Dieser Satz erklärt unabwendbar, weshalb das Glück wenn überhaupt je, so immer nur mißlingend in der Kunst aufscheinen kann oder weshalb, wenn es gelungen aufscheint, das Kunstwerk in höchster Kitschgefahr ist. Kaum je entkommt es ihr. Sondern der Wirkmechanimus aller Kunst ist, wie bereits an anderen Stellen – u. a. >>>> in dieser Diskussion – vermerkt, einer der Perversion, der „Herumdrehung“ von Leid, der es auf bewundernswerte Weise gelingt, dem Innern einen erlittenen, oft grundlegend traumatisierenden Schmerz derart umzuformen, daß ein Gegenstand des ästhetischen Genusses daraus ersteht: sei es der Warnung, sei es der Hoffnung. Die eigene Gestaltungskraft, der die Wahrnehmungshaltung des Rezipienten entspricht, übernimmt gleichsam die Kraft des Unglücks – und diese Verfügung über etwas, das bis zur Unaushaltbarkeit über einen selbst verfügte oder zu verfügen droht, schafft den Genuß.
Dies erklärt die Bedeutung der Kunst in nahezu jeder bekannten Kultur, dies erklärt aber auch ihre Ohnmacht gegenüber der tatsächlichen Welt. Denn die Anstrengung sowohl des Gefühles wie des Verstandes, die für die Aufnahme eines Kunstwerks beide entbunden werden müssen, entsprechen sehr wahrscheinlich der ursprünglichen Stärke der schädigenden Ereignisse, bzw. Kraft. Das Erhabene, das wir in Kunstwerken spüren, ist von daher in keiner Weise ein mimetisch Natürliches, sondern geradezu das Gegenteil. Da das Schädigende letztlich immer ein Unbegriffenes ist, ein Unbegreifbares sogar, bleibt in jedem Kunstwerk ein ebenso nichterklärbarer „Rest“. Dieser aber macht es ganz ungeeignet für etwa die politische Aktion. Deshalb gibt es – in funktionalem Sinn – keine politische Kunst (wohl aber Kunst mit politischem Inhalt). Wann immer hingegen Kunst versucht, faktische Mißstände zu beseitigen, scheitert sie entweder als Aktion, nämlich an ihrer eigenen ‚restlosen‘ Funktionalität, oder aber an sich selbst und wird abermals im besten Fall Kitsch. So auch mit Gedichten an die erlangte Geliebte. Liebesgedichte brauchen Sehnsucht, Liebesromane genauso.
Daraus, daß Kunst ein – d e r – Verarbeitungsmodus des Menschen ist und als solcher einzigartig, bezieht die Kunstfreiheit ihr hohes Recht. Schränkt man sie ein, schränkt man den Menschen ein. Als einer A r t, die sich ausdrückt. Und man nimmt ihr, insgesamt, die utopische Fiktion der Erlösung, die in jedem Trauergesang mitschwingt: als hörte ihn jemand.
(CCCCXVI).
„Danke“.. für diese Worte.