Von Hartmann. Job kommt nicht von Berufung.



Wo die Technik, die ‚Machart’ im Vordergrund steht, kann eine Komposition weder Aussage noch Kunstwerk werden.

Von meiner Arbeit, zitiert nach >>>> McCredie.




Dem korrespondiert eigenwillig die Aussage >>>> Rostropovitschs in einem Interview. Seinerzeit gefragt, wie er denn (in seiner Interpretation der bachschen Cellosuiten) diese rasenden Läufe und die mit ihnen verbundene Anstrengung rein physisch verkrafte, sagte er damals:

Ach, wissen Sie, irgendwann hört Technik auf, ein Problem zu sein.
Dieser Satz beschäftigt mich bis heute immer wieder. Er stellt nämlich zwischen den Zeilen einen Anspruch auf, gegenüber dem der Einzelne sehr klein wird in seiner persönlichen Bedürfnislage: daß Kunst nämlich erst jenseits der Technik – nicht aber ohne sie – beginnen, daß sie sich erst jenseits der Verfügungskraft über die künstlerischen Mittel, die einer haben k ö n n t e, und zwar sämtlich denkbarer, entfalten könne. Alles vorher wäre dann, mit einem Wort Adornos, „kompositionsfremde Bastelei“. Dieses gilt für Kunst insgesamt, also auch für die Dichtung.

[Mit zunehmendem Alter beginne ich, strikt zwischen „Schriftsteller“ und „Dichter“ zu unterscheiden, und zwar nicht aufgrund der jeweils gewählten Ausdruckskategorien – nicht also daran betrachtet, ob jemand Lyrik oder Prosa schreibt -, sondern in der Art, w i e geschrieben wird. Und ob zu schreiben (zu komponieren/zu malen) eine Lebensform ist. Das deutsche Wort beschrieb es eigentlich genau: ob man einen B e r u f hat, worin mit Recht ‚Berufung’ schwingt. Oder ob einen Job. Dem Finanzamt gegenüber und in Lexika mag ich ein Schriftsteller sein – ich bin das gegenüber der „Welt“; es ist die funktionale Beschreibung einer Tätigkeit und ihrer Stellung gegenüber und in der Gesellschaft, also eine funktionale Bestimmung. Nicht aber gegenüber der Arbeit; in ihr bin ich Dichter, und zwar auch in den Romanen. Als solcher habe ich Rostropovitschs und >>>> Hartmanns Anspruch zu genügen. Ob dem gesellschaftlichen, der sich in eingebrachtem Mehrwert rechnet, ist dabei egal. Nicht wenige Kollegen mißachten das – ob aus gegenüber der Kunst profaniertem Pragmatismus, ob aus Nichtwissen. Sie geben das Pathos auf, das aller Kunst überhaupt erst Atem einhaucht, selbst wenn es sich – aus Scham vielleicht oder aus Angst vor mißbräuchlichen Interpretationen – in ‚verschiebenden’, widerständigen Spielarten der Groteske und Ironie versteckt.]

[Poetologie.]

4 thoughts on “Von Hartmann. Job kommt nicht von Berufung.

  1. Schön ist es, die Kommentare zu lesen … und nicht selber argumentieren zu müssen. Ich bin pro Pathos. Aber die damit verbundenen Gefühle habe meine Vorposter schon viel schöner dargestellt. Vielen Dank an parallalie und montgelas.

    1. Ich habe, Frau oder Herr Hurdalek, soeben. Noch >>>> hier persönlich reagiert (Eintrag um 19.43 Uhr). – Generell kann ich Ihr Mißbehagen nachvollziehen, ja habe es viele Jahre über geteilt. Meine – auch politische – Haltung zu Pathos hat sich dann über die Jahre eher schleichend als mir bewußt verändert – über meine Arbeit im wesentlichen, aber auch über Lebenserfahrungen, die es ohne ein inneres starkes Pathos nicht gegeben hätte und auf die ich auf keinen Fall verzichten wollte. Nein, ich stürbe n i c h t lieber mit neunzig an Langeweile im Bett; aber auch Krieg ist keine Alternative, wenngleich wir ihn möglicherweise für die sehr nahe Zukunft werden ins Auge fassen müssen. Andererseits empfinde ich Kampf s c h o n als Alternative. (Kampf und Krieg trenne ich deutlich).
      Was Sie mit der Rekrutenvereinigung meinen… ja, ich stimme Ihnen voll zu. Nur ist das ein institutionalisiertes, ein geradezu inszeniertes Pathos und keines, das von innen kommt. Dasselbe gilt fürs Absingen von Nationalhymnen bei Fußballweltmeisterschaften und ähnlichem – und, selbstverständlich, für jede Form des Nationalismus. Ich meine ein ganz anderes Pathos – eines, ohne das Sie keine Sinfonie hören, bzw. verstehen und empfinden könnten, ohne das es Katharsis nicht gäbe, keine religiöse Verzückung, keinen Aufschrei des Verschmelzenwollens und überhaupt keinerlei Erhebung des Innren, sondern letztlich nur Mittelmaß. Eine fade, aber gerechtere Welt fände ich also tatsächlich nicht lebenswert. So wenig wie eine Liebesbeziehung, die es sich eingerichtet hat, ohne wenigstens für die Liebe noch kämpfen zu wollen (ich meine Liebe immer emphatisch) und das dann auch tut. Ich bin in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil von Meinungen, wie sie etwa Enzensberger vertritt. Und wahrscheinlich kein Demokrat.
      Mir ist es wichtig, daß es das Taj Mahal gib, daß es die Pyramiden gibt (ja! o b w o h l Sklaven sie bauten), daß es Beethovens späte Streichquartette gibt usw. usf. Und bin mir dabei bewußt, daß – Pardon für das abermalige Zitat – es keine Leistung der Kultur gibt, die letztlich nicht auf einem Akt der Barbarei gründete. O h n e solche Leistungen aber wäre Welt grau, und wir hätten nichts, was zu besingen wäre. Ich w i l l, mit einem Wort, diese Welt. Was nicht bedeutet, daß ich nicht gegen Mißstände anginge. Das tue ich und bisweilen sehr scharf. Dennoch will ich diese Welt und will nicht, daß sie nicht ist.

    2. Mittlerweile habe ich in meinem Leben gelernt, dass die Haltung von Herrn/Frau Hurdalak ihre Berechtigung hat. Es ist vielleicht ein Dilemma, dass es nicht entscheidbar ist, wer recht hat. Ob die Welt eine bessere ohne Pathos wäre. Doch ich denke, dass bereits dieser – in meinen Augen dialektische – Diskurs über seinen eigenen Pathos verfügt.
      Die Aufdeckung der Schrecken eines falsch verwendeten Pathos und die Verteidigung der Gefühlslebung eines “gerührten” Pathos stellt in sich eine eigene Kategorie dar. In Wirklichkeit versuchen wir doch mit dieser Diskussion Gott zu spielen. Wir möchten ein Phänomen aus der Welt herausnehmen, – oder eben nicht – weil wir eben denken, dass die Welt dann besser liefe. Ist es nicht so, dass jeder derartige Versuch bisher immer gezeigt hat, dass mit jeder menschlichen “kategorischen” (kein Pathos mehr) Intervention immer ein Rattenschwanz an neuen Problemen daherkam?
      Langsam, im Millimetertempo, in “Quantensprüngen” (die sind viel kleiner, als man es sich vorstellen kann) müssen wir uns bewegen, von Gereneration zu Generation. dann schaffen wir es vielleicht, irgendetwas zu verbessern.
      Herzlichen Gruß an alle hier Schreibenden aus Wien

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