Exzerpte Renz. Schönheit.

>>>> Ulrich Renz: Schönheit, Eine Wissenschaft für sich, Berlin Verlag Berlin 2006. (ISBN 3-8270-0624-4).

Zur Vorbereitung der >>>> Veranstaltung über Schönheit, zusammen mit Winfried Menninghaus. Am 22. September 2002 im Rahmen des Frankfurtmainer Literaturfestes.

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9 Schönheit ist ein Affront gegen einen unserer heiligsten Werte: daß alle Menschen mit den gleichen Chancen ins Leben starten.
11 für die Schönheitsforschung außerordentlich fruchtbar (..): die Evolutionspsychologie.
12 http://www.schoenheitsformel.de
17 Wer nach Antworten sucht, ist erst einmal gut beraten, erst einmal dort zu stöbern, wo er herkommt.
18 Nofretet (deren Name so viel bedeutet wie „die Schöne ist gekommen“); sie ist heute noch genau so das Sinnbild der Schönheit, das sie über drei Jahrtausende am Nil war.
19 …was die Ägypter als Schönheit definierten: „Eine Ausstrahlung, die im Betrachter Liebe erzeugt.“
20 Mit dem Ende der antiken Welt und der Machtübernahme des Christentums scheint der Körper abhanden gekommen zu sein. Fortan zählt nur der Geist. Auf den frühmittelalterlichen Bildern ist vor lauter Heiligenschein kaum noch Platz für den Rest. Der menschliche Körper wirkt unwirklich und mickrig, für ein ganzes Jahrtausend verliert er in der Kunst seine Lebensechtheit.
21 im Englischen wird „fair“ zum Synonym für „beautiful“…
22 Mit der Renaissance wird Schönheit diesseitig, fleischlich. Mit den Idealen der Antike hält der Körper wieder Einzug, und zwar der nackte Körper.
25 Im Spätrokoko löst der Mehlverbrauch für die Maskerade der Pariser Aristokratie eine Mehlknappheit aus.
27 Die puritanisch-protestantische Revolution hat einen neuen Typ Mensch hervorgebracht: den Geschäftsmann. (…) und die Frau? Von nun an ist die Schönheit ihr Reich.
29 Das „schwache“ Geschlecht gibt es in dieser Form erst mit dem Aufstieg des Bürgertums, also ab 1810/30.
31 Männliche Schönheit ist nach wie vor glattes Eis. (Als Feldstudie empfehle ich meinen männlichen Leserm, geschminkt auf die nächste Party zu gehen. Ein bißchen Kajal unter den Augen reicht.)
33 Wir haben in Schönheitsdingen sozusagen eine private und eine öffentliche Meinung.
38 Schon Säuglinge sehen attraktive Gesichter länger und lieber an als unattraktive!
41 Mode: Nicht der Körper an sich steht dabei im Mittelpunkt, sondern seine Veränderung
52 …daß Duchschnittlichkeit (durchschnittlich im mathematischen Sinn!) schön macht, (ist) wissenschaftlich so gut abgesichert, daß man sie mit Fug und Recht als den ersten Hauptsatz der Schönheitsforschung bezeichnen kann.
Allerdings: Wenn man sich die Durchschnittsbilder der verschiedenen Studien vornimmt, stellt man eines fest: Das Verschmelzen macht die Gesichter im Schnitt zwar tatsächlich attraktiver, aber es gibt immer einzelne Originalgesichter, die noch schöner sind als selbst das „durchschnittlichste“ der virtuellen Überlagerungsbilder.
53 Ausnahmeschönheit auf Merkmalen (…), die sich vom Durchschnitt in systematischer Weise abheben.
54 Ingredienzen von Superattraktivität
55 Offenbar finden sich in einem schönen Frauengesicht die Züge eines Kindes!
59 Das Phänomen, daß das erwachsene Frauengesicht bei seiner Entwicklung in einem kindlichen Stadium stehenbleibt, , wird von Biologen als „Neotenie“ bezeichnet.
65 Im Mittelalter griffen die Frauen zu einem pharmakologischen Schönheitstrick, indem sie sich den Extrakt der Tollkirsche – die nicht umsonst den italienischen Namen Belladonna trägt – in die Augen tropften.
66 Doch auch die Männer wurden durch Verweiblichung attraktiver, und zwar für männliche und weibliche Bewerter gleichermaßen! Männlichkeit, so scheint es, ist für den Mann nicht auseichend – um schön zu sein, muß er sich weibliche Schönheit borgen.
67/68 Je attraktiver sich die jeweilige Frau selber einschätzte, desto eher „entwickelte“ sie per Mausklick maskuline Gesichter.
Der Mann soll Versorger und Beschützer sein, aber auch den Versorger- und Beschützerinstinkt in der Frau ansprechen – weshalb ihm ein Schuß Kindchen durchaus steht. Aber selbst diese Quadratur des Kreises ist letztlich nicht ausreichend: Damit ein Mann wirklich attraktiv ist, muß noch eines dazukommen: Status.
Bei einem Experiment (…) präsentierte man Frauen dieselben Männer in unterschiedlicher Aufmachung: einmal im Anzug, ein anderes Mal in einer Burger-King-Uniform. In der Attraktivitätswahrnehmung der Frauen machte die kleine Verwandlungsaktion einen Riesenunterschied. Für das Schönheitsurteil von Männern ist es dagegen schlichtweg unerheblich, welchen gesellschaftlichen Rang die Frau auf dem Bild einnimmt. Attraktiv ist attraktiv.
71 „Kindlichkeit“ und „Reife“ (markieren) so etwas wie die beiden ‚ewigen’ Pole (…), zwischen denen unser Schönheitsempfinden hin und her schwankt.
Wunderschön ist Schönheit erst, wenn sie ein Geheimnis verbirgt – irgendeine Brechung, eine Abweichung von der allzu perfekten Form, eine Merkwürdigkeit (…). Schönheit muß ‚reizen’.
75 die Amygdala (‚Mandelkern’, Teil des Limbischen Systems; uralt; mit Fischen und Reptilien gemeinsam): noch heute mit dem Riechorgan verbunden. Eine ihrer Hauptaufgaben besteht darin, Wahrnehmungen mit Gefühlen zu verbinden.
80 Schaltkreise für Gesichts- und Schönheitserkennung zumindest zum Teil getrennt angelegt
82 Dopamin könnte man als so etwas wie die Droge des Begehrens bezeichnen.
83 „Es sieht ganz so aus, als gäbe es einen Unterschied zwischen dem, was dem Hirn gefällt, und dem, was es begehrt“; sagt Hans Breiter. Was das Bewertungsexperiment der Gruppe 1 (und Tausende von anderen Bewertungsversuchen dieser Art) zeigt, verfügen wir augenscheinlich über einen Schönheitssinn, der uns vollkommen unabhängig von sexuellen Interessen eingibt, wer schön ist und wer nicht. Darüber hinaus ist da aber offenbar noch eine andere Schönheitsinstanz, diejenige nämlich, die die Probanden aus Gruppe 2 zum Klicken und die Neuronen in der Röhre zum Tanzen gebracht hat – und die ganz offenbar mit Sex zu tun hat. Schönheit scheint in unserem Hirn demnach in zwei Erscheinungsformen vorzukommen: als „objektive“, zweckfreie Schönheit, die uns „einfach so“ gefällt; und als die lustmachende, anziehende, verführerische Schönheit, die mit ihrer Belohnung winkt.
Wenn man der Ergebnissen einer unlängst erschienenen Studie Glauben schenken darf, sind „Gefallen“ und „Begehren“ möglicherweise in unterschiedlchen Hirnhälften beheimatet.
85 Nicht Schönheit an sich wird belohnt, sondern die soziale Verbindung mit Schönen, genauer – das Versprechen einer Verbindung.
92 (Schlankheit:) Damit wird zur kapitalistischen Tugend erhoben, was vorher das Stigma der proletarischen der proletarischen Unterklasse gewesen ist.
93 Nach Andersons Analyse wird Schlankheit tatsächlich vor allem von solchen Gesellschaften bevorzugt, die sich um ihr tägliches Brot keine Sorgen machen müssen. Aber auch das Klima scheint eine Rolle zu spielen: je wärmer die Gegend, desto eher wird ein schlanker Körperbau attraktiv.
94 (Spannender Vergleich: Realperson mit fiktiver Person: Schwarzenegger und Tadzio (!)
98 Überhaupt ist der Po vielleicht das Körperteil mit dem größten Sexappeal – auch bei der Frau -, obwohl er eigentlich „nur“ die Haltemuskulatur darstellt, die uns der aufrechte Gang beschert hat.
