(Sundancer Backpacker‘s Resort,
Terrasse zur High St.
9.37 Uhr australischer Zeit.)
Es ist kühler geworden, unter den Wolken empfiehlt sich ein leichter Schawl, den wir aber sofort wieder ablegen müssen, wenn die Sonne hindurchkommt. Schwere Bedeckung aber über der See; der Umbruch in die Regenzeit könnte das Meer unruhig machen. Der Termin für diese Kreuzfahrt ist gut gewählt, gilt sie doch vor allem der Rückholung des Schiffs in europäische, namentlich erst einmal deutsche Gefilde. Es ist nicht nur eine Freizeit fahrt – für mich ja ohnedies nicht. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann in meinem Leben „Freizeit“ überhaupt einmal eine Rolle gespielt hat. Alles ist Teil meines Berufs, dessen Name in altem Sinn von Berufung kommt. Wozu mir allerdings meine Mutter einfällt: „Einige sind berufen, doch wenige sind auserwählt.“ Selbstverständlich setzt Auserwähltheit eine bestimmende Instanz voraus; es gehört zu meinem und meiner Art Character, solche Instanzen zu leugnen, bzw. sie zu unterlaufen, seien sie sakraler, seien sie säkularer „Natur“.
Ich kam gut früh zu Bett, etwas nach Mitternacht, und lag in meinem Vierbettzimmer noch lange allein, konnte aber fast ebenso lange nicht einschlafen. Stickig stand die Luft in dem Raum, und von direkt unter mir, wohin nach 22.30 Uhr, in einen Spalt zwischen zwei Häusern, die Raucher sich verdrücken müssen, quollen dickes Reden und Lachen herauf, ausgelassen, nicht bereit, schon dem nächsten Tag in die Augen zu sehen, die hier im Sundancers sofort auf drei Fernsehbildschirme schauen, zwei riesige und einen kleineren für jeden Einblock des Saals, und die Ohren hören eingeblendetes, sehr lautes Lachen der TV-Programmierer, das heißt, derer, an deren Strippen sie ziehen. Wenn Johnny Cash beginnt, ist das immer eine Erholung, der Rock ‘n Folk, der darauf folgt – geradezu niemals hör ich hier Pop, das ist auffällig, ist interessant, und angenehm -, bekommt da etwas Utopisches: Flower Power, die sich mit jugendlicher Sinnlichkeit paart, und mit Offenheit. Klassik oder „was man so nennt“ wäre hier völlig fehl am Platz, ich selbst wollt‘ sie nicht hören. Sie würde objektiv nicht passen, wäre geradezu ein, wenn das Wort hier stehn darf, Stilbruch und täte darum auch mir weh. (Vielleicht aber, gäbe es hier ein Klavier, daß nachts sich jemand daransetzte und spielt Skrjabin? – das freilich wäre etwas anderes).
Unruhe erfaßte mich gestern: Was, wenn ich mich im Abfahrtdatum getäuscht hätte, und die Astor führe bereits heute? Vorn an der Südmole stehend, musterte ich mein Schiff, weil Rauch aus den Schornsteinen aufstieg, mit leichter Unruhe. Da war es halb sechs am Abend, 5.30 pm. Sollte ich bis sechs Uhr stehen bleiben, um sicher zu sein? Aberglaube! Unfug! – Als die Damen noch um Viertel vor sechs an ihrem Kai lag und an seine Seite geschmiegt liegenzubleiben schien, noch etwas ruhen zu wollen, machte ich mich drum auf zurück in den Ort. Aber ich versprach Ihnen >>>> gestern das Bild. Voilà:
Terrasse zur High St.
9.37 Uhr australischer Zeit.)
Es ist kühler geworden, unter den Wolken empfiehlt sich ein leichter Schawl, den wir aber sofort wieder ablegen müssen, wenn die Sonne hindurchkommt. Schwere Bedeckung aber über der See; der Umbruch in die Regenzeit könnte das Meer unruhig machen. Der Termin für diese Kreuzfahrt ist gut gewählt, gilt sie doch vor allem der Rückholung des Schiffs in europäische, namentlich erst einmal deutsche Gefilde. Es ist nicht nur eine Freizeit fahrt – für mich ja ohnedies nicht. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann in meinem Leben „Freizeit“ überhaupt einmal eine Rolle gespielt hat. Alles ist Teil meines Berufs, dessen Name in altem Sinn von Berufung kommt. Wozu mir allerdings meine Mutter einfällt: „Einige sind berufen, doch wenige sind auserwählt.“ Selbstverständlich setzt Auserwähltheit eine bestimmende Instanz voraus; es gehört zu meinem und meiner Art Character, solche Instanzen zu leugnen, bzw. sie zu unterlaufen, seien sie sakraler, seien sie säkularer „Natur“.
