Argo. Anderswelt. (19). Briefe (1).

An die Architektenkammer Berlin (kammer@ak-berlin.de)

Sehr geehrte Damen und Herren,
für ein Romanprojekt möchte ich gerne wissen, aus welchem Material die Reichstagskuppel sowie die Glashalle des Lehrter Stadtbahnhofs bestehen. Können Sie mir weiterhelfen, eventuell direkt oder mit Angabe einer Kontaktadresse?
Ich danke Ihnen im voraus.
Mit besten Grüßen
ANH

P.S.: Über mich informiert meine in der Signatur verlinkte Website.

Und an den Deutschen Stadtplandienst (stadtplandienst@bln.de), bereits am 15. Oktober und seither ohne Antwort:

Sehr geehrter Herr Biermann,
für ein Romanprojekt, dessen Entstehung ich in meinem Literarischen Weblog mitschreibe, hätte ich gerne einen Kartenteil (Berlin, ungefähr die Gegend um Kanzleramt, Lehrter Stadtbahnhof etc.) in den im Weblog skizzierten Romananfang gestellt.
Würden Sie mir das mäzenatisch erlauben?
Mit bestem Gruß
ANH

P.S.: Über meine Arbeit informiert eingehend meine Website sowie das Literarische Weblog.

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16 thoughts on “Argo. Anderswelt. (19). Briefe (1).

  1. ad architektenkammer-brief:
    unser physiklehrer fragte einmal die klasse: “woraus besteht denn der eisenkern (anm.: eines elektromagneten)?” – und wir brüllten vor lachen, obwohl die frage gar nicht so dumm war;
    wollte er doch wissen, WIE dieser eisenkern aufgebaut war.

    1. Mich interessiert die besondere Zusammensetzung des Glases. Das eine solch mächtige physische Spannung ertragen können muß. Ich versuche, bei Materialnennungen immer sehr genau zu sein, zumal die physikalischen Daten oft zu neuen Sprachbildern führen. Ein Autor muß sich naturwissenschaftlich bilden, sonst taugt er nicht. Das gilt um so mehr, wenn er, wie ich, mit mythischen Strukturen umgeht. Da darf kein Marshmallow drin sein.

    2. Das lassen Die Dschungel aber stehen. @ Th.Fuegner, der sich nun selber löschte und gewußt haben wird, weshalb:
      … Sie haben etwas nett-Querulantisches. Das gefällt mir eigentlich. Aber was haben Sie gegen Bildungsbürger – mal abgesehen davon, daß meine Herkunft bürgerlich nun wirklich nicht i s t. Aber auch das spielt keine Rolle. Ich find es nur erstaunlich, daß Sie auf meine – meinethalben naive – Frage gleich so einen roten Plusterkopf kriegen.

    3. dafür hatt’ ich jetzt wirklich genügend Zeit Nach fast einem Jahrhundert wissenschaftlicher Tätigkeit stolpert man über das eine oder andere. Soweit ich mich entsinnen kann, besteht Glas ja aus der amorphen, verfestigten Schmelze von Quarzsanden oder Siliciumdioxiden. Je nach Zusammensetzung erreicht die Dichte Werte die dem Stahl vergleichbar sind. Aber solches werden sie ja als versierter Info- u. Argonaut sicherlich wissen. Was mich dabei anfiel, ist die Erinnerung an ein Gespräch mit dem Grossvater. Wieso eine alte Glasscheibe unten dicker sei als oben, stellte er dem siebenjährigen Jungen die Frage. Seine sogleich selbst gegebene Antwort erstaunt mich noch heute: Glas fliesst min Jung, Glas fliesst!
      Soweit dazu. Übrigens ist Ihr Altblog über keinen Link mehr zu erreichen, was ich sehr bedaure.
      Hochachtungsvoll
      Ihr Moosbach

    4. Ja. Derselbe, Herbst, derselbe … Sie werden gar nicht glauben, wie lange ich forschen musste, um 1912 zu entkommen. Im Grunde, werter Herbst, sind Sie derjenige, der das zu verantworten hat. Oder genauer: Zilts machte mich neugierig. Etwas stimmte nicht mit dem Mann. Dass Sie dahinter standen, habe ich erst vor einigen Jahren herausbekommen. Überdies gleichen Sie ihm, lieber Kollege, nur dass Sie bisher glücklicherweise auf Ihren fiktionären Reisen die Bedingungen der Klugheit nicht vermissen liessen. Welcher Mangel Zilts ja, wie ich leider erfahren musste, zum Verhängnis wurde. Den Molekularforscher könnten Sie jetzt ja brauchen, eher wohl als die Architektenkammer.
      Doch habe ich mich vielleicht schon zu weit vorgewagt. Ich bin Wissenschafter, Herbst, Wissenschafter. Zu viel an Einmischung darf ich mir nicht erlauben. Aus dieser Überlegung heraus, wäre es vielleicht besser, mich vorerst wieder hinter den Horizont zu begeben.
      Hochachtungsvoll
      Moosbach

