DRITTER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (5. April 2006).

. Das ist tatsächlich geschafft, daß die Sprach-takes gesäubert, zubereitet und angelegt sind. Wir liegen etwa eine Viertelstunde über dem Darf. Das ist jetzt rigoros runterzukürzen. Aber welch ein Gefühl das ist, wenn einem die Lautsprecher zum ersten Mal alles erzählen! Und dann erzählen sie einem, daß man auf die Musik verzichten muß! Daß alles, was von den Aussagen Interviews Telefonaten wegführt, auch von dem Stück selbst wegführen würde…
Walter Filz hatte schon einmal in diese Richtung (wenn auch eine andere) gewiesen, als er sagte, er fände das gar nicht so richtig, ließe ich Verbeen-selbst sprechen, Archivmaterial nun hin oder her. Ich meinerseits f a n d und finde es nach wie v o r wichtig, daß man ihn auch h ö r t, diesen Gestus hört, dieses Unbedingte hört, mit dem er so rigoros durchs Leben stapfte. Dennoch hatte Filz die richtige I n t u i t i o n; so lasse ich Verbeen jetzt zwar tatsächlich aus dem Archivmaterial reden, ABER: seine S e e l e spare ich aus, die selbstverständlich viel mehr in der Musik und seinen eigenen Kompositionen zugegen ist als in irgend einem Text. Die Mitte Verbeens ist die Musik, und gerade d a s darf nicht genannt sein und nicht Ton werden. Doch bedeutet das eben a u c h: radikal zu sein auch gegen mich selbst, gegen meine eigene Neigung. Denn selbstverständlich wären alledie Musiken, die ich in der vergangenen Woche geschnitten habe, zusammengestellt habe, herausgesucht habe, wunderwunderschön gewesen. Wollen aber Ästhetik und Wahrheit etwas anderes, dann m u ß ich drauf verzichten, auch auf die virtuosen Spiele verzichten, mit denen ich meine Hörstücke so liebend gerne binde. Das ist ein wenig schmerzhaft für mich, sicher; es kommt darauf jedoch nicht an.
Jetzt hab ich wirklich etwas gelernt. Und die Arbeit an den Musiken und Schnitten in Berlin war n i c h t umsonst: wie Obertöne wird sie in ihrer Aussparung mitklingen. Sowieso.

N o c h etwas hat mich frappiert. Wenn ich mir die Interviews Chagai Verbeens nun einmal im Zusammenhang anhöre, wird mir ein wenig schaurig zumute. Was für eine schreckliche Cosima Wagner sie offensichtlich nach dem Tod ihres Mannes geworden ist! Welch eine Alma Mahler! Jetzt, im Abstand dieser ersten provisorischen Montage, wird das vollkommen klar. Sie hatte a l l e am Schlafittchen, Markwart, sogar Carlson… und, bis eben, die ganzen letzten Wochen über, posthum auch noch mich. Vielleicht läßt es sich s o sagen: Sie hat sich, auf ihre Weise, an Verbeen gerächt. Hat sich für seine vitalistische Dominanz gerächt. „Ich habe sie ja sehr bewundert, diese Frau Chagai Verbeen“, sagt Carlson einmal, und man hört, wie sehr er an ihr hing; ganz genauso Markwart, den sie doch offenbar – „kühl“ nennt er sie – kaum eines Blickes gewürdigt hat über all diese Jahre, den sie, als er sich über Verbeen promovierte, sogar durch Entzug behinderte. (Es wird Markwart nicht gefallen, daß ich dies schreibe, und vor allem, daß man das durch die Montage der Sprechtakes so gnadenlos hört. Aber es springt einen aus Frau Verbeens Radiointerviews im Zusammenhang mit allem anderen Material nachgrade an.)

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