Ich kam gut früh zu Bett, etwas nach Mitternacht, und lag in meinem Vierbettzimmer noch lange allein, konnte aber fast ebenso lange nicht einschlafen. Stickig stand die Luft in dem Raum, und von direkt unter mir, wohin nach 22.30 Uhr, in einen Spalt zwischen zwei Häusern, die Raucher sich verdrücken müssen, quollen dickes Reden und Lachen herauf, ausgelassen, nicht bereit, schon dem nächsten Tag in die Augen zu sehen, die hier im Sundancers sofort auf drei Fernsehbildschirme schauen, zwei riesige und einen kleineren für jeden Einblock des Saals, und die Ohren hören eingeblendetes, sehr lautes Lachen der TV-Programmierer, das heißt, derer, an deren Strippen sie ziehen. Wenn Johnny Cash beginnt, ist das immer eine Erholung, der Rock ‘n Folk, der darauf folgt – geradezu niemals hör ich hier Pop, das ist auffällig, ist interessant, und angenehm -, bekommt da etwas Utopisches: Flower Power, die sich mit jugendlicher Sinnlichkeit paart, und mit Offenheit. Klassik oder „was man so nennt“ wäre hier völlig fehl am Platz, ich selbst wollt‘ sie nicht hören. Sie würde objektiv nicht passen, wäre geradezu ein, wenn das Wort hier stehn darf, Stilbruch und täte darum auch mir weh. (Vielleicht aber, gäbe es hier ein Klavier, daß nachts sich jemand daransetzte und spielt Skrjabin? – das freilich wäre etwas anderes).
Unruhe erfaßte mich gestern: Was, wenn ich mich im Abfahrtdatum getäuscht hätte, und die Astor führe bereits heute? Vorn an der Südmole stehend, musterte ich mein Schiff, weil Rauch aus den Schornsteinen aufstieg, mit leichter Unruhe. Da war es halb sechs am Abend, 5.30 pm. Sollte ich bis sechs Uhr stehen bleiben, um sicher zu sein? Aberglaube! Unfug! – Als die Damen noch um Viertel vor sechs an ihrem Kai lag und an seine Seite geschmiegt liegenzubleiben schien, noch etwas ruhen zu wollen, machte ich mich drum auf zurück in den Ort. Aber ich versprach Ihnen >>>> gestern das Bild. Voilà:
Man, n‘est-ce que pas?, erkennt meine Unruhe nicht. Sie gehört ja sowieso zu meinen üblichen Aufbruchsnervositäten. Aber auch die Unruhe des Schiffes scheint mit nicht kenntlich zu sein. Auf dem Bild wirkt sie, die schöne Dame, ruhend.
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Sehr angenehm am >>>> Sundancer‘s ist nicht nur die Freundlichkeit des Teams, die eine eigene Erwähnung verdient, sondern vor allem die Vertraulichkeit, die es erlaubt, jedes Gerät offen herumliegen zu lassen; man muß einfach keine Angst haben, daß etwas wegkommt, auch nicht bei Laptops, iPads und dergleichen; vielmehr ist‘s, als legte jede/r das Auge darauf, daß es auch bleibe, wo‘s grad ist. Nur hier auf der Terrasse, bat mich Jay, möge ich auf den Tischen nichts herumliegen lassen – ein Griff von der Straße sei zu schnell getan. Dabei habe ich von Fremantle immer wieder einen Eindruck, den die folgende Anekdote aus der Londoner Zentrale der Bank of England illustriert: Irgendwie sei am Schalter, vor dem sich bis auf die Straße eine lange Menschenschlange aufgebaut hatte, ein Goldbarren liegengeblieben. Der ganz vorne Stehende habe ihn genommen und sich angeschaut, und der oder hinter ihm habe aber auch mal gewollt, und wiederum die noch dahinter. So sei der Barren von Hand zu Hand vor Auge und Auge bis auf die Straße gewandert, habe eine kleine Kurve zur Nebenschlange gemacht und sei nun die wieder bis nach vorne gewandert. Der/Die Letzte habe den Barren dort an den Schalter zurückgelegt.
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Abends las ich, las lange, einhundert Seiten an einem Stück und möchte Ihnen das Buch gerne empfehlen. Ich lese es auf dem iPad, was angenehm ist, aber Sie können es selbstverständlich auch gebunden bekommen. Der Autor selbst, Lars Popp, hat mich um die Lektüre gebeten, nicht aber, ohne beizufügen, ich würde möglicherweise etwas verwundert über Ähnlichkeiten zum >>>> Wolpertinger sein; doch habe er mein Buch wirklich nicht gekannt, als er das seine schrieb. Das ist mehr als glaubhaft; in einem ungewissen Sinn könnte man von „Variationen über Themen des Wolpertingers“ sprechen, hätte Popps Roman nicht eine völlig eigene Sprache, die vor allem in der Behandlung von Dialogen geradezu meisterlich ist – frühmeisterlich, denn dieser Romancier ist noch recht jung. Mich begeistert an dem Text, unter einigem anderen, wie doch totgesagte Themen sich immer weitererhalten, wenn es denn welche tatsächlich sind, und wie ähnlich sie in ihrem Ausdruck werden, gerade auch in der Unähnlichkeit. Das reicht bis bestimmte Macken, die die Characteere haben, sagen wir: Eigenheiten. Sie müssen sie haben. Es ist ein bißchen, als führten ganz andre uns die Hand; zwar, es bleibt bei je unserer eigenen Handschrift, bei Popp wioe mir ganz unbedingt, aber was sie jeweils niederschreibt, das stammt von jemandem andres.