    5. Was ich aber sehr bedauerte. Zumal mir siede-inspiriert einfällt, daß ich ja auch Sie noch zuende schreiben muß… Ah, ich verstehe, Sie wollten erinnern daran mit Ihrem Blick aus dem Labyrinth in unsre Labyrinthe… und ich hör Sie rufen: “Hallo, Sie Dichter! Auch i c h bin noch da!” (Und hinter Ihnen – nein, man sieht sie nicht, aber ich a h n e – steht auch die schöne Judith noch.)

    6. Sie irren, Herbst, Sie irren. Das Labyrinth habe ich vor langer Zeit schon verlassen. Judiths wegen. Als sie 1929 verstarb, gab es nichts mehr, was mich im Hamburg meiner Zeit gehalten hätte. Am 30. Januar 1933 hatte ich Sie nach Jahren der Suche endlich in Ihrer Welt gefunden, Zilts hatte mir ja den Anhaltspunkt 1984 gegeben. Ich verliess meinen Schreibtisch, liess das von mir entwickelte Orbiskop, mein Weltenfernrohr zurück, und trat zum ersten Mal aus dem Labyrinth in eine andere Welt als die meine: Im Oktober 1990 fing mein zweites Leben an. Seither bereitet es mir ausserordentliches Vergnügen Ihnen Verehrtester über die Schulter zu schauen. Sie sehen lieber Herbst, Ihre De-Inspiration mich betreffend hat mir nicht geschadet, im Gegenteil: Ich habe mich selber fort-geschrieben. In beiderlei Sinne.
      Doch genug
      Ihr (besser wäre ja jetzt: mein) Moosbach

    7. Von einem Orbiskop wußte ich noch nichts. Aber Zilts konnte ja auch nichts mehr erzählen, da in seiner Zelle der JVA Butzbach. Und war auch, ich weiß nicht, ob S i e das wissen, sehr schnell blind. Er hat sich das Leben genommen. (Man soll so etwas eigentlich nicht verpetzen, aber in diesem Fall war eine solche Konsequenz von allem Anfang an klar. Und: Sie haben ihn gewarnt. Das stimmt. Wäre er im Labyrinth geblieben, es wäre ihm nichts geschehen. Aber er mußte ja unbedingt zurück in die “Welt”.)

      Sie müßten, Pardon, aber… Sie müßten jetzt ziemlich schnell gealtert sein…

    8. Alter schützt vor Neugier nicht. Was umgekehrt leider ebenso zutrifft. Mit dem Alter haben Sie recht, Herbst. Trotz – dank des erwähnten Weltenwechsels – übersprungener 57 Jahre gehe ich langsam und stetig auf die Hundert zu. Die Zeit drängt und dräut und mein letztes Projekt, Sie nämlich werter Herbst, verlangt mir einiges ab. Doch hoffe ich, Sie bereiten mir nicht allzuviel Kummer. Erwarten Sie daher im nächsten halben Jahr ein Päckchen von mir. Soviel Zeit wird, ja muss noch dasein. Sie muss.

      Zilts mangelnde Berücksichtigung der Bedingungen der Klugheit und sein Irren durch Tausend Plateaus war mir sehr wohl bekannt. Dass Sie ihn dafür mit Blindheit und Selbstauslöschung büssen liessen, konnte ich mit Schrecken mitverfolgen (das Projekt, Herbst, das Projekt!). Seit 1990 verfolge ich Ihre Karriere, vergessen Sie das nicht. Und dass ich ausgerechnet das Büchelchen, in dem ich selber zur Welt komme, auslassen würde, das glauben Sie wohl selber nicht.

      Doch nun sei wirklich genug. Mein Projekt ruft. Erwarten Sie das Päckchen.
      Mit bestem Gruss
      Moosbach

      PS: Vielleicht schicke ich Ihnen ja auch die Pläne des Orbiskops mit. Aber im Grunde müssten Sie es ja kennen: Sie und Deters, Beutlin, ja auch Daniello und der Herr Marduk benutzen ja ähnlich geartete Dingelchen: Orbigraphen. Im Gegensatz zu mir greifen Sie intensiv ein, wohingegen ich mich vorwiegend aufs Beobachten verlege. In diesem Sinne: M.

  2. Upps, lieber Herbst… Da werden Sie aber viel zu löschen haben.

    (Schon das “wegen dem” des Herrn Fügners gebietet das, finde ich. Das können Sie unsere Dschungel nicht wirklich lange erdulden lassen.)

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