99 Je höher die soziale Schicht, desto größer sind die Menschen (Männer und Frauen gleichermaßen). Deutsche Studenten beispielsweise sind im Schnitt drei Zentimeter größer als Lehrlinge.
100/101 Schuhe mit Absätzen waren in der Antike unbekannt. Sie kamen erst mit der Erfindung des Steigbügels in der Zeit der Völkerwanderung auf.
102 Die Produktion von Melanin, das für die Dunkelfärbung von Haut und Haar verantwortlich ist, ist eng mit dem Östrogenstoffwechsel verknüpft. Helligkeit ist damit ein Zeichen von Weiblichkeit.
104 Ein Zeichen von Jugendlichkeit ist blondes Haar deshalb, weil der Mensch als Baby hellere Haare hat, die dann langsam nachdunkeln, und zwar bei Mädchen langsamer als bei Jungs – womit Blond auch ein Zeichen von Weiblichkeit ist.
109 Bei der natürlichen Selektion formt die Umwelt die Körper – bei der sexuellen Selektion formen sich die Geschlechter gegenseitig.
114 etwa die unter dem Namen „Rote Königin“ bekannt gewordene (und inzwischen weitgehend akzeptierte) Hypothese, die sich mit der Frage beschäftigt, warum es überhaupt Sex gibt: Ihr zufolge befinden sich alle Organismen in einem ewigen Rüstungswettlauf mit den Parasiten, von denen sie als „Wirt“ mißbraucht werden. Die Eindringlinge überlisten das Abwehrsystem ihres Opfers, indem sie – dank ihrer extremen Teilungsgeschwindigkeit und der damit verbundenen viel höheren Mutationsrate – ihren genetischen Code ständig wechseln. Gegen diese Taktik kann der Wirt nur bestehen, wenn er seine genetischen Paßwörter beständig ändert und damit seine Sicherheitslücken schließt. Und das Mittel dazu heißt: Sex. (Interessant hier auch dieses Verständnis des Körpers als eines Computers, der Informationen verarbeitet!) Die geschlechtliche Fortpflanzung beschert dem Wirtsorganismus in jeder Generation einen komplett neu zusammengewürfelten Gensatz und damit ein neues Sicherheitsprofil.
115 Je symmetrischer die äußere Form, desto besser die Erbanlagen.
118 Und Testosteron ist ein ziemlich zweischneidiges Schwert: Es mobilisiert den Körper für Fortpflanzungsaufgaben wie Werbung und Kampf, zapft aber dafür offenbar gleichzeitig Ressourcen von allgemeinen „Haushaltsaufgaben“ ab, wie etwa der Immunabwehr. (…) Immunkompetenz-Handicap
120 Die Tatsache, daß der Menschenmann fast ein Jahrzehnt kürzer lebt als die Menschenfrau, scheint in erster Linie seinen Geschlechtshormonen geschuldet (zu sein). Eunuchen beispielsweise haben die gleiche Lebenserwartung wie Frauen. Der Mann ist demnach Opfer seines genetisch verordneten Werbe- und Konkurrenzzwangs.
Viele Ornamente sind Schmuck und Kriegsbemalung in einem.
127 Jugendlichkeit signalisiert also in der Fortpflanzungslogik der Evolution beim Menschen die begehrenswerte weibliche Qualität schlechthin, und damit muß unser Hang zur Jugendlichkeit tief in unserem biologischen Erbe verankert sein.
129 Viele Versuche (…) zeigen, daß bei der statistischen Durchschnittsfrau vor allem gesellschaftlicher Status ganz oben auf der Wunschliste steht.
Frauen legen bedeutend weniger Wert auf Attraktivität als Männer, die wiederum gut auf Status verzichten konnten.
130 Interessanterweise gilt das Muster von der durch das Äußere weniger beirrbaren Frau und dem schönheitsfixierten Mann nur bei langfristigen Beziehungen. Wenn es um eine kurze Begegnung Marke One-Night-Stand geht, sind es gerade die Frauen, die auf die äußere Attraktivität ihres Liebhabers mehr Wert legen.
134 (Nach Johnston:) Die Frau (genauso wie der Mann und viele andere nur „offiziell“ monogame Tierarten) fährt in ihrer sexuellen „Strategie“ zweigleisig. Einerseits setzt sie auf eine feste Paarbeziehung, in der sie ihre Kinder aufzieht; daneben verfügt sie aber noch über einen Plan B: durch einen Seitensprung „gute Gene“ für ihre Kinder einzufangen (die dann vom treusorgenden Gatten aufgezogen werden).
