsvollstreckungs-, bzw. Beugehafts-Androhung im Briefkasten der Arbeitswohnung. Es sind Raten nicht gezahlt; ich kann sie auch nicht zahlen. Deshalb werd ich nun, wegen Verjährung, Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegen. Es sind ja z w e i Verfahren gewesen: eines gegen den Verlag, das verlorenging (incl. nicht zugelassener Berufung, in deren Begründung sich das Gericht auf das BGH-Urteil in Sachen Maxim Biller/Ezra bezog; das ist allein schon ästhetisch ein ziemlicher Unfug, aber eine prozeßrechtliche Beschwerde beim Verfassungsgericht wäre zu riskant gewesen, vor allem zu teuer); und ein Verfahren gegen mich selbst, das nie aufgenommen wurde. U m es aufzunehmen, ist es nun zu spät; die Sache ist de facto verjährt, und ich will die Gerichtskosten wiederhaben, die abzustottern mir schwer genug gefallen sind und die ich nun eben nicht weiter abstottern k a n n. Allerdings will ich die Sache vorher noch mit dem Kläger, in meinem Fall: Antragsteller, ansprechen. Aus zutiefst privatem Grund möchte ich hier nicht wieder verletzen. Das alles ist emotional höchst heikel. Immerhin kommt MEERE so frei. Mit dem Kläger habe ich bereits das agreement getroffen, daß ich nunmehr eine auf etwa vierfünf Seiten leicht revidierte, sogenannte persische Fassung publizieren werde. Darüber schrieb ich ja schon einige Male.

0.55 Uhr:
Nach Sohn und Geliebter noch mit dem Profi in >>>> der Bar gesessen, wo ich noch über vier Jahrzehnte lang ein Natural-Honorar vertrinken darf. Lange gesprochen, auch übers (noch) verbotene Buch und die Folgen die die anstehende Freigabe haben könnte, ästhetische, literarpolitische, insbesondere in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen. Man wird sehen, was nach dem Widerspruch und der Publizierung der persischen Fassung geschehen wird und welcherart Diskussionen dann etwaig geführt werden; jedenfalls würde ich in d i e s e m Fall den Makel des Amoralisten los. Dabei gäbe es dafür ganz andere Gründe. Aber egal. ARGO steht an, das Ding muß in der ZF fertigwerden, so weit es geht. Alles andere – außer Privatem – hat bis Ende Januar Nachrang.
Morgen vormittag geht‘s wieder nach Bamberg. Ein Vorgespräch wegen der Münchener >>>> Akademie-Lesung am 18. 1. steht an, kurzfristig von der Concordia-Leitung einberufen. Abends jour fixe, und am Mittwoch ist >>>> Dielmann für die BAMBERGER ELEGIEN da. Alles in allem spannend. Die familiäre Situation macht es nötig, daß ich bereits am Donnerstag wieder in Berlin sein muß.
Ich trink jetzt noch ein Bier, dann geh ich schlafen, um um 4.30 Uhr hochzukommen. Das wird s e h r wenig Schlaf heute werden. Ah ja, meinen >>>> kleinen poetologischen Text über die Vergana hab ich fürs Literaturhaus Köln auch noch fertiggestellt.

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