9.50 Uhr:
[Michael Mantler, >>>> Songs and one Symphony.]
Nachts kamen noch A. und ihre Freundin mit einer Flasche Rotwein vorbei, die wir an der Steinbrüstung der Kiesterrasse leerten, wobei wir ins Barockgärtchen hinab- und über die dunkellaufende, doch der Dunkelheit wegen träge wirkende Regnitz auf die Barockzeile gegenüber schauten und locker sprachen, von ώ, von Frauenerwartungen und –hoffnungen, von Männern, über Sexualität und Gefühle. „Ich muß dich unbedingt malen“, sagte sie, „so männlich wirkst du, solch ein männliches Profil hast du!“ „Aber wenn ich dann männlich b i n, dann nehmt ihr Frauen mir’s übel“, antwortete ich. „Ja“, sagte sie, die mir dreivier Tage zuvor die Härte meiner Kunst- und LebensHaltungen zwar nicht direkt vorgeworfen, wohl aber gesagt hatte: „Ich habe gespürt, du bist für mich als Mann deshalb nicht mehr interessant“ – als Mann für eine Liebesgeschichte und Partnerschaft, meinte sie damit. Sie hatte es mit anderen Worten schon einmal gesagt: „Du gibst einer Frau nicht den letzten Schutz, den sie braucht.“ Auch Ricarda sagte vorgestern abend: „Wenn du liebst, mußt du Kompromisse eingehen.“ „Aber doch nicht in meiner Arbeit“, hielt ich dagegen, „Kunst-als-Kompromiß wird s c h l e c h t; sie wird niemals erreichen, was ihr möglich ist, w e n n es ihr denn möglich ist. Sie wird Kunsthandwerk und gefällig.“ „Da mußt du dich eben entscheiden, was dir wichtiger ist: die Kunst oder deine Liebe.“
Jedenfalls kam ich erst nach zwei Uhr ins Bett, las vorher noch eine Mail >>>> RHPP’s, der sich erstmals auf den Entwurf des Librettos geäußert und wie >>>> schon beim letzten Mal Schwierigkeiten mit der Nennung konkreter historischer Namen hat. Mir ist aber gerade das sehr wichtig, weil mir sonst die metaphysische Erzählerei zu kitschig, nämlich zu uneingebunden in reale Abläufe ist. Sie verliert damit ihre Kraft, die immer eine der Erde sein muß.
Auch zu MOZART hat er sich noch einmal geäußert, ich stelle seine Haltung zu der Angelegenheit gleich ein, wenn ich ihm darauf geantwortet haben werde. Er ist heute in Frankfurtmain offenbar, wahrscheinlich dirigiert er oder probt er ein Konzert; es ist also mit weiterer Diskussion des Librettos, die ich gerne auch hier in Der Dschungel führte, heute nicht zu rechnen. Deshalb werde ich nachher die Arbeit an ARGO wieder aufnehmen. Was sehr schön ist.
Daß übrigens >>>> dieses Paralipomenon über Sex der 6000. Eintrag in Der Dschungel ist, finde ich gerecht. (“Wenn es richtig warm geworden ist”, sagte S.L. vor ein paar Tagen, “dann müßte man in diesem Garten unbedingt mal vögeln.” Es ist das Gefühl, diesen Garten ehren zu wollen.)
Um 14 Uhr bin ich mit Zschorsch, mit dem ich gestern zu abend aß und lange lange über Literaturen sprach, auf einen kleinen Pfingstausflug verabredet.
12.04 Uhr:
[Robert HP Platz, Andere Räume.]
Nun auch d a s noch. Wär ja anders auch komisch gewesen… Ich vermelde also ein Eigentor:
Comtess’chen: Sagten Sie eigentlich schon was dazu, wie Sie das mit >>>> Prothoe mittlerweile betrachten?
Ich: Wie soll ich mich dazu stellen? Sie antwortet ja nicht mehr. Und ich renn nicht hinterher. Ich denke, sie war eifersüchtig. Aber das ist eine reine Mutmaßung.
