Von Lutz Hesse.

Wir erinnern uns an das notwendige Zusammenbrechen des geozentrischen Weltbildes, an den selbstverschuldeten Verlust einer zentralen Glaubensinstanz, und entsinnen uns der großen Entdeckungen und Eroberungen geografischer Räume. Die revolutionären Entwicklungen des späten Mittelalters sind in unserem kulturhistorischen Gedächtnis personalisiert gespeichert. Kopernikus, Galilei, Bruno, Erasmus, Luther, Calvin, Münzer, Kolumbus, Magellan und Johannes Gutenberg sind Synonyme einer Zeit, in der die europäische Welt ihr Zentrum verlor. Ihr Geist, ihr Mut und ihre Ängste setzten dann jene Kräfte frei,
die den Menschen die Furcht vor dem „Horror vacui“, die Angst vor der leeren Mitte, nahmen und leiteten damit die Moderne ein, deren zivilisatorische Ergebnisse wir heute mit ambivalenten Gefühlen betrachten; erleben wir doch als Zeitgenossen des Massentourismus und des Worldwideweb eine Überwindung des Raumes, den Verlust von Orten und spüren das Schwinden der Erinnerung. Sozialkritische Utopien, die ihren Grund nie verloren haben, erscheinen mit ihren Sehnsüchten und Hoffnungen gegenwärtig dekonstruiert und artikulieren sich, wenn überhaupt, nur noch als Einzel– oder Partikularinteressen.
Der mittelalterliche Horror vacui scheint zurückgekehrt. Die Drogen, ihn zu betäuben, stehen allzeit bereit. Konsumorientierung und Medien haben Adornos Satz „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ an den Saum des Gedächtnisses verbannt, wo er ins ortlose Nichts hallt. Es sind die Künstlerinnen und Künstler, ihre Lebens- und Arbeitsformen, ihre manisch anmutende individuelle Kreativität, die abseits einer totalitären Massenästhetik des Events den zwangsexilierten Adorno vom Gedächtnissaum zurückholen. Die Künstler, oft selbst ortlos, produzieren in ihren ästhetischen Prozessen und Projekten phantasievolle Orte, die ihre subversiven Potentiale minimalistisch oder barock in Raum und Zeit entfalten.

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