ERSTER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (3. 5. 2006).

Den Zug pünktlich lurz vor 5.55 Uhr erreicht. In Frankfurt am Main dann erzeugt die Bahncard 100, die mir für Bamberg ein Mäzen vorfinanzierte, der ungenannt bleiben will, ein enormes Freiheitsgefühl, da in ihrer Leistung auch die Öffentlichen Verkehrsmittel der meisten Städte beinhaltet sind: Nicht nur steigt man nun, wie und wann und wie oft auch immer in das bundesdeutsche Eisenbahnnetz, nein, man muß sich auch nicht mehr um Fahrkartenautomaten oder sonstwie Tickets kümmern, sondern setzt sich in irgend eine U-Bahn und fährt einfach weiter und/oder herum. Das ist mehr als nur fein.
Auf diese Weise zum hr. Leukert holt mich aus dem Foyer, wir plaudern etwas im Casino, dann geht’s ins Studio, wo er mir teils aufspricht, was er mir an Fragen zu Verbeen bereits geschrieben hatte, teils spricht er noch einmal aus der Erinnerung, wirkt aber vorm Mikro sehr gestellt; wir probieren etwas herum, haben das Studio grad eine Stunde; das Material reicht mir schließlich, ich werde eh collagieren. Schon weiter zum Bahnhof zurück.
Kurz vor fünf komme ich dann beim SWR in Baden-Baden an, Walter Filz (der zuständige Redakteur, der mir Verbeen überhaupt erst nahegelegt und mich mit dieser Arbeit beauftragt hatte) bringt mich ins Studio. Er stellt mich den beiden Technikerinnen vor, da stehen auch schon die Schauspieler vor der Tür, die die aus dem Holländischen Italienischen Portugiesischen übersetzten Partien sprechen sollen. Schließlich Wyprächtiger, dessen Stimme tatsächlich so nahe an Verbeens herankommt, daß man auch ihn – neben den ausgesprochen kultivierten Parts, die in Berlin bereits >>>> Otto Mellies sprach – ohne weiteres zweidrei Verbeen-Texte aufnehmen lassen kann; überdies hat er – vor Jahrzehnten allerdings – einige Zeit bei den Tuaregs in der Wüste verbracht und steht Verbeens Orientneigung nah. Das wußte ich vorher nicht und bin nun mehr als beglückt. Der alte Herr wird hinterm Mikro ungeheuer präsent. Später sitzen wir noch auf ein Päuschen im SWR-Foyer beisammen (zum Rauchen muß ich immer auf die Terrasse).

Folgender Dialog:
Toningenieurin Hesse: „Wie ist der Tannenhof denn geworden?“
Hans Wyprächtiger, hochmelancholisch: „Neu.“

(Der Tannenhof ist das Hotel, in dem die Sprecher untergekommen sind und das soeben renoviert worden ist.)

Weiter geht’s. Christoph Hagin kommt, um Thelen-Zitate einzusprechen, schon ist auch Beatrice Kessler da. Anders als bei >>>> SAN-MICHELE oder meinen sonstigen bisherigen Hörstücken, ist d i e s e Arbeit kleinteilig, modular; nie sind alle Sprecher beisammen. Aber es geht ja auch nicht um ein Schauspiel fürs Ohr, sondern es soll eine künstlerische Montage werden, und ich möchte erst einmal den dokumentarischen Character bewahren, um dann später über die hinzugefügten Musiken das Ganze umzuformen. Zwischendurch werden immer wieder meine O-Töne und die vielen Ausschnitte aus dem Archivmaterial sowie die von mir vorbereiteten Musiken ins System eingespielt. Leider geht das hier nicht so einfach wie beim Berliner Deutschlandradio, nämlich nicht als Dateien, was sehr viel schneller ginge, sondern nur in Echtzeit; das hat freilich den Vorteil, daß man von Anfang an immer genau hört und nicht erst dann, wenn die Töne bereits angelegt sind und zugemischt werden.
Schließlich spreche ich noch meine eigenen Kommentar-Partien; hierbei hören – als quasi-Regie – die beiden Damen korrigierend mit, und sie greifen auch, sich zunehmend engagierend, gut und streng ein, während ich in einem der angeschlossenen Kabinen sitze, das Mikro und den Text vor mir. Es ist bereits 23 Uhr, als wir damit fertig sind. Noch ein Päuschen, dann beginnen wir, die noch ungeschnittenen Berliner Aufnahmen Otto Mellies’ durchzuhören und zu putzen. Gegen Viertel nach zwölf sind wir fertig damit, ich telefoniere um ein Taxi und bin dann auch recht schnell im Hotel, wo mir nach einem letzten Bier ist. Irgendwelche Filmleute stehen in dem eher kleinen Raum herum; parallel werde nämlich, erzählten mir nachmittags Taxifahrer, in Baden-Baden ein kleiner Filmkongreß abgehalten. Auf dem Tresen der Bar notiere ich, was mir für morgen wichtig ist, ins Notizbücherl.

[Dies ist/wird der 4000. Eintrag in Der Dschungel.]

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