Comtess’chen: Es kommt Ihnen jetzt sicher blöd vor, aber: Ich kann am Freitag nicht kommen.
Ich: Na klasse. Jetzt hab ich mir also insgesamt ein Eigentor geschossen. Lacht. (Das sollte ich vielleicht in einem neuen SZ-Tagebucheintrag notieren; dann hat auch die Szene was zu lachen.)
Comtess’chen: Schön, dass Sie darüber lachen können.
Ich: Na ja, was bleibt mir übrig.
Comtess’chen: Na dann. (Im Übrigen meint das eine generelle Absage. Falls Sie es nicht eh schon so verstanden.)
So behält man zwar seine dominanten, doch nun irgendwie ziemlich leeren Hände. Und hätt’s doch mit >>>> Prothoe so schön hier gehabt.
(Nun bleibt halt der Herbst abstinent. Er hat ja seine Arbeit, was also will er mehr?)
13.37 Uhr:
Vielleicht sollte ich es mit meiner Abstinenz wie mit meinem Laptop halten: Ich will ihn unbedingt mal auf drei Jahre Lebenszeit bringen, egal, ob die Lettern schon rausspringen, ob er anderweitig muckt. Ich will. So auch die Abstinenz wollen. Nicht, weil ich mich so nach Ω sehne, auch nicht, weil mir jetzt darüber hinaus Prothoe fehlt. Sondern: Es bleibt von den Lieben und Affairen so furchtbar viel Menschenverachtung in mir zurück. Ich will einfach nicht zynisch werden, Punkt. Das Comtess’chen ist so ein Beispiel, Prothoe vorher war es auch: „Sie sind sich sicher, daß Sie wollen?“ habe ich mehrfach gefragt. Mehrfach wird dann gesagt und wiederholt und wiederholt: Ja, ich will will will will. Kaum sind aber zwei Tage vorüber, ist dieses „ich will“ nix als Lippenbekenntnis gewesen, wohlfeil, billig, verlogen zudem – in einem Wort: eklig. Und diesen Ekel möchte ich mir gerne ersparen. Möglicherweise ist es das beste, wenn man seinen Körper nicht grundlegend schädigen will, in ein Bordell zu gehen. Oder eben, wenn man den Sexus nicht verraten will (was, wenn man für ihn bezahlt, ja eben bedeuten würde), den Körper dann d o c h zu verraten und sich aufs Abstinente zu verlegen – und diesen ganzen Müll von Sublimationsbewegungen mitmachen. Blöderweise wird Kunst dann aber Ersatzhandlung, was ihr wiederum die Würde nimmt. Also, Leser, ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.
16.04 Uhr:[Robert HP Platz, Andere Räume.]Spaziergang mit Zschorsch durchs alte Bamberg, ü b e r s alte Bamberg, muß das heißen, nach Sankt Michael. Es erwächst Achtung, was schön ist, vor der Arbeit des andern, von dem Leben des andern. Er ist ganz Osteuropäer, slawisch ein wenig, ich bin ganz der Süden, orientalisch ein wenig; an den Frauen, wie wir sie sehen, wie wir über sie sprechen, wird gerade d a s klar. Eine Kerze geopfert, wie immer, wenn ich einen katholischen Raum betrete, der mich beeindruckt. Hier war es der Weihrauch, der wie ein mystischer Nebel über dem Chor lag und alles Licht ungefähr machte.Gefrühstückt und zu Mittag gegessen in einem sodann. Mir geht die ARGO-Szene gerade nicht aus dem Kopf, Herkunft des Sanften, die angebliche Toteburt, die Veshya gehabt, ihre Trennung von dem Kind, weil Aissa die Wölfin sie sonst nicht bei den Myrmidonen gelassen. Die Erklärung des allen muß den Geschmack des völlig Selbstverständlichen haben. Und das liegt ausschließlich den Formulierungen ob.