„Qualität“ erkennt die Frau – nach evolutionspsychologischer Orthodoxie – an Merkmalen, die auf einen hohen Testosteronspiegel ihres Geliebten schließen lassen: dominanter Verhalten, „männliches“ Gesicht. Tatsächlich scheinen Seitensprünge überzufällig häufig an den fruchtbaren Tagen stattzufinden – und auch überzufällig häufig mt Männern, die dem eigentlichen Partner an Status und Attraktivität überlegen sind. (!!!)
138 Frauen riechen um so angenehmer, je schöner ihr Gesicht ist! Männer haben demnach eine Nase für schöne Frauen.
141 Fast alle evolutionsbiologisch orientierten Attraktivitätsforscher sind heute im Lager der Gute-Gene-Anhänger zu finden. Wenn sie von „Schönheit“ reden, meinen sie damit „genetische Qualität“.
144 ist die Vorliebe für symmetrische Reize in den Hirnen fast in der gesamten Tierwelt verbreitet und „zwingt“ den jeweiligen Sender damit regelrecht dazu, symmetrische Signale zu übermitteln.
145 „Durchschnittlich“ heißt also nichts anderes als „prototypisch“.
Offenbar wird unser innerer Prototyp mit jedem Gesicht, das uns begegnet, neu berechnet.
146 Je ähnlicher die „Gesichtsumwelt“, desto mehr Gemeinsamkeiten dürften Menschen demnach in ihren Schönheitsstandards entwickeln.
150 Wir stehen auf Dinge, die es gar nicht gibt.
160 Neuroästhetik
161 …bringt der Künstler durch den Übertreibungseffekt die Essenz eines Gegenstands zum Ausdruck.
167 Bei der Menschenfrau (…) könnten die beim Orgasmus auftretenden Kontraktionen des Muttermunds dem Samen des „erwünschten“ Partners auf seinem Weg zu Ei einen kleinen Schubs geben – jedoch nur, wenn sie einigermaßen zeitgleich mit ihm kommt. Und genau das scheint bei den Partnerinnen der symmetrischeren Liebhaber der Fall zu sein.
175 So wenig politisch korrekt es ist, aber die Häßlicheren waren tatsächlich auch weniger schlau.
176 im schon angesprochenen Fall der MHC-Gene sind Frauen beispielsweise offenbar auf den Geruch des Vaters geprägt, an dem sie dann den Geruch anderer Männer zetlebens abgleichen.
Die sensible Prägungsphase für Fetische scheint demnach zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr zu liegen.
179 Homo sapiens ist die einzige Spezies mit dauerwachsenden Haaren.
180 WORT: epikanthische Lidfalte der Asiaten
182 das berühmte „gemäßigte Extrem“, das schon Darwin als ästhetisches Grundprinzip jeder Mode anführte.
183 Bei vielen Naturvölkern haben Kinder mehrere „Väter“, und ihre Überlebenschancen sind dabei oft an die Zahl und den Status dieser Reservepapas gebunden. Frauen standen damit – viel mehr als Männer – unter permanentem „Verführungszwang“, um im Interesse ihres Nachwuchses möglichst viele Ressourcen auf sich zu ziehen.
Wenn es wirklich so war, daß Frauen zum Wohl des Kndes Sexpartner, Großmütter, Tanten, Cousinen, Nachbarinnen, ja den ganzen Clan „verführen“ mußten – ist es da nicht denkbar, daß sie sich dabei der „Waffen des Kindes“ bedienten, also des Kindchenschemas?
184 Wer wem ausweicht, so das Ergebnis, hängt von der Attraktivität der Beteiligten ab. Wir weichen buchstäblich vor dem Schönen zurück.
185 Im Schönen erkennen wir das Alpha-Tier und umgekehrt im Häßlichen den Paria. (Conculsio: Die Frau braucht während der Schwangerschaft und danach den Schönen nicht, ja, er ist sogar hinderlich, „gefährlich“!)
188 Wir können gar nicht anders, als in einem schönen Gesicht ein Versprechen zu sehen.
197 Phryne: wegen Gottlosigkeit angeklagt, weil sie behauptet hatte, ihre Schönheit könne mit der von Aphrodite mithalten. (Ein guter Vorsatz für eine Erzählung!)
197 Schönheit ist also eine Freundin bei Gericht. (Womit hübsche Frauen gleich zwei Freundinnen hätten, denn als Frau können sie ohnehin bei fast jedem Verbrechen mit deutlch mehr Nachsicht rechnen.)
209 Je früher Jungs in die Pubertät eintreten (und damit ihre Artgenossen kräfte- und größenmäßig überragen), desto stärker legen sie an Selbstvertrauen zu, und dieser Vorsprung bleib auch im weiteren Leben bestehen.
218 Noch im Amerika der 1970er Jahre gab es in einigen Städten sogenannte Ugly laws, die es der Polizei erlaubten, Leute „mit unansehnlichem Äußeren“ von der Straße weg zu verhaften.
219 In der frühchristlichen Zeit ist Satan voller Grazie.
222 (Zu Platon:) sondern es ist die Idee des vollkommenen Schönen, die in den schönen Dingen mehr oder weniger zum Vorschein kommt.
228 „schön“ und „gut“ sind im Hebräischen ein- und dasselbe Wort.
229 Unser deutsches „schön“ bespielsweise ist aus einer altgermanischen Wurzel hervorgegangen, die „glänzend“, „rein“ bedeutet. (Diese Herkunft klingt etwa noch in unserem Verb „scheinen“ an.)
Die alten Ägypter kannten für Schönheit und Sonnenlicht nur ein einziges Wort – „nfr“ -, und her liegt möglicherweise der Schlüssel zur Urverbindung zwischen Schönheit und Glanz.
230 „Pak“, das persische Wort für „sauber“ bezeichnet gleichzeitig den rechtgläubigen Muslim (von daher „Pakistan“, das „Land der Sauberen“).
231 Er spielte Kleinkindern mal angenehme, mal unangenehme Stimmen vor und zeigte ihnen dazu zwei Fotos, eines von einem attraktiven, das andere von einem unattraktiven Gesicht. Und was taten die Kleinen? Bei der angenehmen Stimme blickten sie unwillkürlich zum schönen Gesicht, bei der unangenehmen zum anderen. Dieses Reaktionsmuster bildet sich schon im Krabbelalter – ab dem 9. Monat – heraus.
232 „adaptiv“=mit einem Fortpflanzungsvorteil verbunden
237 Schöne Kinder sind intelligenter – und zwar recht deutlich.
239 Die sich selbst erfüllende Prophezeiung besagt im Kern: Wir verhalten uns so, wie man von uns erwartet, daß wir uns verhalten.
245 Die sexuellen Erfahrungen der Schönen – Männer wie Frauen gleichermaßen – sind demnach nicht nur reichhaltiger, sondern auch befriedigender.
Abgesehen vom Liebesleben jedoch unterscheiden sich Schöne und weniger Schöne so gut wie nicht in ihrer Glücksbilanz
248/249 Am besten scheint frau also zu fahren, wenn sie zwar schön ist, aber nicht zu schön.
250 Die Testosteronausschüttung der Probanden war durch den Kontakt mit der Schönen um glatte 30 Prozent angestiegen.
In dieser „Herrschaft über den Testosteronspiegel“ liegt vielleicht die Macht begründet, die schöne Frauen über ihre männliche Umgebung haben. Eine Macht jedoch, mit der man erst einmal umgehen können muß. Das wandelnde Glücksversprechen anderer zu sein, ist keine leichte Rolle.
255 Schönheit und Liebe fallen im Begriff „Eros“ zusammen: Eros ist „das Begehren, im Schönen zu zeugen.“
Liebreiz – der Reiz, der Liebe auslöst.
261 „Warum soll ich nicht von deiner Schönheit sprechen, wo ich doch ohne sie nie hätte lieben können? Ich kann mir keinen anderen Anfang einer Liebe vorstellen, wie ich sie für dich empfinde, außer Schönheit“, schreibt der englische Dichter John Keats im Jahr 1819 an seine Verlobte Fanny Brawne. Und bringt damit den grundlegenden Skandal auf den Punkt: Auch in der stärksten Liebe werden wir nicht (nur) um unserer Selbst willen geliebt. „Nur Gott, meine Liebe, könnte dich um deiner selbst willen lieben, und nicht deiner blonden Haare wegen“, schreibt hundert Jahre später Keats’ Dichterkollege William Butler Yeats in dem Gedicht „Für Anne Gregory“.
