James Joyce, Chamber Music. In neuen Nachdichtungen von Helmut Schulze und ANH. Chamber Music (XVI): Das sechzehnte Gedicht. (Entwürfe).


XVI.

O cool is the valley now
And there, love, will we go
For many a choir is singing now
Where Love did sometime go.
And hear you not the thrushes calling,
Calling us away?
O cool and pleasant is the valley
And there, love, will we stay.




Chamber Music 15 <<<<

15 thoughts on “James Joyce, Chamber Music. In neuen Nachdichtungen von Helmut Schulze und ANH. Chamber Music (XVI): Das sechzehnte Gedicht. (Entwürfe).

  1. Oh wie kühl ist jetzt die Tiefe. (ANH-Version).

    Oh wie kühl ist jetzt die Tiefe.
    Laß uns dort drunten schreiten
    wo‘s scheint, als ob ein Chor uns riefe
    von Liebenden seit Zeiten.
    Hörst nicht auch du die Drosseln rufen,
    rufen hinab von hier?
    Oh kühl und freundlich, Liebste, mir
    ist’s Bleibe, dieses Tal, und dir.

  2. kühle senkt sich nun ins tal (HS-version)

    kühle senkt sich nun ins tal
    es sei, lieb’, unser ziel
    chöre hallen wider dort im tal
    wo’s lieb’ doch sonst gefiel
    hörst du denn nicht die drosseln rufen:
    euch dieses eine mal!
    heiter ist es jetzt im tal und kühl
    es sei uns statt und wahl

  3. Für dieses Mal gefällt mir die Herbstsche Variation ein wenig besser. Vielleicht, weil ich sie als liedhafter (?) empfinde?
    Nur das “als ob” lässt mich stolpern.
    Interessant ist an diesem Projekt, wie sehr es die Kriterien befragen lässt, nach denen Übersetzungen als mehr oder weniger gelungen wahrgenommen werden: geht es um eine größtmögliche Entsprechung zur Form und/oder zum Gehalt der Vorlage oder um die Generation einer bestmöglichen sprachlichen Form in der gewählten Sprache? Und warum dann – überhaupt? – Lyrik übersetzen – im letzteren Fall? Ich habe darauf keine Antworten. Außer dass feststeht: das lyrische Sprechen reizt die semantischen Wortfelder und syntaktischen Verknüpfung aus, statt sie zu bestimmen. Es ist genau ungenau. Und schön. Wenn es gelingt. Womit wir in der Schleife wären.
    Sind das “schlechte” Gedichte von Joyce, ANH?

    1. dem gefallen läßt sich schwerlich etwas entgegenhalten. eine berechtigte gegenfrage wäre: was gefällt weniger an meiner version? nicht so liedhaft? nun muß ich – indirekt auf das aufwerfen der problematik des lyrik-übersetzens eingehend – sagen, dass ich silbenzählend vorging und vorgehe, um dadurch auf den punkt zu kommen bzw. ‘abridged’ zu sprechen ohne große circumlocutionen, um zu konzentrieren, wozu in diesem fall auch die wahl der ganzen -l-endungen zählt… form. zum lyrischen sprechen ist nichts weiter hinzuzufügen, genauso empfinde ich es. das warum – um auch darauf einzugehen – liegt im wunsch der aneignung, der einvernahme in ein eigenes sprechen, ohne das andere sprechen zumindest bewußt zu verleugnen, das ja doch immer die wortwahl in gewisser weise lenkt. eine wiedergabe ist es aber insofern nie.

