Analogie. Formgesetz der Ähnlichkeit. Flirren im Erscheinungsraum. ARGO-ÜA (8).

Es gibt eine Parallalelität der Ereignisse, ein sowohl natürliches wie künstlerisches Formgesetz der Analogie, das indessen nicht fixiert, sondern an seinen Konturen sehr liquide ist und über die Schaffung bloßer Ähnlichkeiten hinausgeht. Aufgrund seiner Regulationen kann es zu erstaunlich zeitgleicher Entstehung kommen voneinander unabhängiger Gebilde mit fastidentischer Struktur. Es sind Überlappungen der auffälligsten Art, die sich hingegen anders als über das Modell eines unbestimmbaren, nicht meßbaren, die Phänomene dennoch durchdringenden Äthers, worin das Formgesetz schwimmt, kaum herleiten lassen. Wie sich alte Ehepaare zunehmend ähnlich werden nicht nur in ihren Gesten, nein, im Gesichtsschnitt, in einer plötzlichen Ermattung der Augenfarbe, so werden zur selben Zeit identische Erfindungen gemacht, Poetiken entwickelt, sogar biologische Mutationen vollzogen.
>>>> Thetis, 809.

Man kann dies sowohl als eine ‚Entschuldigung’ dafür lesen, daß die konsistente Erzählung eines Romans nicht gelang, wie auch als eine wirkliche Grundlegung einer notwendigen, nicht-konsistenten, ‚kybernetischen’ Möglichkeits-Ästhetik. Die Unschärfe der Figuren gegeneinander und die Widersprüche, die der Text ganz offen ausbreitet und auch immer wieder deutlich fokussiert, können also eine Schwäche des Autors sein, aber ebenso seine Stärke. Diese Ambivalenz spiegelt schon ihrerseits, was der logische Skandal ist, den dieses Buch darstellt. Was es tatsächlich ist, darüber wird so etwas wie Nachwelt entscheiden; ich bin selbst dazu außerstande.

[Poetologie. Zur Allegorie.]

3 thoughts on “Analogie. Formgesetz der Ähnlichkeit. Flirren im Erscheinungsraum. ARGO-ÜA (8).

  1. Der Vordenker… Walter Benjamin entwickelt die Kategorie der ‘Ähnlichkeit’ auch im Hinblick auf den erkenntnistheoretischen Begriff der ‘Erfahrung’, er spricht von ‘Ähnlichkeitserfahrung’..
    Die phylogenetisch und ontogenetisch begründete menschliche Fähigkeit, ‘Ähnlichkeiten zu produzieren’, gilt ihm als Motor des mimetischen Vermögens.
    Den einstmals allumfassenden Zwang zur Mimikry sieht Benjamin in der Merkwelt des modernen Menschen nicht einfach ‘abgestorben’, sondern lediglich ‘verwandelt’. Dieses mimetische Vermögen hat in der ‘Moderne’ als
    ‘unsinnliche Ähnlichkeit’ in der ‘Schrift’ und in der ‘Sprache’ überlebt.
    Dergestalt wäre die Sprache die höchste Verwendung des mimetischen Vermögens, ein Medium, in das ohne Rest die früheren Merkfähigkeiten für das ‘Ähnliche’ so eingegangen sind, dass nun sie (die Sprache) das Medium darstellt

    (Lehre vom Ähnlichen)

    1. Da nicht jüdischer Herkunft, teile ich Benjamins sprachmagisches Denken nur teils. Bin aber, wiederum, sehr davon beeinflußt: Zum Phänomen der Ähnlichkeit – die ich in einer Benjamon geschuldeten Denkbewegung von “Identität” fließend unterscheide – schrieb ich u.a. >>>>h i e r. Es gibt aber Phänomene, die nicht sprachlich ‘nachahmbar’ sind und die ich (da ich den Unterschied Substanz-Akzidenz nicht mitmache, sondern das als monotheistisch-religiös ablehne) dennoch für ‘substanziell’ halte: etwa das, was bei Schopenhauer und Nietzsche der “Wille” ist und das Empfinden fürs Wunder von Vergehen und Werden. Den – vielleicht – adäquaten Ausdruck hierfür hat die Musik, nicht die Dichtung, die immer ans Wort gefesselt bleibt. Musik vermag die emotionalen Gründe zu erfassen, ihnen Laut zu geben, s i e nachzuahmen (interessanterweise gerade diese so mathematisch bedingte Kunstform). Wohl aber hat auch das Wort schöpferischen Anteil, insoweit es, als der Ausdruck eines Gedachten, die Voraussetzung dafür ist, daß Gedachtes seinerseits real wird; zum Beispiel ein Flugzeug, eine Waschmaschine, ein Medikament, also alles das, was wir als nicht zur Kunst gehörende Kulturleistung verstehen.
      Insofern, da eben widerspreche ich Benjamins mosaisch hierarchischer Wertung, gibt es keine ‘höchste Verwendung des mimetischen Vermögens’; Musik ahmt mindestens ebenso nach, nur eben etwas anderes; und auch Malerei ahmt anderes nach. Wodurch aus der Nachahmung Neuschöpfung wird: Es kommt etwas zur Welt noch hinzu, das vorher nicht in ihr war und ohne diese speziell künstlerische Nachahnung* nie in ihr wäre.
      Dieses Geschehen kompliziert sich durch Selbstreferentialität: denn Kunst ahmt nicht nur Natur oder Naturähnliches nach, sondern Denken selbst und Kulturelles, verwandelt wiederum das – und so fort ad lib. Schließlich wird (Benjamin, “Dritte Natur”, der ich eine vierte, fünfte… n’te dazugebe; genau das geschieht seit dem WOLPERTINGER sehr bewußt in nahezu a l l e n meinen Büchern) Kulturelles wie ein Naturphänomen gemeinsam m i t den Naturphänomenen nachgeahmt und verwandelt. Das ist die Grundlage für das, was ich >>>>> ‘Kybernetischer Realismus’ nenne.

      [Poetologie. Kybernetischer Realismus.]

      [*) S c h ö n e r Verschreiber; den laß ich jetzt stehen!]

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