Untriest 14: Am Montag, dem 26. Januar 2015. (Briefe nach Triest, 39: Beginn der Überarbeitung/Traumschiff, 20: Zum Vorschautext. Aus einem Brief an die Lektorin.)

(…)Ich habe es nie gemocht, zu einem meiner Bücher einen Vorschautext zu verfassen, noch schlimmer sind Klappentexte. Beides, wenn ein Autor sie selbst schreibt, zwingt ihn in die Entfremdung. Zum anderen bin ich längst so tief in dem Triestroman, daß das >>>> Traumschiff schon irgendwie nicht mehr wahr für mich ist. Seit zweidrei Tagen überarbeite ich die >>>> Anfangsbriefe, rücke sie mit einem, sagen wir, Trick in eine Distanz, die sowohl das vermeintlich Autobiografische in den Hintergrund drängt als auch, gerade dadurch, das empathische Moment sogar noch verstärkt. Das “Ich” des Briefautors kommt nahezu nur noch in der Anrede vor. Zwar bleibt er es, der die Sìdhe anspricht; was und von wem er ihr aber erzählt, wird objektiviert, ein Prozeß, in den er sich selbst ganz hineinnimmt. Deshalb brauchte ich einen Namen für ihn, der meine kommt nun nirgends mehr vor. Wie findest Du “Daron”? (Ich habe gestern lange gesucht, probiert, verworfen, probiert, verworfen. “Daron” bedeutet “der bei Nacht Geborene” – was nun im Text-selbst zum Motiv wird.)
,
Meine Entfernung vom Traumschiff ist kein Grund zur Sorge, gar zum Erschrecken: Der Vorgang ist für mich völlig normal. Quasi immer nach Abschluß eines Romans bin ich in den je nächsten gesprungen und darin untergetaucht. Das wird uns die Lektoratsarbeit sogar erleichtern, weil ich dann nicht mehr so libidinös mit dem Traumschiff verbunden bin – was den kritischen Blick stärkt; das Empathische – unbedingt nötig für meine Poetik – wurde ja vorher geleistet (sollte jedenfalls geleistet worden sein; die bisherigen Reaktionen auf den Roman zeigen, daß es der Fall war).

Wichtig für den Vorschautext, glaube ich, wäre allerdings, daß wir (…) rein auf dem Schiff bleiben, dabei das melancholisch-Schöne in den Vordergrund stellen, vielleicht die fliegenden Mantas erwähnen, gern auch die Feenseeschwalben; das Sterben könnte zwar benannt werden, jedoch nur, in Umschreibung, als ein Ungefähres; so auch die späte Verliebtheit Lanmeisters in Katheryna und das Wunder der Zikaden, die Verwandlung der Sperlinge. Auch die vielen Mit-, bzw Binnengeschichten sollten erwähnt werden, das Erzählerische sollte im Vordergrund stehen. Eine duftige Sprache wäre schön, die etwas von der Schwebe vermittelt, in der sich der alte Mann aufhält, Sonnenuntergänge, Wolken, Formationen des Wassers.
Wenn Du so etwas hinbekämest, wäre das toll. Ich schaute danach noch mal drüber, fügte vielleicht hier und dort etwas ein oder formulierte leicht um. Zuletzt sollte es sich der Verlag ansehen und ebenfalls noch einmal feilen, mit seinen Erfahrungen von Lesererwartungen/-hoffnungen. Mir selbst ist solch ein Draufblick fremd – Dir, wie ich glaube, genauso. Jedenfalls ich bin zu anders –  insgesamt, in Leben, Fühlen, Denken, Meinen -, als daß ich die den Buchmarkt bewegenden Reize wirklich verstehen könnte; manchmal ahne ich was, dann wird mir aber, um es emotionslos auszudrücken, noch fremder zumute, als ich gegenüber der determinierten Alltagswelt wahrscheinlich sowieso bin, und ihrem Bedürfnis nach Ablenkung, bzw. Sublimation. Mir fällt dann immer sofort Adorno ein.

(…)

Das „empathische“ Moment meint selbstverständlich das „emphatische“ m i t. (Die ersten vier Briefe sind überarbeitet, jetzt wird Korrektur gelesen).Um 5.15 Uhr aufgestanden, um acht kommt López, mein Señor de limpieza, also rück ich dann für den Waschsalon aus. Um zwölf zum Schwimmen, danach wieder die Briefe. Bis zum abend um neunzehn Uhr, wenn ich wieder Eisenhauer zum Billard treffe, will ich mit diesen ersten vier fertig sein, damit ich die Löwin und Broßmann drüberschauen lassen kann, bevor ich sie, diese Briefe, für die Bewerbung hinausgehen lasse. An den dreiunddreißigsten, vielleicht auch schon vierunddreißigsten Brief setze ich mich ab morgen; ich bin mir aber noch unsicher, ob ich gleich in der objektivierten Überarbeitungsform weitermachen oder für den Rohling die Nähe an mir selbst noch lassen soll. Danach muß ich mich wieder um das Hörstück kümmern: schnell.

(5.45 Uhr,
Arbeitswohnung)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .