Donnerstag, der 25. Mai 2006.

8.59 Uhr:
Mein ‚Treuekörper’ hat gestern nacht r e v o l t i e r t gegen die Treue, es war ein Anfall: die sexuelle Physis bäumte sich auf gegen den Willen, so daß ich mich dann im Netz mit einer schönen Frau (ich sah sie, freilich nur in der Cam) derart gegenseitig aufputschte, daß es nach drei Uhr nachts wurde, bis ich mein Bodenlager im Schlafsack belegte (die Jungens schliefen oben im Bett). Und ich war dann so müde und durchjagt von Fantasien und Wille, daß ich nicht einmal zur ‚autonomen Lösung’ fand, sondern offenbar wie hingeschlagen wegsackte. Und nun erst gegen halb acht erwacht bin, weil die Jungens oben herumkalberten. Gelöst hat sich freilich nun immer noch nichts, aber meine Arbeitshaltung ist beruhigt. Allerdings werde ich ARGO unterbrechen und jetzt sehr schnell die beiden wichtigen Aufträge schreiben müssen, die bis Ende nächster Woche fertig sein sollen: den Mozart-Text für Salzburg und den Kaschmir-Text. Das hat jetzt dringenden Vorrang. Außerdem das Libretto für RHPP.

12.48 Uhr:
Immerhin hat mir, während ich mich parallel durch Dianne Reeves höre, meine nicht n u r-latente erotische Gereiztheit soeben den Ansatz des Mozart-Textes beschert. Eine Kleinigkeit davon stelle ich sicher später ein. „Gereiztheit“ bedeutet eine Reizung, die auf der Haut mit Rötungen einhergeht: in der Seele nehmen diese Rötungen die Erscheinung schweifender Unruh.

Es regnet draußen. Von heute an gibt es nahbei ein Straßenfest („auf der Schranne“); wäre es nicht so kühl, ließe sich’s wenigstens mit Bademoden kontern. So aber blickten, als ich vorhin auf der Suche nach Brötchen war, die ihre Stände aufbauenden Leute ganz ebenso trübe zum Himmel hinauf wie der auf sie und mich herunter. Meine Jungs aber schert’s nicht, die sind schon hinaus und toben mit für Katangas Sohn neu- und für den meinen wiedergefundenen Freundinnen und Freunden herum. Von Zeit zu Zeit strolchen sie in mein Studio zurück und patschen nassen Schmutz auf den Boden. Was ich, ganz ernsthaft, bezaubernd finde und deshalb nicht unterbinde: Leben.

14.20 Uhr:
Absolutes Jungen-Paradies. Eben ging ich zur KLOSTERBRÄU, um drei geleerte Bierflaschen gegen drei volle zu tauschen, da kommt mir auf der Concordiastraße ein Pulk Strolcher entgegen, Katangas Junge und meiner, der kleinste in der Gruppe, mitten darin. Als ich zurückkomme, erklettern die beiden gerade ein Garagendach, um von dort aus in den Hang zu gelangen, der hinter den Studios der Villa Concordia ansteigt; von dort schaffen’s die Burschen dann auch ohne Schlüssel zur Mauer, über die sie hier wieder einsteigen können. Mein Bub kommt natürlich nicht alleine hoch, die anderen sind mindestens je doppelt so alt wie er. Also wird er hinterher- und hinaufgezogen, schmutzig bis unter die Nasenflügel. Momentlang trifft mich der unsichere Blick von Katangas Sohn: Sagt der Alban gleich was? Dann, da der Vater n i c h t s sagt (denn ihm ist zwar klar, daß solche Kletterei nicht erlaubt ist, aber er findet: Jungens m ü s s e n so sein; wären sie anders, es wär etwas falsch, und sie würden sich dann auch später Befehlen unterordnen; das, findet der Vater, soll nun gerade n i c h t sein) – dann also, d a der nichts sagt, dreht der Lümmel das um und fragt, weil es so schwer ist, meinen Jungen da hochzuziehen: „Kannst du mal helfen?“ Nun wieder: „Ich denk ja nicht dran. Macht das miteinander aus. Euer Risiko, also tragt es.“
Und zurück, mit dem „Braunen“, einer BierArt, an den Mozart, der mehr in meinem Kopf als bereits tatsächlich entsteht. Es wird ein Dialog, dessen Einzelteile mir plötzlich durch den Kopf schießen, als risse drin jemand ein Zündholz an: nur lassen sich die Flämmchen dramaturgisch noch nicht verbinden.
en an. Das hat durchaus etwas von jener Fahrigkeit, mit denen unbefriedigte Süchte einen bestrafen. Bis man für endlichen Ausgleich sorgt.

NACHTRAG (26.5., 6.13 Uhr):
Ein zähes Ringen mit dem Mozart-Text, gerade w e i l es ein zwar burlesker, aber eben Dialog sein soll, der zugleich leichtfüßig ist wie mit Anspielungen gesättigt. Ich weiß von Mozart nicht genug, als daß es sich, wie ich etwa bei Pettersson Wagner Mahler könnte, aus meinem inneren Fundus schöpfen ließe; für jede dritte Zeile und jede zweite Idee muß ich ‚nachschlagen’, mich vergewissern: – wie hilfreich also, daß es das Netz gibt, wie mühsam aber eben auch!