    2. Das stimmt: dass das “Gefallen” keine Grundlage für eine Diskussion bietet. Ich interpretiere auch deswegen so selten und ungern Gedichte, weil ich jene Distanz, die die Analyse verlangt, nicht herstellen kann/mag, sondern sie zu mir “sprechen lassen” will, eine Aufnahmebereitschaft, die sich mit Zergliederung (Analyse) kaum verträgt.
      Dennoch versuche ich, dem (meinem mehr oder weniger Gefallen) nachzuspüren, nachdem ich´s jetzt hier rein geschrieben habe: Ich glaube es liegt an der ersten Zeile der jeweiligen Übertragung, warum mich die erstere in diesem Fall eher packt. Obwohl oder weil ja die zweite (also parallelies) näher dran ist am Original. Das “Oh” und die “Tiefe”, also, wenn man will, gerade die Entfernung von der Vorlage? Und dass es kühl i s t, statt dass sich ein Abstraktes wie “die Kühle” s e n k t. Vor allem, stelle ich beim mehrmaligen Lesen fest, ist es dieses Verb, das (mir) nicht passt … (Ach was, ich trudele.)
      Diese Art der Übersetzung, die Sie, parallelie meinen, ist keine Wiedergabe, sondern eine Interpretation, wie ein Musiker, der ein Stück interpretiert, in dem er es spielt, oder? (Also auch: Treue gegenüber Rhythmus und Metrik). Und vielleicht macht ANH etwas Anderes, zumindest hier: Er benutzt die Vorlage als Material für eine eigene Komposition.
      Manchmal finde ich die eine Weise zu übersetzen stimmiger, manchmal die andere. Auf Facebook schrieb ANH, dass diese frühen Gedichte von Joyce “objektiv nicht gut” seien.
      Sehen Sie das auch so, parallelie?
      Was mir an der zweiten Variante, übrigens, besser gefällt als an der ersten, ist, dass die Ansprache an die “Liebste” als Einschub (love/” lieb”) in der zweiten Zeile erhalten bleibt.

    3. (ANH-Version 2)@parallalie und Melusine. Prinzipiell zu einer Bemerkung in dieser Diskussion will ich gesondert schreiben. Aber aufgrund zweier Einwände Melusines revidiere ich meine Nachdichtung:

      Oh wie kühl ist jetzt das Tal.
      So laß uns, Liebste, drunten schreiten,
      weil Liebenden dort manches Mal
      ein Chor rauscht, sie zu leiten.
      Hörst nicht auch du die Drosseln rufen,
      rufen hinab von hier?
      Oh kühl und freundlich, Liebste, mir
      ist Bleibe dieses Tal, und dir.

      In der Tat ist mir die Silbenzahl eines Gedichtes weniger wichtig als etwa der Reim; sie ist, scheint mir, vom Charakter der jeweiligen Sprache abhängig, läßt sich also nicht ohne Verlust an Sinn, und vor allem Schmelz, eins zu eins übernehmen. Joyces Gedichte sind hier vor allem Gedichte eines jungen Schwärmers, sagen wir: eines Jungen, keineswegs eines sexuell reifen Mannes. Sie wirken oft ausgesprochen pubertär, was ihnen bisweilen etwas ganz Rührendes gibt. Auch, wenn ich manchmal denke: “Meine Güte, wie naiv!”, möchte ich doch gerade dieses erhalten, weil es auf Joyces spätere Werke ein ungewohntes, jedenfalls selten beachtetes Licht wirft. Das Kind in uns bleibt ja immer in uns, und in diesem Fall nimmt das von Joyces späteren Werken den Ruf des “Schwierigen” zumindest teilweise hinweg. Genau das erklärt aber auch, weshalb zum Beispiel Wollschläger diese Gedichte so rigoros ablehnte, ja sich zu der Bemerkung verstieg, er hätte sie am liebsten niemals gelesen. Aus der Perspektive des formalen Avantgardisten sind sie nur – Kitsch. Und deshalb verräterisch.
      Noch etwas zur von mir so gesagten objektiven Schwäche der Gedichte: Hier etwa sind die beiden Zeilen “For many a choir is singing now/Where Love did sometime go” ziemlich ungelenk, und oft reimt Joyce furchtbar grauslich dasselbe auf dasselbe Wort, oder er beugt den Wortklang in die Schriftgleichheit, zum Beispiel in der Nummer 17 “love” auf “move”. Immer wieder wackelt auch sein Versmaß, was für mich ein weiterer Grund ist, nicht getreu nach Silbenanzahl nachzuübertragen, vielmehr zu versuchen, genau das G e f ü h l zu erfassen, das sich in den Gedichten zum Ausdruck bingen will, also ihr Feuer (und ihren, manchmal, nur Rauch). Jedenfalls sind diese Gedichte nicht nur für einen Modernisten schon arg altertümelnd, das will ich in meinen Übertragungen erhalten. Man bedenke, daß längst Mallarmé gedichtet hatte, Apollinaere, Rimbaud.

    4. @Melusine und Parallalie. Aber ohne “Gefallen” und “Mißfallen” gäbe es gar keinen Gund für eine Diskussion. Sie überhaupt bringen uns doch dazu,. uns auf etwas einzulassen oder etwas abzuwehren. Ohne sie wäre alles ein unverbindliches und untiefes, völlig beliebiges Herumgespiele.

    5. Das stimmt natürlich auch. “Gefallen” und “Missfallen” sind Ausgangspunkte. Aber dann, um das Gespräch in Gang zu bringen, müsste eine auseinandernehmen (zerstückeln), woraus sich eben jener Eindruck ergibt. Textanalyse und Selbstanalyse, gewissermaßen. Und eben davor schreck´ ich bei Lyrik oft zurück, öfter zumindest als bei Prosatexten.

      Ihre zweite Version, ANH, gefällt (!) mir besser.

      Zur Naivität der Joyce´schen Vorlage und dem Versuch, ihr zu entsprechen in der Übertragung: Es mag sein (Selbstanalyse, 😉 ), dass auch hier ein Grund für mein Gefallen liegt: Dass ***ich*** (gelegentlich) naiv bin und es bleiben will (ein Widerspruch in sich, ich weiß).

  4. Ein kleines Notat zum Vorgang der Nachdichtung selbst. Mir ist, als hätte ich darin ein geometrisches Analogon entdeckt. Während jede Nachdichtung für sich ein Bild des Ursprungstextes projiziert, spannt die Gleichzeitigkeit der beiden Nachdichtungen einen Wahrnehmungsraum auf. In der Funktion wandeln sie sich dadurch von “para-” zu “paralen” Texten. Zusammengetragen von imaginierten Sprechstimmen (“-lalie”) ergibt sich schließlich ein wuchtiges Klangerlebnis im Kopf. Die Rezipientin wird also zu ihrer eigenen Komponistin.

    Die Dichter mögen mir die Frage erlauben, ob ihre Texte auch (im Hintergrund) aufeinander Bezug nehmen.

    1. dennoch sollte man hinzufügen, daß in der jetzigen phase die texte erst mit dem einstellen miteinander in berührung kommen. [zu den restlichen überlegungen heute abend mehr]

    2. @schlavmayr statt von geometrischen analoga zu sprechen, gefiele es mir, in diesem fall den begriff der trigonometrie einzuführen, die den landvermessern durchaus eigen.

    3. Ich verstehe; das brächte schließlich das Zusammenwirken der Texte über die “Standlinie” in meine Vorstellung.
      Dank den Dichtern.

  5. zunächst @MelusineB
    der einwand des senkens ist mir im nachvollziehen plausibel: was macht die kühle? senkt sie sich? es ist wohl an etwas zu denken, was “in einem kühlen grunde” gleichkommt. dem liedcharakter dieser texte. aber wie ich das löse, behalte ich mir für eine spätere phase vor. insofern stimmt schon, was Sie mit dem “liedhaften” andeuteten, was ich selbst auch beim blättern am anfang empfand, daß es sich um versatzstücke einer liedtradition handelt. ob ich sie zum teil schlecht finde? nicht wirklich. es kommt darauf an, das hinüberzubringen, was an “pubertärem” (anh) da ist, und was man höchstwahrscheinlich selbst erfahren hat. pubertät ist allerdings kein immergrün. im grunde auch, weil (@anh) es nicht um einen Joyce geht, der sich in der allsprache ergeht. indeed: ” “When I wrote [Chamber Music], I was a lonely boy, walking about by myself at night and thinking that one day a girl would love me.” (Joyce gegenüber Nora). daß es mit den metren nicht hinhaut (abermals @anh), kann ich nicht nachvollziehen. es käme darauf an, es laut lesen zu hören. insofern: dem greenhorn ein bißchen immergrün…

  6. Rumgespielt, aber nicht wirklich was geworden… Aber bevor ich’s komplett lösche, dacht ich, stell ich’s dazu. Hoffe, das ist in Ordnung.

    Oh, kühl ist die Senke nun
    dort ziehn wir, Liebe, hin.
    Für viele ertönt ein Chorlied nun
    seit Liebe schwand dahin.
    Und hörst du nicht wie die Drosseln rufen
    rufen sie uns fort?
    Oh, kühl und freundlich ist die Senke
    wir bleiben, Liebes, dort.

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