Uneigentlichkeit.

Ironie ist ein sich als lächelnde Überlegenheit tarnender Ausdruck von Lebensangst. Ihre Dynamik reicht der postmodernen Flucht in die Oberfläche, die gleichfalls zudecken soll, die Hand.

So trippelt das Gespann, bejubelt von Gleichen, durch die Kunst.

(CXLIII).

9 thoughts on “Uneigentlichkeit.

  1. Oberfläche und Ironie Das Mittel der Ironie auf die Diagnose von Lebensangst zurückzuführen, halte ich für eine verkürzte Sichtweise. Sie verursacht bei den Gemeinten nur zusätzliche Schuldgefühle. Soviel sei zugegeben, dass Ironie – als literarisaches Konzept oder im Alltag – gewiss nicht das vornehmste und schon gar kein umfassendes Stilmittel sein kann. Ihre Berechtigung ließe sich allerdings durchaus in dem Hinweis auf Vermeidung von Aggression finden, vielleicht ein Bewegungsgesetz der Entwicklung von Zivilisation.

    Was den Begriff der Oberfläche betrifft, bin ich keinesfalls der Meinung dass sie etwa nur beiseite geräumt werden müsste und darunter käme zum Vorschein – ja was? Ganz sicher nichts anderes als nur eine weitere Oberfläche. Der Begriff Oberfläche setzt einen unendlichen Prozess in Gang. Er ist vielleicht so geeignet, den Begriff Wirklichkeit neu zu fassen. In „Argo“ sehe ich übrigens ein Beispiel dafür.

    1. Es geht in diesen Notaten um Ironie als ideologische Volte. Selbstverständlich gibt es auch eine Form ironischer Zivilisation, die sich grob als Moment von Sublimation fassen läßt. Nur hat auch diese eine Tendenz zur Fetischisierung bekommen. Dagegen ist dann allerdings vorzugehen… nicht „an sich“, sondern für den Atem. Die von mir attackierte Ironisierung ist der Verdinglichung unterworfen worden und meilenweit davon entfernt, was noch bei Heine etwa Kampfbegriff war. Es ist also n i ch t die romantische Ironie gemeint, die der „moderne Ironiker“ gleichwohl stets und gern und kommod zu seiner Rechtfertigung beizieht.

  2. @ h/a; Ironieverdächtigungen… … wecken bei mir oftmals dunkle Ahnungen, so auch bei Ihrem Aphorismus. Zum einen klammern Sie Selbstironie offenbar vollkommen aus, die in ihrer Identifikation von Ironie-Subjekt und -Objekt gerade von einem Bewusstsein tieferer Schichten zeugt, das wiederum (übrigens oft männlichem) Bier- oder Rotwein-Ernst schlicht abgeht.

    Zum anderen schreiben Sie damit völlig an der oesterreichischen Variante der Ironie vorbei, die (ob nun Habsburgisches PLUS OVLTRE oder Herzmannowskys ‚Karneval der Gene‘) in, eben in nicht: unter, der Oberflaeche tiefste Tiefe versteckt.

    Insofern ist mir Ihre Kritik an dem, was Ironie ‚zeitgenoessisch‘ geworden sei, eben zu: gleichzeitig gedacht.

    1. @Max Ernstin. Mit der genannten österreichischen Variante haben Sie völlig recht, aber nicht mehr mit der zeitgenössischen. Herzmanovski drehte sich noch jetzt im Grab um, gäbe es eine Wiederauferstehung im Fleische, erlebte er, was aus seiner Ironie geworden ist… es wäre rein eine Wider-Aufstehung um Fleische. Was die Selbstironie anbelangt, bin ich heikler als Sie; auch diese k a n n eine Form völliger Abwehr sein, ein Apage! gegenüber tatsächlichem Engagement, womit ich erst einmal Lebens-Engagement meine, sich einzulassen, zu wollen, auch Risiken zu wollen. Man kann das ganz einfach, na gut, ich kann das ganz einfach als Vater schreiben: Wer ein Kind auf Dauer ironisch behandelt, macht es krank. So auch das Leben.

      Als eine unter anderen Erkenntnisformen hat Ironie aber zweifellos ihre wichtige Rolle, auch zum Austarieren von Verhältnismäßigkeiten. Wenn ich so etwas wie diesen Paralipomenon schreibe, ist das insofern immer im Wechselspiel zu lesen. Und Sie wissen aus „der“ Frauenbewegung sicher sehr gut, daß nur die Übertreibung, also Radikalität, etwas bewirkt, alles andere wird im kapitalistischen Demokratismus schlichtweg aufgeschwammt.

    2. @ homme/automne; geschickt, wie Sie mir da… … einen neuen nick basteln. Aber trotzdem muß ich nochmals gegen dern Ernst, nicht den Max allerdings, angehen.

      „Wer ein Kind auf Dauer ironisch behandelt, macht es krank.“

      Voellig einverstanden, aber: Wer seinem Kind die Faehigkeit zur Selbstironie verbaut, ebenso. All work and no play makes Jack a dull boy.

      „So auch das Leben.“

      Wie? Der Ironiker macht das Leben krank? Seines? Das anderer? Nicht umgekehrt?

      Ich spreche ja nicht von einer fortwaehrend ironischen Haltung zum Leben (die vielleicht gar nicht mehr ironisch waere, weil sie keinen Bruch gegenüber ihr selbst mehr zulaesst); aber wenn mich jemand zwingen wuerde, eine Woche lang sagen wir: Bunyan zu lesen, wuerde ich – glaube ich – jemanden umbringen fuer eine paperback-ausgabe von ‚Bunbury‘.

      Vielleicht ist mir auch das Wechsel-Spielerische in Ihrem Aphorismus noch zu gering dosiert. Und was die Frauen- oder die Maenner- oder eigentlich jede Bewegung angeht, ausgenommen die wenigen, die den sanften Weg des fernen Ostens beschreiten: Ganz ironiefreie Radikalitaet bewirkt in erster Linie, daß die ’siegreiche‘ Bewegung sich kaum noch von der ‚besiegten‘ unterscheiden laesst.

  3. Im besten Fall schafft Ironie Distanz zum Objekt; im schlechtesten macht sie immun gegen jegliche Nähe.

    (Wie heißt es sinngemäß bei Freud? ‚Ironie ist der Schutzschild der verletzten Seele.)

    1. genau, man kann sich halt keine aufbau-gesellschaft leisten und das aus gründen
      der vernetztheit – also wäre distanzeinnahme probat und utopie privatisiert.
      eine utopie gesellschaftlicher ironie kann ich nicht erkennen sich erkenntlich zeigend einem zu sich selbst stehen als etwas überholtem oder präziser ausgedrückt etwas, das selbstbewusst vergangenheitsbezoge fehler in form einer ironischen distanziertheit schon längst souveränst überstieg.
      ironisches, abgetrennt eines selbstironischen, scheint mir selbst obsolet, weil
      als modus der täuschung – insofern für den andern nicht als ironie erkenntlich – nurein schnöder abschottungsmechanismus, eine angst vor nähe.
      soweit irgendwie d’accord und eigentlich hierin überflüssig als vertrautes, heimeliges, nettes.
      ( womöglich löschstoffliches … )

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