262 In den Hunderten von Umfragen, die zum Thema „Partnerwahlkriterien“ gemacht wurden, zeigt sich durchgängig dasselbe Muster. Vorneweg kommen Treue, Zuverlässigkeit, Humor, Freundlichkeit, Reife etc. – und irgendwo als Schlußlicht oder kurz davor, ach ja, Attraktivität wäre auch nicht schlecht. Wir wollen anscheinend nicht wahrhaben, was für eine Rolle das Äußere in der Liebe spielt.
263 „Sieht ein Mann eine Frau“, schreibt ein Kenner der Materie, „vergißt er, daß er ein Hirn hat. Sieht eine Frau einen Mann, fängt sie an zu rechnen.“ In Liebesdingen sind Frauen rationaler als Männer.
264 Der Altersunterschied in der Tauschbeziehung steht in der Regel in direktem Verhältnis zum Satusunterschied. Laut Statistik ist die Frau an der Seite eines Mannes umso jünger, je höher dessen Sozialprestige ist. Das gilt insbesondere für die zweite und dritte Ehe: Hier steigt der durchschnittliche Altersunterschied (der in der ersten Ehe noch 3,5 Jahre beträgt) auf sechs Jahre in der zweiten und auf 8,5 Jahre in der dritten Ehe. Parallel zum Altersunterschied verstärkt sich dabei auch der Statusunterschied.
267 Ein älterer Mann, der noch eine hübsche junge Frau für sich einnehmen kann, dürfte durchaus etwas haben, was die meisten nicht haben. Also, Hand aufs Herz, was ist dagegen einzuwenden? Daß es ungerecht ist? Weil der Weg der grauschläfigenn Alpha-Männer dem weiblichen Teil der Menschheit nicht offen steht – obwohl sie vielleicht einem schönen Jüngling genauso viel zu bieten hätten (an Welterfahrung, Macht etc.)? Nun gut – unter dieser Ungerechtigkeit leiden auch die allermeisten älteren Männer, denen durchaus keine 27jährigen (Frauen) nachlaufen.
Wir haben uns darauf geeinigt, den bewußten, absichtsvollen Tausch von Schönheit gegen Geld und andere „geldwerte Vorteile“ als „Prostitution“ zu ächten. Worin aber legt der wirkliche Unterschied zu einem gesellschaftlich akzeptierten Tauschverhältnis wie der Ehe, in die Schönheit genauso einfließt – nur daß wir uns dabei eben nicht bewußt sind, daß hier Schönheit genauso als Handelsgut eingesetzt wird.
268 Tausch ist das eigentliche soziale Prinzip. Jeder trägt „seine Haut zu Markte“, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn.
269 Daß auch Liebe nur ein Tauschobjekt ist, bedeutet den Frontalcrash mit unserer tiefsten Sehnsucht: Daß wir um unserer selbst willen gelebt werden.
270 Mit Wonne und Schmerz geben wir uns unseren Gefühlen und Leidenschaften hin, die für uns real und wahr sind, so wie es Trolle, Engel und Osterhasen für Kinder sind. Wir berauschen uns an diesem wunderbaren bittersüßen Varieté, das unsere Gene für uns veranstalten, um uns, im Interesse ebendieser Gene, das „Richtige“ tun zu lassen.
271 (Hier wird Renz wackelig und sitzt dem eigenen Gefühl auf:) Wir haben Freiheitsgrade. Wie groß diese sind, ist dabei nicht die Frage. Entscheidend ist vielmehr, <>daß wir sie haben und daß wir sie nutzen können. Wir sind mit Moral begabt, wie können entscheiden – nicht immer, nicht in jeder Situation, aber oft genug.
280 Mit der „Zellulitis“ beispielsweise wurde, als der Begriff 1973 erstmalig in Vogue auftauchte, quasi über Nacht ein Zustand, der 80 % der Frauen betrifft, zu einer behandlungsbedürftigen Krankheit.
282 Was uns in den Medien vor Augen geführt wird, ist buchstäblich eine zweite Realität. In ihr ist Schönheit, die ja per definitionem Ausnahme ist, die Regel.
287 (Gedankenfehler:) Der einst elitäre Schönheitswahn ist demokratisiert worden. (Daß etwas nicht mehr nur in Eliten, sondern allgemein gefühlt wird, ist keine Demokratisierung, die etwas wäre, das über etwas abstimmen kann!)
