Noch mal zu Martin Halter und seiner FAZ-Kritik. Mit einer späteren Ergänzung.

Ich halte mich übrigens n i c h t, wie der Herr Halter unterstellt, für eine “der Führungsfiguren der ästhetischen Postmoderne”, sondern das hat Wilhelm Kühlmann in einem Aufsatz über mein Werk geschrieben*; ich denke ganz im Gegenteil, um das zu sein, bin ich zu unbekannt und wird meine Arbeit viel zu wenig gelesen. Ich meine a l l e r d i n g s, daß sich das ändern und eine spätere Zeit mein Werk als zumindest eine der interessanteren Erscheinungen dieser ästhetischen Periode herausheben wird. Neben Helmut Krausser und wahrscheinlich Rainald Goetz, von dem aber abzuwarten ist, ob er – jedenfalls als Erzähler – bleibt, gibt es im deutschsprachigen Raum bei der Generation der heute 40/50jährigen Romanciers nicht so arg viele, auf die es sich poetologisch zu achten lohnt.

Aber es läßt sich hier gut erkennen, wie journalistisch fragwürdig Martin Halter arbeitet: Über die fiktionäre Website ist nämlich sofort kenntlich, daß es sich bei der zitierten Einschätzung um einen Satz Wilhelm Kühlmanns handelt; es wird dort die Quelle angegeben, und man kann, wie in der Fußnote vermerkt, Kühlmanns Text sogar in Gänze herunterladen. Indem Martin Halter den Satz nun als einen von mir selbst formulierten darstellt, spielt er dem Leser manipulativ zu, ich neigte zur narzißtischen Selbstüberschätzung. Das heißt: Martin Halter macht bewußt falsche Meinung. Man muß sich fragen, in wievielen anderen Fällen seine Artikel wohl ähnlich vorgegangen sind.
Indem ich dies so schreibe, ist mir klar, daß, sollte Martin Halter in irgend einer Jury sitzen, die über meine Arbeit befindet, ich von ihr ignoriert werden werde. Zumal diese Art einer suggestiven Falschübermittlung von nicht wenigen seiner Kollegen ganz genauso betrieben wird. Schon jetzt läuft die Meinung um, ich betriebe Nestbeschmutzung. Es gibt aber für solche journalistischen Delikte keine a n d e r e angemessene Zurechtweisung, auch kein Standesverfahren, wie es in sonstigen Berufen durchaus üblich ist. Vielmehr wird von dem Verleumdeten erwartet, daß er stillschweigt. Oder er muß gegen die Zeitung um öffentliche Richtigstellung prozessieren. Um so etwas zu rechtfertigen, ist wiederum der Anlaß zu klein.

*) Der komplette Text läßt sich von der fiktionären Website >>>> herunterladen und also nachlesen.

3 thoughts on “Noch mal zu Martin Halter und seiner FAZ-Kritik. Mit einer späteren Ergänzung.

  1. dass krausser bleibt, … darauf würde ich nicht hoch wetten. obwohl ich ihn manchmal mag, wie damals in klagenfurt. aber halt doch steril, das dauerpubertäre kokettieren mit dem dandy-habitus und mit höchstkultur, und die tagebücher für mich ein einziger offenbarungseid (oder ich habe da irgendetwas gar nicht verstanden). im gegensatz zu ihnen, den ich bislang nicht lese (schuldbewusst), aber klar in eine andere liga einstufen würde. und goetz natürlich … ja, das ist keine erzählliteratur. aber gerade deshalb wird sie bleiben.

    1. Krausser ist ein großer Erzähler. Was die Tagebücher anbelangt, nun wohl. Sehen Sie es s o: Auch Dichter brauchen einen Humus, der vielleicht wirklich nur Abfall wird, aus dem vielleicht aber etwas Großes sprießt. Das ist so. Schauen Sie sich in der Weltliteratur u m: Es ist den Großen erlaubt, auch Kleines zu schreiben; es wäre im Gegenteil ganz furchtbar heroisch, immer etwas Großes zu erwarten.Andererseits schlüsseln sich über die Klein/igkeiten sehr viele produktionsästhetische Dynamiken auf. Und vergessen Sie nicht: Bei einer Frau liebt man auch die Schwächen, manchmal g e r a d e sie (sofern sie nicht ausschließlich sind). Nicht anders ist das Verhältnis von Leser(inne)n und “ihren” Autoren. Das ist für beide Seiten sehr wohltätig… oder muß es sein, ich hab damit nicht so arge Erfahrung, wie Sie nach der Lektüre einiger Dschungelseiten unterdessen sicher wissen.
      Was nun den E r z ä h l e r anbelangt, gehört Krausser für mich zu den wichtigen Instanzen. Und mich interessiert das Erzählen, anders als offenbar Sie. Das ist nicht schlimm, nur eine Differenz, die Sie näher an Goetz rückt, der wiederum für m i c h poetologisch nicht sehr hilfreich, wenn nicht sogar marginal ist. Zugleich spürt mein Instinkt seine Relevanz. Wiederum verfügt Krausser (meines Wissens) nicht über das, was ich “Netzdenken” nennen möchte, anders als Goetz, der es hat. Ich stehe “irgendwie” dazwischen; Halter hat ja nicht unrecht, wenn er von dieser Mischung aus wissenschaftlicher Exaktheit und spätromatischer Unklarheit spricht (die ich, selbstverständlich und mit Bezug auf Heisenberg, “Unschärfe” nennte); nur ist genau das i n t e n d i e r t. Tatsächlich aber bin ich Erzähler wie Krausser und halte an der Erzählung ganz unbedingt fest, aber will ihr ihre eigene (moderne) Problematisierung mit einschreiben, an der, wiederum andererseits, Goetz weniger “sitzt”, als sie vollzieht. Meine Haltung ist die eines, der “die Erzählung” in die Moderne hinüberleitet, sozusagen bin ich so eine Art narrativer Charon. Das ist nicht wenig, ich bin mir dessen sehr bewußt. Ich habe deshalb eine prekäre Lebenssituation: Zum einen gibt man mir wirklich nur eine Münze dafür, zum anderen wollen d i e s e unbedingt hierbleiben, jene aber ganz unbedingt (und n u r ) hinüberkommen; beiden versagt sich meine Arbeit. Wenn ich derzeit Munthes “Buch von San Michele” lese, das es auf weltweit 25 Millionen Exemplare gebracht hat, aber aus dem kulturellen Bewußtsein nahezu verschwunden und im übrigen in seiner Fülle nicht verfilmbar ist, dann weiß ich, woher dieser ungeheure Genuß rührt, den ich dabei empfinde; zugleich weiß ich aber auch, es ist die Zeit für solche Bücher ästhetisch vorbei – und es muß eine andere Form gefunden werden, die den Genuß perpetuiert. Es wäre schade, sinnlich schade, um seinen Verlust. Es ist ein hybrider Versuch, ihn zu wahren, aber es i s t der Versuch, für den ich angetreten bin. Das weiß ich allerdings erst heute, mit fünfzig. Als ich ihn – zu meinem heutigen stupenden Erstaunen – begann, hatte ich davon keine Ahnung. Und dennoch, seh ich mir meine Werkgeschichte an, war das bereits mit “Die Verwirrung des Gemüts” von 1981 wie ein Planspiel vorbereitet. Von später erscheinenden Sekundärtexten wie Ralf Schnells “Autopoeisis” konnte ich da aber nichts ahnen, noch wäre mir überhaupt zugänglich gewesen, was der Mann m e i n t.

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