Lars Popps Roman heißt >>>> „Haus der Halluzinationen“
Lars Popps Roman heißt >>>> „Haus der Halluzinationen“
und ist bei >>>> Hablizel erschienen; kein Geringerer als Dietmar Dath hat es lektoriert, was ich deshalb petzen darf, weil auch das Impressum es angibt. Popps Sprache ist frisch, aber nicht jugendlich im Sinne von Jargon, verzichtet freilich, anders, als ich es tat und tue, auf Parataxen; vielleicht liegen die ihm einfach nicht. Allerdings ist die Struktur des Romans, also seine Konstruktion, parataktisch – etwas, das die vermeintlich locker dahinfließende Erzählung ausgesprochen pfiffig macht. Und besonders für einen wie mich extrem vergnüglich. Wobei es meiner Eitelkeit selbstverständlich gefällt, auf welch elegant indirekte Weise sich im Abspann des Buches eine Art Danksagung nicht an mich, nein, sondern an den Wolpertinger findet.
Ich denke, ich werde >>>> Volltext fragen, ob ich auch diesen Roman rezensieren darf. Meine Besprechung könnte ich gut auf dem Schiff schreiben und täte es dort gerne, in Absehung von Gregor Lanmeister, dem ich doch auch noch gar nicht begegnet bin. Wie es sein wird, aber wenn er leibhaftig vor mir steht, – nun, Leserin, wir werden sehen. Ob ich mich trauen werde, ihn anzusprechen? Oder wird es besser sein, ebenso diskret zu bleiben wie er?
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Ich denke, ich werde >>>> Volltext fragen, ob ich auch diesen Roman rezensieren darf. Meine Besprechung könnte ich gut auf dem Schiff schreiben und täte es dort gerne, in Absehung von Gregor Lanmeister, dem ich doch auch noch gar nicht begegnet bin. Wie es sein wird, aber wenn er leibhaftig vor mir steht, – nun, Leserin, wir werden sehen. Ob ich mich trauen werde, ihn anzusprechen? Oder wird es besser sein, ebenso diskret zu bleiben wie er?
Wir legen hier ab, wenn es bei Ihnen genau Mittag sein wird, Leser. O-der-Sie jetzt noch schlafen! An Ihre, Leserin, Bettstatt denk ich mal besser nicht.
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(10.33 Uhr.)
Sundancer‘s Morgenstimmung:
(Bereits am Kai gewesen, nach meinem Schiff geschaut. Es wartet.)
Die Sonne ist hervorgekommen. Warm ist‘s. Etwas geschlendert. Den LS 11 und die geliebten OKMs, meine In-Ear-Mikros, bereitgelegt, um bereits beim Einschiffen Atmos für das Hörstück aufzunehmen. So und so, und so ebenfalls, beginnt nun meine „eigentliche“ Arbeit. Ich denke, daß ich tagsüber lauschen, beobachten, bisweilen auch Gespräche führen, aber abends, wenn die anderen beim Entertainment sitzen, schreiben und auch schon die jeweiligen Aufnahmen auf die Sicherungsplatte übertragen, vielleicht sogar schon die Tonprotokolle erstellen werde.
(12.39 Uhr.
Noch anderthalb Stunden bis zum Aufbruch.)******
Die Sonne ist hervorgekommen. Warm ist‘s. Etwas geschlendert. Den LS 11 und die geliebten OKMs, meine In-Ear-Mikros, bereitgelegt, um bereits beim Einschiffen Atmos für das Hörstück aufzunehmen. So und so, und so ebenfalls, beginnt nun meine „eigentliche“ Arbeit. Ich denke, daß ich tagsüber lauschen, beobachten, bisweilen auch Gespräche führen, aber abends, wenn die anderen beim Entertainment sitzen, schreiben und auch schon die jeweiligen Aufnahmen auf die Sicherungsplatte übertragen, vielleicht sogar schon die Tonprotokolle erstellen werde.
(12.39 Uhr.
Noch anderthalb Stunden bis zum Aufbruch.)
@meine Administratorinnen: Bitte, wenn Sie in meinen zur dieser Reise entstehenden/entstandenen Erzählungen Tippfehler und dergleichen entdecken, korrigieren Sie sie nach eigner Einsicht und eignem Empfinden. Ich selbst kann das, weil der Internetzugang zu schwierig und/oder zu teuer ist, nicht immer tun.
Dank Ihnen!
ANH
(noch in Fremantle, 1.4.14.)