Argo. Anderswelt. (53).

Lerche konnte nicht wissen, daß s i e es gewesen war, die Broglier abermals modifiziert hatte; erst dadurch hatte er nachhause zurückkommen können. Zu seiner Dorata, dachte sie. Und dachte, was für ein wunderbarer Mann. Dachte es jetzt, als sie beobachtete, wie hilflos bemüht er um die Klonin war, und hatte es neulich gedacht, als sie zu sich gekommen war, Hotel Am Marschiertor, in einem billigen Bett die Wange auf der Brust des altgewordenen Schürzenjägers. Da schlief er noch. Und weinte im Traum. Weinte nach der, die er vergessen hatte, weinte – als ihr das klarwurde, war die Zeuner hellwach – gegen sein Programm. Als auch er wachgeworden war und ihren Körper abermals zu liebkosen begann, hatte er daran nicht die geringste Erinnerung. Wahrscheinlich ahnte er es nicht einmal. Er leidet, hatte die Zeuner unter seinen Küssen gedacht, er leidet, ohne es zu wissen. E s, in ihm, leidet. Und sie hatte seine Küsse in einer ihr selbst unergründlichen Leidenschaftlichkeit erwidert, hatte sie, begriff sie, als Dorata Spinnen erwidert, war, aus Liebe, zu Dorata Spinnen g e w o r d e n. Denn in Wahrheit küßte Broglier d i e s e, in Wahrheit kniff er d e r in die Brustwarzen und zog an ihnen und leckte durch die Labien dieser anderen Frau zum feinen Spalt der unter der Vorhaut geschwollenen Beere. Es verletzte die Zeuner nicht, daß sie gar nicht gemeint war, im Gegenteil es berauschte sie um so mehr, als Broglier das nicht merkte und er eben deshalb so sehr in seine erotische Rage geriet, weil sich die Frau in seinen Armen… man muß sagen: vereigentlichte. Gewöhnlich ging sie mit ihrer Sexualität vernünftig und besonnen um. Ging mit ihr, eben, um. Sie war emanzipierte Frau und schlief mit Männern gerne. Doch so, wie man ißt, zu einem Drittel aus Hunger, zum nächsten Drittel aus Genuß, doch nicht zuletzt auch aus Vernunft. Sabine Zeuner war erotisch nie getrieben, sie hielt ihren Unterleib an der Kandarre. Die Verführungsgesten, für die sie berüchtigt und begehrt war, hatten fast immer ein inszeniertes Moment, das auf der Autonomie des Geistes übers leibliche Bedürfnis fußt. Das war, indem sie sich als Dorata hingab, mit einem Mal anders. Nichts davon spielte mehr eine Rolle, sie fühlte nur und kam in mehreren Wellen, die sich zunehmend türmten. Sie schrie sogar, war hinterher ganz heiser. Heiser und naß, sie war leck, scharfe Schwälle spritzten aus ihr heraus. Und umgekehrt ist zu sagen, s o hatte John Broglier auch seine Dorata noch niemals geliebt. So wie jetzt, da er’s nicht wußte. Ihrer beider tiefster Akt geschah diesen innigsten Gefährten in einer anderen Frau. Und die alleine begriff es. Das gab ihr das Recht und die Wahrheit, dem sich endlich verschießenden Mann den einen, den einzigen, einzigartigen Satz zu sagen, dessen Glanz über Millionen Lippen fliegt und dennoch ohnegleichen bleibt. „Ich liebe dich“, sagte die Zeuner. Sagte es als die andere. Bevor auch sie

Elftes Kapitel zu weinen begann.






>>>> ARGO 54


ARGO 52 <<<<

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .