Bamberger Elegien (47). Elfte Elegie (4). Entwurf des Schlusses.

Niemand mußte ihn fangen, der Spatz kam von selber. Und bleibt auch,
tschilpenden Spott im Schnabel, liebevollen, weil wir
so sehr nicht wußten, was wir vollziehen und wen wir rufen:
Wartende, die der Lustschrei weckte und anlockt. Daß wir
zärtlich werden danach, der Mann ganz besonders (es jammert
anfangs, und glücklich, immer die F r a u, die so bereit ist),
das vertraut sie: da tasten sie sich vor aus dem Spatzen in die
Nidation. Dann, als hielte sie’s im Arm schon,
liegt der neuen Mutter rein Kindliches an in dem Mann, und
lange bebt es so durch ihn hindurch, daß er die Beine
anzieht, wie jenes embryonal, das es wagte. Und wählte.
Unter Hunderten, Tausenden wählt’ es, die es erkannten,
seine Eltern, doch wohl gleichfalls, ohne zu wissen;
denn auch die Nichtgeborenen spürn nur und folgen Instinkten,
warmen, lebendigen; und als Musik ertönt es auch ihnen.
Sie ist es, der sie folgen (nicht aber alle hörn sie;
manche warten vergeblich Ären; die hören’s niemals
möglicherweise; von denen streift manchmal ungefähres
Klagen klammganz durch nachtkahle Straßen: moderne Wälder,
hallende, tiefe, metallne und wird uns irreale
Angst), und sie löst, diese Musik, sie aus Wipfel, Treppe,
Kiesel, Bachlauf, aus Hauswand, Fensterkreuz, Büscheln Grases;
nicht nur dortaus, auch aus Überleitungsmasten,
Autoreifen, Litfaßsäulen, Fernsehgeräten:
molekül in allem, das ist – ja, manchmal falln sie
regengleich, wenn die Tropfen, um Wolke zu bleiben, schon zu
schwer sind, hinab; die Luft ist schwirrend voll von ihnen.
Mag es sein, daß s i e’s sind, was das Medium wahrnimmt,
wenn die Séance es öffnet? Und: „Glaubst du’s?“ Ich glaub es, indem ich’s
schreibe – Wahrheit s c h a f f t sich auch und, neue werdend,
wirkt es durch das Verhältnis, das wir, gleichfalls wandelnd,
zu ihr haben: nicht anders geht Schöpfung. Daher der Schauer,
der durch das musizierende Weib geht; ganz ist’s derselbe,
der uns, obwohl wir nicht glauben, in manchen Kirchen erfaßt, und
wenn ein Chor drin aufbrandend singt, zu Streichern, schwerem
Blech und zur Orgel. Erdkraft selber tost drin, Erlöser
weder noch ein Gott; auch dies ist alles so irdisch,
daß wir sie, endlich, begreifen: die Zeugung durch das Ohr.

(Eben kam ein Wind, und Regen kam, dunkel, wieder.
Doch ich laß ihn ihr geöffnet, den Beckengrund, und
schließe, mein Sohn, die Tür n i c h t zur Terrasse. Noch mich, der
fröstelnd, momentlang die Augen geschlossen, ihr zulauscht:
der Bamberger Taufe. )

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