Dienstag, der 18. April 2006. Nach Bamberg! Und Ankunft (Nachtrag).

7.56 Uhr:
Die letzten Dinge packend. Der leise mahnende Doppelsinn der „letzten Dinge“. Sie für ein Foto arrangierend. Hätte gern noch meine Lohengrin-Aufnahme mit Peter Seiffert mitgenommen, aber nun will ich nicht mehr in dir Arbeitswohnung hinüberradeln. Weshalb, fragen Sie, dieses Stück? Wohl, weil mein Junge in den letzten Tagen, das Thema aus der star wars-Musik ableitend (!), dauernd den Hochzeitsmarsch gesungen hat. Ständig in mir die Frage daran gerichtet, weshalb so viele Paare ausgerechnet d i e s e Musik bei ihrer Eheschließung spielen lassen – sie wissen doch um das Ende? Parsifals Sohn (auch das ist schon ein Rätsel, denn wer war die Mutter: Kundry? oder Esclamonde de Foix? – und überhaupt: der Mann, also Parsifal, war doch k e u s c h!)… also Lohengrin g e h t wegen des von Elsa gebrochenen Frageverbots, und sie bleibt allein zurück… na gut, sie bekommt, die Keuschheit sozusagen verdoppelnd, ihren Bruder wieder. Und sinkt logischerweise entseelt zu Boden. Das ist metaphorisch überaus sinnvoll: Man nimmt ihr den Eros, also die Erde. NUR: Wieso verheiratet man sich vermittels der musikalischen Grundierung eines solchen Geschicks? Seltsamseltsam.

Ich melde mich aus Bamberg wieder, vielleicht heute, vielleicht erst morgen. Hab ja dort noch keinen eigenen Netzzugang, sondern werd Die Dschungel in den ersten Tagen über die Bibliothek führen müssen.

NACHTRAG.
Die Reise.

Wirklich herzliche Ankunft in Bamberg, Alexandra holt uns mit dem Wagen ab, muß aber wegen einer Verabredung gleich weiter; doch sie hat einen der sieben fünf Wochen alten Welpen ihrer Labradorin dabei. Man darf das knalleschwarze Tierkind gar nicht genau anschaun, sonst verliebt man sich und mag nicht mehr von ihm lassen. Morgen nachmittag werden der Junge und ich hinübergehen und alle Hunde besuchen, vielleicht auch mit Alexandra und der Hündin einen ersten Spaziergang machen.
Das Studio bezogen; als allererstes den Arbeitsplatz eingerichtet.Als wir in dem Barockgärtchen toben, tritt Gerald Zschorsch aus der Tür, „das hat wohl Gott so gewollt“, sagt er, als er mich sieht; wir waren einander nie besonders hold. Nun fangen wir an zu sprechen, fast freundschaftlich, es ist schon seltsam. Er nimmt mir viele meiner Bedenken gleich hinfort, „man macht hier Dienst nach Vorschrift, aber imgrunde will sich jeder nur wohlfühlen.“ Wir sollen nach Checkliste das Inventarverzeichnis des jeweiligen Studios überprüfen, „also ich finde, Bestecke sollen die selber zählen“. Er hat natürlich recht.
Erster jour fixe, da geht es nur um Kleinigkeiten: irgendwo stand eine Tür, die geschlossen zu sein hat, offen; irgendwer holte seine Wäsche nicht aus der Waschmaschine: solcher Kram halt. Danach Bier und herzhaftes Graubrot mit Kümmel, später auch Wein. Der Junge, in seiner unnachahmlichen, völlig freien Kontaktfreude, macht einzwei „Termine“ mit anderen Künstlern aus, deren Ateliers er sich ansehen will und will zusehen, wie man (Halb-)Edelsteine schleift. Er ist einfach klasse; „wenn ich mir dieses Kind so ansehe, dann denke ich“, sagte mir neulich jemand, „irgend etwas habt ihr beiden Eltern da verdammt richtig gemacht“. Die Eltern w i s s e n das und finden vielleicht deshalb wieder zueinander; inniges Gespräch mit Lakshmi morgens, und abends telefonierten sie und der Junge und ich und sie vom Barockgärtchen aus. Sie wäre jetzt gerne bei uns. Mit solch einem Satz läßt es sich gut schlafen gehen.