295 Wir bevölkern die Welt also mit Wesen, gegenüber denen unsere eigene Schönheit verblassen muß. Und mit denen wir uns doch, ob wir wollen oder nicht, vergleichen müssen. (Avatarismus!)
299 Eine Bauarbeitersilhouette gehört unter amerikanischen College-Studenten mittlerweile zum Mainstream. Ohrschmuck, Fingerringe und Piercings diffundieren langsam aus dem Schwulenmilieu in die Mitte der Gesellschaft.
300 Mit dem technologischen Fortschritt wird Schönheit in immer höherem Maße machbar. Und was machbar ist, so lehrt die Geschichte, wird auch gemacht.
308 Denn Schönheits“pflege“ ist zuallererst Selbstinszenierung und damit ein Spiel, das uns quasi in die Wiege gelegt ist. Nicht umsonst ist „Verkleiden“ das beliebteste Kinderspiel, rührt es doch an ein allgemein menschliches Bedürfnis: sich selber zu erschaffen. Wer mit seinem Äußeren spielen kann, entwirft sich immer wieder neu und ergreift damit von sich selber Besitz.
311 Sobald Schönheit Macht über uns hat, setzt offenbar ein Drang ein, sie abzuwerten.
312 Ein schönes Gesicht zieht uns an, ob wir wollen oder nicht, wir müssen hinschauen, müssen bewundern, müssen ihm unsere Aufmerksamkeit schenken. Schönheit „betört“ – macht uns zum Tor(en). Sie macht uns verletzlich, unsicher, ungeschickt. „Schönheit bringt dich aus dem Gleichgewicht“, sagt die französische Philosophin Simone Weil.
313 Der Skandal der Schönheit ist der Skandal des Lebens: Daß es irgendwann zu Ende geht. Denn Schönheit ist in gewisser Weise das Leben selber; seine Essenz, seine Blüte, sein Ausgangspunkt neuen Lebens. Und doch – oder gerade deshalb – trägt Schönheit den Keim des Todes schon in sich.
314 Das Problem an unserem „Schönheitswahn“ ist nicht, daß wir Schönheit anbeten. Unser Problem ist, daß wir ihre Vergänglichkeit verdrängen.

ZU DEN ANMERKUNGEN:
319 kommen andere Muster zustande, z.B. die „Eisprinzessin“, in Cumminghams Typologie das „Delta-Muster“, das hohe Reifeanteile mit einem geringen Maß an Kindlichkeit und Expressivität verbindet, eine Mischung, die mehr durch ihre Eleganz als durch ihre Süße wirkt.
Testosteron ist so etwas wie das „Marketing- und Acquisehormon“ des Mannes. Sein Basisspiegel ist zwar angeboren, er hängt jedoch stark von den Umständen ab. Singles haben beispielsweise höhere Spiegel als Verheiratete, genauso wie Sieger (sei es im 5000-Meter-Lauf oder im Schachspiel) mehr Testosteron haben als Verlierer. Auch Frauen unterlegen der Wirkung von Testosteron, dessen Spiegel ist bei ihnen jedoch deutlich geringer als bei Männern. Allerdings haben Unterschiede zwischen verschiedenen Frauen dieselben Auswirkungen wie bei Männern: Frauen mit viel Testosteron im Blut sind dominanter, gehen öfter fremd und lächeln seltener (Pinker 2002, S. 348).
321 Bezeichnend, daß (körperlich) kleine Erfolgsmenschen eher Selfmademen sind – im Rudel dagegen zählt Größe.
326 Es sei hoch mal an die Bedeutung des Begriffs „Durchschnitt“ erinnert: gemeint ist nicht etwa ein „durchschnittliches Aussehen“, sondern die durch mathematische Durchschnittsbildung geschaffene „mittlere“ Form.
336 Erst die moderne Hirnforschung hat einen Schlußstrich unter den ewigen Antagonismus gesetzt: Es gibt keine immaterielle Seele, alle „geistigen“ Vorgänge sind an Materie gebunden. Wenn man unser innere Erleben als unsere „Seele“ bezeichnen will, so sind alle mentalen Vorgänge körperlich und „seelisch“ gleichzeitig.
337 daß Schönheit ungleich über die gesellschaftlichen Klassen verteilt ist…
339 Heute sind in Deutschland bereits 20 % der Teenies gepierct, in den USA 50 % (!!; nach Der Spiegel 25/2003).

[Schönheit.]

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